"Alma mater", Teil 2

- Die Bedeutung der akademischen Anstalten für den konziliaren Umbruch -

(aus Franziskaner-Gemeindebrief, April 1997)

Im ersten Teil unseres Textes "Alma mater" haben wir festgestellt, daß die Dissertation des angeblich katholischen Bischofs G. Storck a) einen antikatholischen Autor (Fichte) anpreist, b) von einem antikatholischen Professor (Scheffczyk) angenommen wurde und c) in einer antikatholischen Zeitschrift ("Einsicht") empfohlen wird. Bis heute, gut drei Wochen nach Veröffentlichung des ersten Teiles, sind allerdings nur positive Kritiken bei uns eingetroffen, obgleich nach Möglichkeit alle Hauptpersonen unseres Artikels (v.a. natürlich Scheffczyk und der Heller-Kollege Jerrentrup) frühzeitig den Text erhalten haben. Damit zum zweiten Teil:

II. Storcks Kampf gegen Christus und seine Kirche

Zu Beginn bereits unser Urteil über Storcks Text: Dieser verdient die Bezeichnung "Doktorarbeit" genauso, wie die Konzilssekte den Namen "röm.-kath. Kirche" verdient, nämlich überhaupt nicht - aus kirchlicher Perspektive. Aus staatlicher Perspektive verpflichtet z.B. das geltende deutsche Recht natürlich zweifelsfrei, die Konzilssekte mit der röm.-kath. Kirche gleichzusetzen und Storcks konfus-chaotisches Geschreibe als echte Doktorarbeit zu bezeichnen, und dies stellen wir keineswegs in Abrede. Für unsere Position spricht u.a., daß Storck mit seiner Kritik an dem größten aller Kirchenlehrer, dem hl. Thomas von Aquin (1225-1274), der zugleich die Blütezeit der Hochscholastik repräsentiert, schwere Mängel an scholastischen Kenntnissen verrät, weswegen der Verdacht zumindest naheliegt, daß er sich nie ernsthaft mit Thomas bzw. generell mit katholischer Theologie beschäftigt hat. Sollte dies der Fall sein, erinnern wir an den Abschnitt aus der Antimodernisten-Enzyklika "Pascendi" des hl. Papst Pius X.: "In Zukunft soll niemand mit einem Doktorgrad in Theologie und im kanonischen Recht ausgezeichnet werden, der die festgesetzen Ausbildungsinhalte in der scholastischen Philosophie vorher nicht gründlich durchgearbeitet hat. Falls er [der Doktorgrad] verliehen wird, sei er wirkungslos verliehen" (Nr. II).
Wenn man Storcks Machwerk aufschlägt, fällt zunächst der hohe Anteil an Fußnotentext auf. Üblicherweise dienen Fußnoten nur zur Angabe von Fundstellen, d.h. wenn man im Haupttext (durch Zitat, Paraphrasierung oder Inhaltsangabe) auf einen fremden Text hinweist, werden in der Fußnote die genauen bibliographischen Angaben hinzugefügt (Ausnahmen sind natürlich möglich, z.B. können Fußnoten auch als Zeilenkommentar zu einem fremden Haupttext verwendet werden). Storck allerdings setzt auf manchen Seiten mehr Text in den Fußnoten- als in den Hauptbereich, der Leser hat also keinen durchstrukturierten, gedankenentwickelnden Text vor sich, sondern wird mit Unmengen von Randbemerkungen und Miniaturexkursen konfrontiert - kurz: Schon rein formal herrscht ein heilloses Durcheinander in der Textgestaltung. Möglicherweise versuchte Storck, dadurch auf die Mindestseitenzahl für eine Dissertation zu kommen, daß er wertlose Aphorismen einschaltete wie: "Große Heiligengestalten haben ihre oft großartigen theologischen Einsichten oft nicht aus der Schultheologie" (FN 291, S. 84). Na da schau her! Wirklich bestechend, diese klare Präzision der Aussage!
Der Verdacht, Storck wolle seine Leser mit solchen Statements für dumm verkaufen, erhärtet sich bei den Weisheiten, die er über die Tugend der Klugheit vom Stapel läßt: "Der Dieb, der einen Diebstahl mit höchster Klugheit durchführt, wäre dann [d.h. nach klassischer Ethik / Moraltheologie] genauso tugendhaft wie der Gerechte!" (FN 17, S. 24). Hier zeigt sich ein eklatanter Mangel an philosophisch-theologischem Wissen; in der Tat ist die Klugheit "auriga et moderatrix omnium virtutum" [Lenkerin und Beherrscherin aller Tugenden] (zit. nach Noldin-Schmitt, Summa theologiae moralis, Bd. I, Regensburg (25) 1937, Nr. 266), und richtig schreibt B. Häring: "Der Schlaue besitzt die Fähigkeit, die Wirklichkeit daraufhin zu übersehen, wie sie seinen Plänen dienstbar gemacht werden kann. Der Kluge besitzt eine ebenso wache Hellhörigkeit wie der Schlaue, aber er hört aus dem Gang der Welt heraus, wie er alles in den Dienst des Guten, letztlich in den Dienst Gottes stellen kann" (Das Gesetz Christi, S. 318f, Freiburg 1954; n.b. nur diese erste Ausgabe von Härings Standardwerk kann guten Gewissens verwendet werden, da Häring später mehr und mehr liberale Ansichten vertrat). Man muß befürchten: Storcks Text enthält soviele dumme und falsche Aussagen, daß es nur noch eine trostlose Fleißaufgabe wäre, alles aufzuzeigen bzw. richtigzustellen.
