Erlebnisgesellschaft - Erlebnisreligion

- Zerstreuungen mit Hans-Joachim Höhn -
(Kirche zum Mitreden, 10.08.2000)

Als Einstimmung in die kommenden Texte der V2-Sekte Köln (es geht wieder hoch her!) betrachten wir hier einen Vortrag des Kölner Laien-"Theologen" Hans-Joachim Höhn. Höhn war bereits in dem Text Faustrecht gewürdigt worden, hier steht nun ein etwas neuerer Text von ihm zur Diskussion. Höhn erhielt am 03.10.1997 einen Brief von uns:
"Der beigefügte Text "Faustrecht" ist bereits vor einigen Wochen im Franziskaner-Gemeindebrief (Auflage ca. 5.000 Exemplare) veröffentlicht worden. "Generalvikar" Feldhoff, dem ich den Text noch vor der Veröffentlichung zugestellt hatte, hat Ihnen wahrscheinlich schon eine Kopie des Textes ausgehändigt. Nur zur Sicherheit schicke ich Ihnen den Text direkt. Geben Sie ggf. auch eine Kopie an Borse weiter! Für einen Kostenzuschuß von DM 10,- können Sie noch andere bereits publizierte Texte von mir erhalten, die sich ebenfalls mit der neuen "Theologie" und der vatikanischen Antikirche auseinandersetzen."
Dieser Brief blieb bis heute unbeantwortet, d.h. Borse und Höhn haben nichts an unseren sie betreffenden Ausführungen zu beanstanden.

In der Karl Rahner Akademie, Köln, hielt Höhn am 16.02.2000 einen Vortrag "'Spurensicherung'. Erlebnisgesellschaft - Erlebnisreligion". Wir stellen nun die zugehörige "Seminarunterlage für die Teilnehmer von Kurs Nr.67 'Zerstreuungen'" vor.

Bevor wir auf den Höhn-Text eingehen, eine kurze Bemerkung zum Kursthema "Zerstreuungen". "Zerstreuen" ist ein durchaus biblischer Begriff, der in vielen Kernaussagen der Heiligen Schrift zu finden ist, z.B.:
"Ich sehe ganz Israel auf den Bergen zerstreut wie Schafe ohne Hirten" (1 (3) Kön 22,17). - Dies sagt der Prophet Mika (Michajehu) zu Achab, dem König von Israel, um ihn davor zu warnen, die Schlacht gegen Ramot in Gilead zu schlagen. Mika wird für diese Warnung schwer bestraft, er muss solange ins Gefängnis, bis Achab unversehrten Rückkehr Achabs aus der Schlacht. Der König stirbt aber in der Schlacht, er verblutet in seinem Wagen. "Als man am Teich von Samaria den Wagen wusch, leckten die Hunde sein Blut auf, und die Dirnen wuschen sich darin nach dem Wort, das der Herr gesprochen hatte" (22,38).
Der Psalmist klagt:
"Nun hast Du uns verworfen, zu Schanden uns gemacht: Du ziehst nicht mehr mit unsern Schafen aus. Du läßt uns vor dem Gegner fliehen, und unsere Hasser holen Beute sich. Du gibst uns hin wie Schlachtschafe, zerstreust uns unter die Heiden, und die Nationen schütteln um uns den Kopf" (Ps 44 (43),10-12).
In diesem Zusammenhang besonders interessant sind auch die Ausführungen über die Endzeit (Daniel 12,7):
"wenn aufhört die Vernichtung an der Macht des heiligen Volks, geht alles das zu Ende" (Riessler)
"Ist man damit fertig, die Macht des heiligen Volkes zu zerschlagen, dann wird sich dies vollenden" (Hamp)
"wenn die Zerstreuung der Macht des heiligen Volkes aufs höchste gekommen" (Straubinger).
Dort ist nämlich auch von der Abschaffung des täglichen Opfers (was gemeinhin auf die Einführung des "Novus Ordo Missae" der V2-Sekte bezogen wird) und dem Aufstellen der Greuelgötzen (was gemeinhin auf die Entweihung der Kirchen, insbesondere bei dem Assisi-Spektakel 1986, durch die V2-Sekte bezogen wird) die Rede.
Jesus formuliert die unausweichliche Alternative: "Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut" (Mt 12,30). Ferner unterscheidet Jesus zwischen dem guten Hirten und dem Mietling: "Der Miethling aber, der nicht Hirt ist, dem die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe und flieht, und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe" (Joh 10,12).
Die Zerstreuung bedeutet Schwäche, während Sammlung Stärke bedeutet. Dies gilt ebenso für mehrere Menschen (Einigkeit macht stark) wie für den Einzelnen, der z.B. beim Gebet gesammelt oder zerstreut ist; cf. H. Jone, Katholische Moraltheologie, Paderborn (7)1936, 124: "Ist man bei Pflichtgebeten (z.B. Buße, Breviergebet) freiwillig zerstreut, so hat man doch seine Pflicht erfüllt, obwohl freiwillige Zerstreuung selbstverständlich eine läßliche Sünde ist und die Wirksamkeit des Gebetes beeinträchtigt."