Als besonders vernunftbeleidigend ist folgende Position Storcks zu bewerten: Bereits im Vorwort stöhnte Storck: "Durch eine langjährige Beschäftigung als Assistent am dogmatischen Seminar gab er [Leo Scheffczyk, der "Doktorvater"] mir freundlicherweise die Gelegenheit, die schwierige Materie zu behandeln" (S. 2). Im Dissertationstext heißt es dann: "Fichte trug die Wissenschaftslehre im Jahre 1804 dreimal vor. Der erste Vortrag begann am 17. Januar und endete am 29. März. [...] Bedenkt man den außerordentlichen Schwierigkeitsgrad des in den Vorlesungen Vorgetragenen und die beträchtliche Kürze der Vortragsdauer, so stellt sich die Frage, wer von den Zuhörern den sachlichen Anforderungen gewachsen sein konnte (FN 237: Unter den heute vorauszusetzenden Bedingungen ist ein authentisches Verständnis dieser zu den schwierigsten Werken der ganzen philosophischen Literatur zählenden Schrift (wie sich wiederholt gezeigt hat) nicht ohne eine mehrere Jahre dauernde einläßliche Beschäftigung zu erreichen. Auch in diesem Vergleich mag ein wenig von der Differenz des geistigen Niveaus zum Ausdruck kommen, das den heutigen Leser im Hinblick auf Verstehensbedingungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Wissenschaftslehre charakterisiert)" (S. 66 [140f]). - Mit Hilfe der abwegigen Behauptung, nur der langjährige Fichte-Leser könne sich überhaupt ein Urteil über Fichte und Storck erlauben, gleich jede Kritik im Keim zu ersticken, wirkt zumindest arrogant. Ähnlich muß auch Fichte charakterlich ausgeprägt gewesen sein: "Fichte bemerkt beiläufig, daß die Ordnung in der Rezeption der Resultate seines Philosophierens umgekehrt war. Man hat erst beurteilt und widerlegt und dann allenfalls verstanden (oder auch nicht!)" (S. 112 [249]).
Respekt und Ehrlichkeit gehören anscheinend generell nicht zu den Stärken Storcks: den hl. Thomas fertigt er in wenigen Sätzen, oft nur in Fußnoten ab; die berühmte Kritik des Jansenisten Blaise Pascal am "Gott der Philosophen" [damit meinte Pascal ein willkürliches Produkt des menschlichen Geistes, das mit dem wahren Gott, wie er uns in der hl. Schrift begegnet, nichts zu tun hat] stellt Storck fälschlicherweise als Kritik am scholastischen Denken hin (cf. z.B. S. 95 [209]). Die Aversion gegen den hl. Thomas nimmt schon sonderbare Formen an, wenn man z.B. sieht, wie ausgiebig Storck darauf hinweist, daß jemand, der behauptet, es gebe keine Wahrheit, wenigstens den Satz: "Es gibt keine Wahrheit", als wahr betrachten müsse (passim; cf. z.B. S. 72-79 [154-171]). Statt eine Binsenwahrheit so oft zu paraphrasieren, hätte Storck ganz einfach aus der Summa theologiae (I.2.1.obj.3) zitieren brauchen: "Qui negat veritatem esse, concedit veritatem non esse. Si enim veritas non est, verum est veritatem non esse" [Wer leugnet, daß Wahrheit sei, gibt damit zu, daß Wahrheit ist. Wenn nämlich Wahrheit nicht ist, dann ist es wahr, daß Wahrheit nicht ist]. Zudem kann diese Erkenntnis leicht aus dem in der klassischen Philosophie als Axiom [Grundsatz, der keines Beweises bedarf] bekannten "Satz vom Widerspruch" [Etwas kann nicht in derselben Hinsicht A und Nicht-A sein] erschlossen werden und ist bereits von daher keiner großen Erwähnung wert. Allerdings könnte hier wieder Storcks Not ausschlaggebend gewesen sein, seinen kurzen Text irgendwie strecken zu müssen.