Die V2-Sekte arbeitet unentwegt daran, die Widerstandskraft gegen das Reich des Satans zu brechen. Einerseits werden die Mitläufer durch Zerstreuungen aller Art, insbesondere durch das Affentheater der "Neuen Messe", von Sammlung und damit vom Nachdenken abgehalten, andererseits werden diejenigen, die das Spiel der V2-Sekte durchschauen, mit den übelsten Terrormethoden unterdrückt / zerstreut. Insofern kann es nicht verwundern, dass bei einer V2-Akademie "Zerstreuungen" Kursthema sind. Damit zum Höhn-Text.

Höhn klotzt bereits mit den Anfangsworten apodiktisch herum, dass jedem rückgratlosen Duckmäuser erst einmal die Luft wegbleibt:
"Wer heute abseits doktrinärer Fundamentalismen am Religiösen interessiert ist, sucht nicht das vorgefertigte Bekenntnis, das man nur noch zu übernehmen braucht, - auch nicht ein dogmatisches Lehrgebäude, das bei Häresieverdacht mit Sanktionen droht, - und erst recht nicht die oberhirtliche Verwaltung einer rigiden Moral."
Was für ein Satz! Sofort wird die verbale Keule ("doktrinärer Fundamentalismus") mit aller Wucht geschwungen, dann wird direkt nach dem Mengenlehrenprinzip eine Restmasse erfunden, die an etwas Religiösem ohne klare Inhalte interessiert sein soll.
"Fundamentalismus" ist ein beliebter Totschläger, mit denen Gruppen diskreditiert werden sollen, die noch irgendwie an der Verbindlichkeit dogmatischer und moralischer Aussagen festhalten, sei es auch nur pro forma; damit lässt sich der Begriff auf jeden anwenden, der nicht seine Privatreligion zum Credo erhebt (s. z.B. Publik-Forum), also z.B. auf das "Opus Dei", auf die Indultler, ja sogar auf uns ist dieser Ausdruck schon einmal angewendet worden! Zugrunde liegt der Irrsinn, dass es verwerflich sei, ein festes Fundament zu haben: Der mündige Bürger baut sein Haus auf seinem eigenen Mist (cf. Mt 7,24-27). Die Hinzufügung des Adjektivs "doktrinär" soll die Verwerflichkeit des festen Fundaments unterstreichen, ist aber nur eine Tautologie, mit der die Zuhörer besonders genarrt werden sollen.
Damit wendet sich Höhn direkt denjenigen zu, die eine Lehre ohne Inhalt suchen, allerdings nicht in der Weise, dass Höhn den Irrsinn dieser Suche nach einer inhaltslosen Lehre aufzeigt; diese Blindgänger sollen gerade nicht bekehrt, sondern in gewisser Weise "bedient" werden. Das erinnert stark an Höhns Aktivismus zugunsten inhaltsloser Sakramente.
Damit bildet also eine völlig abstruse Behauptung den Ausgangspunkt für Höhns Zerstreuungen. Weil der Ansatz falsch ist, könnte man hier die Analyse des Vortrags beenden, aber wir schauen noch ein bisschen weiter.