Immerhin kann man Storck bei seinen Ausführungen zum philosophischen Widerspruch noch zugutehalten, daß die Grundaussage stimmt. Eine andere penetrante Aussage seiner Dissertation läßt sich aber selbst dadurch nicht mehr rechtfertigen, nämlich der Vorwurf, die klassische Theologie habe einen unerträglichen Zwiespalt zwischen Orthodoxie [Rechtgläubigkeit; nicht im Sinne der (häretischen!) "orthodoxen" Konfession] und Orthopraxie [Rechttätigkeit, d.h. moralisch richtiges Handeln] verschuldet, während doch in Wahrheit Glauben und Handlung untrennbar zusammengehörten (cf. z.B. S. 79-84 [171-184]; "Nur dort, wo das Erkennen dem sittlichen Willen, der auf den totalen Lebensakt gerichtet ist, integriert wird, erschließt sich die Wahrheit in ihrer Ganzheit und Einheit" (S. 84 [184])). Es trifft zwar zu, daß ein sittlich verkommener Mensch entweder schwerer den Glauben finden oder ihn leichter verlieren wird als jemand, der sich um moralische Integrität bemüht, dennoch ist eindeutig die Trennung von Orthodoxie und Orthopraxie aufrechtzuerhalten! Andernfalls wäre nämlich z.B. folgender Satz widersprüchlich: "Du glaubst, daß es nur einen Gott gibt? Ganz recht. Aber auch die bösen Geister glauben - und zittern" (Jak 2,19). Um gerettet zu werden, bedarf es zusätzlich zum wahren Glauben auch der guten Werke, aber der wahre Glaube kann auch bei sittlich Verkommenen vorhanden sein! Oder waren sittlich verkommene Päpste wie Alexander VI. etwa dadurch schon Häretiker - und deswegen auch gar keine Päpste? Storck entfernt sich mit seinen Fichte-Hypothesen, mit denen er angeblich Denken und Leben nach der Zerstörungsarbeit der Scholastiker wieder versöhnt, in Wahrheit entscheidend von grundlegenden Aussagen katholischer Ekklesiologie [Lehre von der Kirche]: "Daher kommt es, dass nur drei Menschenklassen von ihr [der Kirche] ausgeschlossen werden: erstens die Ungläubigen, dann die Häretiker und Schismatiker, endlich die Exkommunizierten ... Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß sie unter der Gewalt der Kirche stehen, um von ihr vor Gericht gerufen, bestraft und mit dem Bannfluche belegt zu werden ... Von den übrigen aber, wenn auch noch so gottlosen und verbrecherischen Menschen, ist gar kein Zweifel, dass sie noch in der Kirche verbleiben ..." (Cat. Rom. I, 10,9).
Die Transzendentalphilosophie, wie Fichte sie vertritt und die Storck als letzte Rettung der Wahrheit verkündet ("Nur auf diese Weise [d.h. mit der Fichteschen Transzendentalphilosophie und durch Verwerfung des Thomismus] ist der grundlegende Satz, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen sei, wissenschaftlich einsichtig zu machen und gegen Theoreme und Ideologien, nach deren letztem Grundsatz der Mensch es ist, der sich Gott nach seinem Bilde erschafft, in einem rational geklärten Leben und im lebendigen Wissen wirksam zu vertreten" (Schlußsatz des Textes, S. 185 [427])), zeichnet sich besonders durch ihre Widersinnigkeit aus. Bekanntlich vollzieht sich das Erkennen der Welt wesentlich passiv, d.h. erleidend-hinnehmend. Die gesunde Lehre lautet: Der Erkennende "nimmt wahr", "nimmt zur Kenntnis", was ist. Die Transzendentalphilosophie dagegen vertritt eine völlig groteske Meinung darüber, wie sich Erkennen vollzieht: "Der entscheidende Unterschied zu dem Ansatz, den der Realismus bei seinem Versuch, in der Frage der Existenz Gottes zu einem Ergebnis zu gelangen, wählt, besteht, was die Transzendentalphilosophie betrifft, aber gerade darin, nicht von der Existenz bzw. der Beschaffenheit der Sinnenwelt auf einen vernünftigen Urheber derselben zu schließen. Denn die Sinnenwelt ist gerade nicht möglicher terminus a quo [Ausgangspunkt] des wissenschaftlichen Argumentationsganges. Die Transzendentalphilosophie leugnet gerade die objektive vom Bewußtsein unabhängige Selbständigkeit einer realen Außenwelt, indem sie den Nachweis führt, daß diese Welt nur als real und objektiv vorgestellt wird. Der objektiven Welt kommt also in Wahrheit keine Existenz an sich zu" (S. 51 [104]). Man kann zunächst einfach mal den Faden der Transzendentalphilosophie weiterspinnen und dadurch feststellen, in welch ausweglose Widersprüche dieses Weltbild führt. Z.B. könnte die Schöpfung erst mit dem sechsten Tage begonnen haben, da Gott ja nach Storck nicht fähig war, objektive Wirklichkeit, Realität zu schaffen. Der eigentliche Schöpfer ist der Mensch, der der Außenwelt erst ihre Beständigkeit verleiht, und zwar durch das schöpferische Erkennen: "Erkenntnis (und in ihr: Wahrheit) kann nicht objektivistisch angesetzt werden, sondern nur in der sie mitkonstituierenden geistigen Leistung (FN 432: Hier ruht das partielle Wahrheitsmoment des Anliegens Luthers, der die Kategorie des «pro me» [für mich] in der Glaubenswahrheit hervorhob und gegenüber einer objektivistischen Scholastik zur Geltung brachte ...). Das ist die entscheidende transzendentale Einheit (und Einsicht!). Diese Einheit der Mitkonstitution gilt prinzipiell für die Erkenntnis, also auch für die Erkenntnis der Wahrheit, aber nicht für die Wahrheit an sich! [...] Übrigens ist das gleiche Prinzip für den konkreten Glauben als Zugang zur Offenbarung geltend zu machen. Alle Wahrheiten der Offenbarung werden durch den sie eröffnenden Glauben mitkonstituiert. Aber der Glaube kreiert [erschafft] die Wahrheit der Offenbarung nicht ursprünglich, er erschließt dem glaubenden Subjekt lediglich den Zugang (eben der Offenbarung) der Wahrheit" (S. 118 [264f]).
Mit seiner Behauptung, die Sinnenwelt könne nicht für Gottesbeweise herangezogen werden, straft Storck die Heilige Schrift Lügen: "Nichtig waren ja von Natur aus alle Menschen, denen Unkenntnis Gottes eigen war und die aus den sichtbaren Gütern nicht den Seienden zu erkennen vermochten, noch bei der Betrachtung der Werke den weisen Schöpfer erkannten. [...] Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe wird vergleichsweise ihr Urheber erschaut" (Weisheit 13,1.5); "Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die durch ihre Ungerechtigkeit die Wahrheit unterdrücken. Denn was von Gott erkennbar ist, das ist ihnen offenbar. Gott hat es ihnen geoffenbart. Läßt sich doch sein unsichtbares Wesen seit Erschaffung der Welt durch seine Werke mit dem Auge des Geistes wahrnehmen: seine ewige Macht wie seine Göttlichkeit. Darum sind sie nicht zu entschuldigen" (Röm 1,18-20). Storck nimmt diese Ignoranten also nicht nur in Schutz, er macht den Autoren der Heiligen Schrift auch noch den Vorwurf, widersinnige Forderungen aufgestellt zu haben. Vor Storck ist auch die Forderung Jesu an die Jünger unvertretbar: "Glaubt mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist. Sonst glaubt doch wenigstens um der Werke willen" (Joh 14,11). Spätestens aber seit der Verkündigung der diesbezüglichen Dogmen steht eines fest:
Storck war ein Häretiker und deshalb kein Mitglied der röm.-kath. Kirche!
Folgende Dogmen leugnet Storck durch seine Verfechtung des transzendentalen Erkenntnismodells: "Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, könne mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft durch das, was gemacht ist, nicht mit Sicherheit erkannt werden, der sei ausgeschlossen" (NR 49; cf. DS 3026); "Wer sagt, die göttliche Offenbarung könne durch äußere Zeichen nicht glaubwürdig werden, sie müsse also durch rein innere Erfahrung eines jeden oder durch persönliche Erleuchtung die Menschen zum Glauben bewegen, der sei ausgeschlossen" (NR 55; cf. DS 3033); "Wer sagt, Wunder könnten nicht geschehen, deshalb seien alle Wunderberichte, auch die in der Heiligen Schrift enthaltenen, unter die Mythen und Legenden zu verweisen; oder die Wunder könnten nicht sicher erkannt werden, und niemals könne durch sie der göttliche Ursprung der christlichen Religion rechtmäßig bewiesen werden, der sei ausgeschlossen" (NR 56; DS 3034).
Interessant sind dabei folgende Ausführungen Storcks: "In diesem Sachverhalt der ursprünglichen Idee der Wahrheit und ihrer unmittelbaren Intuition [!!], durch die das Vernunftwesen sich erst als Vernunftwesen konstituiert ([FN 253]) liegt der philosophische Grund und die philosophische Rechtfertigung des zum Glaubensdogma erhobenen Lehrsatzes von der natürlichen und zwar in Gewißheit möglichen Erkennbarkeit Gottes (FN 254: Vgl. DS 3004: «Deum ... naturali humanae rationes lumine ... certo cognosci posse» [Gott kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft mit Sicherheit erkannt werden]. Auf dem «certo» (mit Gewißheit) ist der entscheidende Akzent zu legen. Dieses Adverb charakterisiert das Erkennen als ein zweifelsfreies Erkennen, wie es philosophisch im strikten Sinn zu fordern ist ...)" (S. 71 [153]). Hier haben wir ein Beispiel für die bereits im ersten Teil angesprochene "tendenziöse Selektion": Storck liefert ein um den entscheidenden Punkt "per ea, quae facta sunt" [durch das, was gemacht ist] verstümmeltes Zitat, um seine Häresie als rechtgläubige Aussage zu verkaufen. Da Storck offensichtlich das Dogma kannte und eigenmächtig für seine gottfeindlichen Zwecke zurechtgestutzt hatte, kann man selbst beim besten Willen nicht mehr "unüberwindliche Unkenntnis" als moralische Entschuldigung für diesen Häretiker in Anwendung bringen.