"Die religiös Aufgeschlossenen dieser Tage suchen Indizien dafür, daß die Türen der Offenbarung nicht schon vor 2000 Jahren oder mit der Endredaktion der Evangelien definitiv geschlossen wurden."
Nach kirchlicher Lehre ist die Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen ist, und so kann es eine Dogmenentwicklung nur in dem Sinne geben, dass das, was im Kern schon alles vorhanden ist, von der Kirche tiefer, aber niemals in einem anderen Sinne erkannt wird; der Modernismus hingegen duldet keinerlei Beschränkung seiner Narrenfreiheit, s. Syllabus. Der naturwissenschaftlich Aufgeschlossene sucht Indizien dafür, dass die Schwerkraft nicht immer gilt, und springt vom Hochhaus. Der medizinisch Aufgeschlossene sucht Indizien dafür, dass konzentrierte Salzsäure nicht wirklich schädlich ist, und genehmigt sich einen gehörigen Schluck. Der technisch Aufgeschlossene sucht Indizien dafür, dass Strom leicht kontrollierbar ist, und steckt mit entsprechender Vorbereitung die Finger in die Steckdose. Diesen und ähnlichen "Aufgeschlossenen" sei deutlich gesagt: Eure Indiziensuche wird tödlich enden! Dem "religiös Aufgeschlossenen" sei gesagt, dass der ewige Tod in furchtbaren Höllenqualen besteht, und man das Leben wählen soll.

"Damit ist auch bereits die Herausforderung angedeutet, vor der die etablierten Kirchen und Konfessionen stehen. Sie scheinen nur dann noch zukunftsfähig zu sein, wenn der rituellen Erstarrung ihrer Liturgie und der gefühlloser Verkopfung ihrer Lehre den Abschied geben. Sie haben offenkundig nur dann eine Zukunft, wenn sie religiöse "Live"-Erlebnisse möglich machen. Anstatt wie bisher an einem Bestand "wahrer" Sätze festzuhalten, setzt sich auch unter ihren Mitgliedern zunehmend das Interesse an einer Spiritualität durch, die sich von intensiven Erlebnissen nährt ."
a) "rituelle Erstarrung der Liturgie": Der Messkanon geht auf die Apostel zurück, das ist der Garant dafür, dass wirklich das Opfer Christi dargebracht wird. Die "Messtexte" des "Novus Ordo" sind freie und sakramental unwirksame Erfindungen von Menschen. Wichtig: Höhn meint den liturgischen Wildwuchs der V2-Sekte, wenn er von "ritueller Erstarrung" spricht. Also selbst das Tohuwabohu, was in den V2-Häusern abgezogen wird, was vor weniger als vierzig Jahren aufkam und in unzähligen extremen Varianten und Neuerfindungen auftaucht, gilt noch als "rituelle Erstarrung"! Bei solchem Tempo muss einem die Puste ausgehen!
b) "gefühllose Verkopfung der Lehre". Die großartigsten Theologen waren unbestritten (s. aber auch Alma Mater, Teil 2) die Kirchenlehrer Augustinus und Thomas von Aquin. Keiner, der sich jemals mit diesen Heiligen beschäftigt hat, kann ernsthaft behaupten, diese stünden mit ihrer exzellenten wissenschaftlichen Leistung dem Glauben "gefühllos" gegenüber. Ganz im Gegenteil, ihre Schriften sind durchdrungen von einer tiefen Liebe zu Gott. Die wunderschönen Gebete des Thomas von Aquin, die zu den wenigen Sequenzen der Liturgie hinzugefügt wurden, sind sehr geeignet, die Liebe zu Gott anzufachen und zum Ausdruck zu bringen. Man lese auch den bekannten, bei der eucharistischen Anbetung oft gesungenen Hymnus "Adoro te devote, latens Deitas" ("In Demut bet ich Dich, verborgne Gottheit; an"), hier die letzte Strophe: "Jesu, quem velatum nun aspicio, / Oro, fiat illud, quod tam sitio: / Ut te revelata cernens facie, / Visu sim beatus tuae gloriae" ("O Jesus, den verhüllt jetzt nur mein Auge sieht, / Wann stillst du das Sehnen, das in der Brust mir glüht [wörtlich: "Ich bete, es möge geschehen, wonach ich so sehr dürste"]: / Daß ich enthüllet Dich anschau von Angesicht / Und ewig selig sei in Deiner Glorie Licht"; Übers. Schott).
Hier können wir Höhn beim besten Willen keine mildernden Umstände mehr einräumen, denn wir haben ihn persönlich über Thomas von Aquin belehrt. In den Heiligen löst sich die von Höhn erfundene "Herausforderung" auf. Die Kirche stellt uns die Heiligen als Vorbilder vor Augen, und nur die Blinden, die Zerstreuten, die Selbsterfahrer, die Erlebnischristen versperren sich diesem Geschenk.