Die bekannten fünf klassischen Gottesbeweise des hl. Thomas von Aquin werden von Storck mit plumpen Kraftausdrücken, dafür aber ohne Argumente in der Luft zerrissen: "Hier liegt nebenbei [!!] auch ein Fehler der Argumentation des Thomas v. Aquin in den «quinque viae» [Fünf Wege (um die Existenz Gottes zu beweisen)]: S. th. I q 2 a 3. Alle von ihm genannten «Beweise» setzen ganz unreflektiert die Geltung des Grund-Folge-Verhältnisses voraus" (FN 20, S. 24). Es ist nur ein reiner Willkürakt Storcks, die Geltung des Grund-Folge-Verhältnisses (Kausalitätsprinzip: "Es gibt keine Wirkung ohne Ursache") als bezweifelbar darzustellen, denn auch das Kausalitätsprinzip hängt eng mit dem Satz vom Widerspruch zusammen. - Weil die Kenntnis der fünf Gottesbeweise nicht bei jedem vorausgesetzt werden kann, hier ein kleiner Ausschnitt: "Die Existenz Gottes kann auf fünf Beweiswegen dargetan werden. Der erste und klarere Weg ist derjenige, welcher aus der Bewegung hergenommen ist. Es ist sicher und durch die Sinneserfahrung verbürgt, daß etwas in dieser Welt bewegt wird. Alles aber, was bewegt wird, wird von einem anderen bewegt. Denn es wird nichts bewegt, außer insofern es in der Möglichkeit zu jenem ist, zu welchem es hinbewegt wird. Es bewegt aber etwas, sofern es in  Wirklichkeit ist. Denn bewegen ist nichts anderes als etwas aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit herausführen. Aus der Möglichkeit kann aber etwas in die Wirklichkeit übergeführt werden nur durch etwas, was in Wirklichkeit ist, wie das wirklich Warme, z.B. das Feuer, macht, daß das Holz, welches der Möglichkeit nach warm ist, der Wirklichkeit nach warm ist und es dadurch bewegt und verändert. Es ist aber nicht möglich, daß ein und dasselbe zugleich in Wirklichkeit und in Möglichkeit in ein und derselben Beziehung sei, sondern nur in verschiedenen Beziehungen kann dies der Fall sein. Was nämlich in Wirklichkeit warm ist, kann nicht zugleich in Möglichkeit warm sein, sondern ist zugleich kalt in Möglichkeit. Unmöglich ist es also, daß etwas nach derselben Beziehung und auf dieselbe Weise bewegend und bewegt sei, oder daß es sich selbst bewege. Es muß also alles, was bewegt wird, von einem anderen bewegt werden. Wenn also dasjenige, von welchem es bewegt wird, gleichfalls bewegt wird, dann muß dieses von einem anderen bewegt werden, und dieses wieder durch ein anderes. Man kann aber hier nicht ins Unendliche fortschreiten. Denn dann gäbe es kein erstes Bewegendes und infolgedessen auch kein anderes Bewegendes, weil die zweiten Bewegenden nur dadurch bewegen, daß sie von dem ersten Bewegenden bewegt sind, wie der Stock nur dadurch bewegt, daß er von der Hand bewegt ist. Folglich ist es notwendig, daß man an ein erstes Bewegendes kommt, das von keinem bewegt wird, und darunter verstehen alle Gott. Der zweite Weg geht vom Wesen der wirkenden Ursache aus. Wir finden in dieser sinnenfälligen Welt eine Ordnung der wirkenden Ursache vor ..." (S.th. I,2,3; zit. nach M. Grabmann, Thomas von Aquin, Köln 1917, 84-86).
An anderer Stelle erzählt Storck über die "quinque viae": "Wenn man einmal von den unzulänglichen, weil nur hypothetisch begründeten Prämissen absieht [!!], ist der generelle Fehler der, daß alle Beweise auf ein (angeblich) notwendiges Sein (ein erstes Bewegendes, eine causa efficiens [Wirkursache], ein notwendiges Sein, Ursache des Gutseins, ordinatio ad finem [Hinordnung auf ein Ziel]) führen, das allerdings nur unter der Bedingung notwendig ist, daß erklärt werde, was erklärt werden soll: das kontingente [nicht notwendige] Sein. Das Absolutum als Absolutum, nämlich der Charakter des Absoluten als Selbstbegründung kann in diesen Beweisen gar nicht eingesehen werden. Deshalb ist die stereotyp am Ende des jeweiligen Beweises wiederkehrende Formel: «et hoc omnes intelligunt Deum» auch irreführend. Niemand versteht unter dem so erschlossenen Sein «Gott». Nur mit Hilfe einer Äquivokation [Wortgleichheit bei Sachverschiedenheit] kann man so formaliter verfahren. Für die wirkliche Einsicht ist mit derartigen Beweisen gar nichts gewonnen" (S. 95 [209]).
Äquivokation ist denn auch der Schlüssel für uns, wenn wir über die "Gottesidee" von Fichte / Storck sprechen wollen. Wir hatten bereits im ersten Teil darauf hingewiesen, daß nicht immer, wenn der Name "Gott" fällt, damit auch Gott gemeint sein muß. Es kann durchaus sein, daß bei Texten über "Gott", "Offenbarung" etc. einfach Vokabeln gebraucht werden, die mit völlig anderen als den christlichen Sinninhalten gefüllt sind. Ein Beispiel für Äqivokation in Storcks Text: "Fichte beschreibt das Absolute in scholastischen Ausdrücken als «actus (essendi)» [(Seins-) Wirklichkeit] und als ein «esse in mero actu» [Sein in bloßer Wirklichkeit], in dem sich «Sein und Leben» durchdringen. [...] Im Hinblick auf die terminologische Bestimmung als «actus» [Wirklichkeit], die als «actus purus» [reine Wirklichkeit] ja auch in der mittelalterlichen Philosophie erscheint, in der mit diesem Begriff allerdings das Fehlen jeglicher Potentialität [Möglichkeit] zum Ausdruck gebracht werden soll, sei angemerkt, daß man sich durch den gleichlautenden Terminus [Begriff] nicht irreführen darf. [...] Die mittelalterliche Philosophie ... konnte ... wesensnotwendig kein Leben bzw. keine Selbstbegründung vom Absoluten aussagen bzw. - was entscheidend ist - einsichtig machen. Darin lag die wesentliche Verfälschung, von der der Glaube und die religiöse Existenz unendlich [!!] betroffen worden sind" (S. 152f [345-347]).
Halten wir an dieser Stelle kurz inne und werfen wir einen Blick auf einige Informationen über Fichte: Fichte wurde "1799 von der Weimarer Regierung entlassen, weil er wegen der Identifikation Gottes mit der moralischen Weltordnung des Atheismus bezichtigt worden war («Atheismusstreit»)" (M. Buchberger (Hg.), Kirchliches Handlexikon, Bd. 1, München 1907, 1461). Gleichgültig, bei welchem katholischen Philosophen bzw. Theologen man sich über Fichte informiert, überall wird Fichte als Pantheist gehandelt. Dazu einige Beispiele: "Fichte [d.h. für Fichte / in Fichtes Denken] ist Gott pantheistisch das absolute, unendliche Ich" (B. Bartmann, Dogmatik, Bd. 1, Freiburg 41920, S. 112); "Fichte sucht die Vereinigung des Menschen mit Gott nicht mehr als Frucht der geschichtlichen Erlösertodes Jeus Christi, durch welchen er die Sünde in uns zerstört und die Seele zur übernatürlichen Gotteskindschaft und damit zur Gottverähnlichung umgeschaffen hat, sondern er findet sie im höchsten Aufschwung des philosophischen Denkens. Die Erkenntnis, daß das göttliche und das menschliche Bewußtsein zusammen eine unbedingte Einheit bilden, ist die Grundlage seiner ganzen Philosophie. Was der Prolog des Johannesevangeliums von Jesus Christus berichte, nämlich die Menschwerdung des Logos im menschlichen Dasein, vollziehe sich zu allen Zeiten und ausnahmslos in jedem einzelnen Menschen. Jesus sei unter allen nur der erste, der die tiefe und klare Einsicht besessen habe, daß zwischen dem menschlichen Dasein und dem Göttlichen eine absolute Einheit bestehe. Dadurch sei er das Urbild aller Frömmigkeit geworden, vor dem sich alle Verständigen in Ehrfurcht beugen müßten. Diese Einheit zwischen Gott und Mensch im Bewußtsein des Jesus von Nazareth sei jedoch keinesfalls ein einmaliges, geschichtliches Ereignis. Vielmehr vollziehe sich dieses Heilsgeheimnis in der Seeele der gesamten Menschheit. Die Einmaligkeit und Einzigartigkeit Christi sei deshalb fallen zu lassen. Jeder philosophische Mensch könne unabhängig von Christus und vom Christentum schon in diesem Leben die wahre Seligkeit erwerben, indem er sich durch Denkenergie zu der Einsicht durchringe: Ich und Gott, Gott und ich sind miteinander verschmolzen, wir sind eine unlösliche Einheit" (J. Riedmann, Die Wahrheit des Christentums, Freiburg 1951, S. 345f).
Da Fichte Freimaurer war (Loge in Rudolstadt), hier auch ausführliche Informationen zur Freimaurerei: "Gemäß Nr. 1 der «alten Pflichten», d.h. des allgemein anerkannten Grundgesetzes der Freimaurerei von 1723, fassen deutsche Philosophen wie Lessing, Krause, Fichte die Freimaurerei als Menschheitsbund im kleinen auf, der als über den gemeinen religiösen, politischen und sozialen «Vorurteilen» stehende geistige Elite wahrhaft «freier», emanzipierter und selbständiger Männer, auf Grund des rein und allgemein Menschlichen die in der Menschheit bestehenden Trennungen in religiöser, sozialer und politischer Hinsicht aufheben oder überwinden und so den idealen Menschheitsbund im großen nach Grundsätzen der Freimauereri verwirklichen soll. Diesem Zweck dient auch die ganze Symbolik des Bundes ([...]) und die Mahnung an die freimaurerische Grundpflicht, sich selbst und andere von «Unwissenheit», «Aberglaube», «Vorurteilen», Sklavenketten zu «befreien» und alle «Tyrannei» zu vernichten, um so das reine Humanitätsideal: «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit», zu verwirklichen und das goldene Zeitalter der völligen Emanzipation des Menschen in der freimaurerischen Weltrepublik herbeizuführen. Bestrebungen der Freimaurerei: In der Freimaurerei englischer Zunge herrscht noch immer eine verhältnismäßig stark religiös-biblische Richtung, in Deutschland huldigt die große Mehrzahl der Brüder freidenkerisch-rationalistischen Anschauungen (bei ständigen inneren Zwistigkeiten), in Frankreich und Italien entfaltet die hier gänzlich atheistisch-positivistische Freimaurerei, besonders seit 1870, eine hochgradig politisch-revolutionäre Tätigkeit und war nachweislich bei allen kirchen- und religionsfeindlichen Maßnahmen der treibende und leitende Faktor. Dies gilt nach Ausweis des Berichts über die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich, von der Vernichtung des gesamten kirchlichen Unterrichtswesens, der demnächst das Laien-Unterrichts-Monopol des Staates die Krone aufsetzen soll. Durch «Aufklärung» und Entkirchlichung der Frauenwelt und profanen Bevölkerung soll «der endgültige Untergang des Papsttums» herbeigeführt werden, «der lügnerische Gott in die Rumpelkammer wandern», «die auf dem galiläischen Mythus [Jesus von Nazareth] gegründete römische Kirche zerfallen»" (M. Buchberger (Hg.), Kirchliches Handlexikon, Bd. 1, München 1907, 1537f). - In den neunzig Jahren seit Drucklegung dieses Buches hat sich natürlich einiges im Sinne der Freimaurerei getan, z.B. was die Trennung von Kirche und Staat oder den Religionsunterricht durch Laien betrifft. Man beachte ferner: Die drei größten "sedisvakantistischen" Zeitschriften in Deutschland, i.e. "Kyrie eléison", "Einsicht" und "Athanasius", werden von Laien (M. Böker, E. Heller, J. Filser) herausgegeben, denen man Respekt vor kirchlichen Würdenträgern nicht leicht zugestehen kann.