"Theologie und Pastoral müssen sich in diesem Kontext auf mehrfache Weise neu orientieren. Sie müssen auf das neue "Erlebnisformat" der religiösen Sinnfindung reagieren."
Das war´s dann wohl. Während Höhn sich immer mehr in seine pastoralen Fieberträume hineinsteigert, hat der gesammelte Geist schon längst die Lösung gefunden. Und was Höhn sonst noch so auftischt, ist bestenfalls als hochgradig peinlich zu bewerten. So langweilt er seine Zuhörer / Leser z.B. mit den Milieu-Theorien von Schulze: "G. Schulze hat in seiner Studie über die "Erlebnisgesellschaft" fünf Milieus rekonstruiert, die sich unter den Bedingungen eines gewachsenen Möglichkeitsraumes des (Er-)Lebens und Handelns durch mehr oder weniger freigewählte, jedoch auch von Alter und Bildung abhängige Muster und Schemata des Alltagsverhaltens ergeben. Das Niveaumilieu umfaßt über 40-jährige Personen mit höherer Bildung und Einkommen die sich am ästhetischen Schema der "Hochkultur" und des "Perfekten" orientieren, denen es um gesellschaftlich hohen Status (Ansehen, Einfluß) geht und für die "Kontemplation" die primäre Genußform darstellt. Gesucht werden soziale Kontexte, die Erlebnisse der "Erhabenheit" vermitteln und das Gefühl erzeugen, selbst Niveau zu besitzen. Man übt meist akademische Berufe aus (Arzt, Rechtsanwalt), kleidet sich elegant-konservativ, liest überregionale Tageszeitungen, spricht Hochsprache und wohnt in den eigenen vier Wänden. Das Harmoniemilieu umfaßt meist ältere Personen mit einfacher Schulbildung (Arbeiter, Verkäuferinnen, Rentner, Hausfrauen), die sich ästhetisch am Trivialschema orientieren, sich gegen alles "Exzentrische" abgrenzen und die Suche nach Geborgenheit und Gemütlichkeit inmitten einer als bedrohlich und unüberschaubar erlebten Welt in den Vordergrund stellen. ..."
Immerhin gesteht auch Höhn eine "Vorläufigkeit und Fragwürdigkeit dieser Zuordnungen" ein, aber erst, nachdem er alles vorgekaut hat.

Am Ende seines endlos langweiligen Gefasels verkündet Höhn dann die Totalrevolution als Programm: "Die religiöse Sinnreflexion des Lebens kann sich für die Kirche nicht in der Ausgabe vorgestanzter Sinnschablonen erschöpfen, sondern muß von dem her erfolgen, was die Menschen selbst einbringen können und wollen. Das Gelingen religiöser Kommunikation, die von der Kirche ausgeht, ist vor diesem Hintergrund in hohem Maße abhängig von ihrer Resonanzfähigkeit. Damit ist gemeint, daß die "Kirche sehr viel stärker die existentiell-religiösen Sinnerwartungen, die von den Menschen im Kontext ihrer Lebens- und Alltagswelt selber immer schon entworfen werden, aufsuchen, aufnehmen und im Auslegungszusammenhang des Evangeliums verarbeiten müßte. [...] Die entscheidende Frage ist, inwieweit es der Kirche ... gelingt, sich ohne Scheu darauf einzulassen, daß die Menschen sich in ihrer Selbstdeutung als "autonom" anmuten, sie sich deshalb auch in der Position begreifen, zwischen religiösen Deutungsangeboten wählen zu können, sie jedenfalls die Kirche als Instanz vorgefertigter Antworten nur selten zu akzeptieren noch bereit sind" (W. Gräb, Auf den Spuren von Religion. Notizen zur Lage und Zukunft der Kirche, in: ZEE 39 (1995) 49.). Darauf sich einzulassen bedeutet vor allem einen anderen Umgang mit den überlieferten Symbolbeständen des Christentums, als diese nur auf dogmatische Wahrheitsbehauptungen und moralische Sollensansprüche festzulegen."
Das ist die Pseudo-Religion der "Fun-Generation"; Christus hatte da eine andere Pastoral: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und macht euch alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was ich euch geboten habe. Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28,18ff).

Wie einleitend gesagt, ist die V2-Sekte Köln, der Brötchengeber Höhns, z.Zt. mal wieder nicht besonders gut auf uns zu sprechen, und wir werden natürlich zu gegebener Zeit über die Einzelheiten informieren. Im Vorfeld haben wir zumindest schon etwaige Befürchtungen, wir würden uns den pseudo-allmächtigen Kölnern unterwerfen, zerstreut.

[Zurück zur KzM - Startseite]