Wie faßt der Fichteaner und Häretiker Storck also Gott auf: Nach ihm ist Gott "die absolute Sinnfülle", "sittliche Materialität oder Liebe" (S. 156 [356]). Man darf sich durch die Äquivokation mit christlichen Aussagen (cf. "Gott ist die Liebe", 1. Joh 4,8) nicht täuschen lassen. Dies wird ganz klar, wenn man sich Storcks Versuch einer Apologie Fichtes im "Atheismusstreit" durchliest. Storck meint: "Nach dieser Darstellung der Auffassung Fichtes in der Zeit des Atheismus-Streites ist offenbar, daß der Vorwurf des «Atheismus» zweifellos zu Unrecht besteht" (S. 58 [124]). Storck kritisiert nur eine gewisse Ungenauigkeit bzw. mangelnde Ausarbeitung des Grundgedankens, was er jedoch sofort aus der damaligen Situation Fichtes entschuldigt: "Fichte hat zweifellos den Gedanken der Substantialität Gottes in zu sehr verkürzter und philosophisch zu einseitig bestimmter Weise verstanden, um dem Vorwurf, er leugne die Substantialität Gottes, gerecht werden zu können" (S. 63 [137]). Nun zu Fichtes Gottesidee: "Die konkrete Bestimmung der sittlichen Aufgabe der Individuen und deren Resultate zu einer Einheit in einem Vernunftzwecke nennt Fichte eine «moralische Ordnung» bzw. eine «moralische Weltordnung». Das Eigenartige der Fichteschen Auffassung in diesem Zusammenhang besteht darin, daß Fichte diese «moralische Ordnung» mit dem Absoluten identifiziert. «Jene lebendige und wirkende moralische Ordnung ist selbst Gott, ...» ([FN 187]). Und: «Diese moralische Ordnung ist das Göttliche, das wir annehmen» ([FN 188]). Die Haltung, in der in der Annahme des Sittengesetzes die gesamte Wirklichkeit als auf die Realisierung des Sittengesetzes hingeordnet erfaßt und dessen endlich eintreffende Realtität antizipiert wird, nennt Fichte «Glaube» ([FN 189]). Dieser Glaube findet seine Aktuierung im sittlichen Handeln. «Dadurch wird dieses Göttliche uns lebendig und wirklich» ([FN 190]). Die eigentliche Ungläubigkeit und Gottlosigkeit dagegen ist das unsittliche Handeln: «Der wahre Atheismus, der eigentliche Unglaube und Gottlosigkeit besteht darin, dass man über die Folgen seiner Handlungen klügelt, der Stimme seines Gewissens nicht eher gehorchen will, bis man den guten Erfolg vorherzusehen glaubt, so seinen eigenen Rath über den Rath Gottes erhebt, und sich selbst zum Gotte macht. Wer Böses thun will, damit Gutes daraus komme, ist ein Gottloser»" (S.55f [117f]). Dafür also mußte Storck so hartnäckig auf der angeblichen Einheit von Orthodoxie und Orthopraxie herumreiten: Um Gott quasi abzuschaffen und an seine Stelle die "moralische Weltordnung" zu setzen. Fichte spricht: "Ich sage, dass der Beweis des Daseyns Gottes aus dem Daseyn einer Sinnenwelt unmöglich und widersprechend ist. Ich läugne sonach allerdings einen substantiellen aus der Sinnenwelt abzuleitenden Gott" (Fichte, Sämtliche Werke, V, 216). Wir haben es also gar nicht mehr mit dem christlichen Gott zu tun, sondern mit einer Äquivokation. Das Sittengesetz ist nicht Gott, sondern eben nur ein Gesetz, es kommt in allgemeinen Prinzipien wie: "Was man als gut erkannt hat, das muß man auch tun", zum Ausdruck; teilweise kann es von der Vernunft erkannt werden, ist also rein natürlich (z.B. die Gebote der zweiten Tafel), manche Elemente bedürfen einer besonderen Offenbarung (z.B. das dritte Gebot). Die ausdrückliche Gleichsetzung des Sittengesetzes mit Gott basiert auf einer pantheistischen Weltsicht, da können auch christlich anmutende Formulierungen ("Es [das Absolute / Gott] ist durchaus von sich, in sich, durch sich" (Fichte, Wissenschaftslehre, 151)) nichts mehr retten. Das ist gerade die Taktik der Modernisten: Sie haben keine Probleme damit, Widersprüche nebeneinanderzusetzen, sie schreiben im selben Satz "2+2=4" und "2+2=5". Bestes Beispiel für die Zusammenstellung von Widersprüchen ist die Leugnung des Dogmas über die natürliche Gotteserkenntnis mit dem (sinnentstellten) Zitat selbigen Dogmas bei Storck; die gesamte modernistische Literatur ist von diesen Widersprüchlichkeiten durchsetzt, und nur zur Veranschaulichung hier ein Beispiel des Großmeisters der Unlogik, Karl Rahner SJ: "Selbstverständlich gelten die Dogmen unserer Kirche, aber [!!] es sind allemal erst die Anfänge, die es weiter zu entwickeln gilt und das immerzu [!!], so daß man vielleicht schon in hundert Jahren die alten Glaubensformeln unter den neuen nicht mehr erkennen wird" (K. Rahner, Bilanz der Theologie, Frankfurt 1970, S. 539; zum Vergleich dazu das entsprechende Dogma: "Wer sagt, es sei möglich, daß man den von der Kirche vorgelegten Glaubenssätzen entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft gelegentlich einen anderen Sinn beilegen müsse als den, den die Kirche verstanden hat und versteht, der sei ausgeschlossen" (NR 61, cf. DS 3043).
Als abschließenden Beleg dafür, daß Storck gar nicht mehr das Christentum im Auge hat, wenn er von Gott oder Trinität spricht, hier ein längeres Zitat aus Storcks Äußerungen zur Offenbarung: "Das genuine [angeborene, echte] sittliche Wollen muß an der Realisierung des sittlichen Wertes in sittlicher Motivierung interessiert sein, wenn es dem inneren Anspruch der Sittlichkeit genügen soll. Man kann diesen Standpunkt der prinzipiellen Offenbarung des Absoluten, auf dem das sittliche Leben gemäß dem Anspruch des Gewissens ausgerichtet wird, mit Recht den Standpunkt der Vernunftreligion nennen. Gott als Prinzip des Gewissens ist die Norm des sittlichen Lebens. Man könnte auf Grund dieser Position einer prinzipiellen Offenbarung als Vernunftreligion die These vertreten,daß es einer speziellen, in der Geschichte erfolgenden Offenbarung ([FN 612]) gar nicht mehr bedürfe. Denn was sittlich gesollt ist, ist bereits in und aus dem Gewissen als praktische Vernunft bekannt, es muß also nicht noch zusätzlich positiv geoffenbart werden. Die Offenbarung als bloße Wissensvermittlung scheidet ebenso aus. Denn was gewußt werden soll und muß, ist allein und wesentlich das sittliche Wissen. Es kann immer unmittelbar in der Vernunft gewußt werden [!!]. Wozu also dann noch eine konkrete Offenbarung? ([FN 613]). Der ebenso kühne [!!] wie an sich naheliegende [!!] Gedanke der positiven Offenbarung bezieht sich aber gar nicht primär [!!] auf ein Wissen im theoretischen oder praktischen Sinn, sondern auf Gott selbst. Und zwar nicht, insofern er prinzipiell erscheint im Anspruch des Gewissens, sondern insofern er konkret in der Geschichte erscheint, um als Person in interpersonaler Relation zur konkreten Verwirklichung der sittlichen Liebe aufzurufen ..." (S. 168f [383-386]). Man vergleiche dazu die Dogmen: "Wer sagt, es sei unmöglich oder nicht sinnvoll, daß der Mensch über Gott und die Gott geschuldete Verehrung durch göttliche Offenbarung belehrt werde, der sei ausgeschlossen" (NR 50, cf. DS 3027). "Wer sagt, der göttliche Glaube unterscheide sich nicht von dem natürlichen Wissen über Gott und nicht von der natürlichen Sittenlehre, und deshalb sei es zum göttlichen Glauben nicht erfordert, die geoffenbarte Wahrheit auf die Autorität des offenbarenden Gottes hin zu glauben, der sei ausgeschlossen" (NR 54, cf. DS 3032); "Wer sagt, in der göttlichen Offenbarung gebe es nicht wahre Geheimnisse im eigentlichen Sinn, sondern alle Glaubenssätze könnten durch die richtig gebildete Vernunft von den natürlichen Grundsätzen aus verstanden und bewiesen werden, der sei ausgeschlossen" (NR 59, cf. DS 3041).
Storcks Geschreibe enthält noch viele andere Falschaussagen außer den von uns aufgedeckten, z.B. bzgl. der wissenschaftlichen Freiheit, des Wahrheitsbegriffes, der Anthropologie etc.; wir haben hier - was als exemplarische Warnung vor so manchen angeblichen Wahrheitshütern verstanden werden soll - den Nachweis erbracht, daß Storck ein unerkannter "Feind im Innern" (Pius X. über die Modernisten) war; das Dogma von der natürlichen Erkennbarkeit Gottes leugnet er ganz klar, bei anderen Aussagen (z.B. in Bezug auf die menschliche Erkenntnis, auf das Wesen Gottes, auf die Offenbarung) hält er sich konsequenter an die Methode der Modernisten, mit Hilfe zusammenhangloser Einschränkungen und Umformulierungen für Unklarheit zu sorgen (cf. Pius X., Pascendi: "Sowohl den Rationalisten als auch den Katholiken spielen sie ohne Unterschied, und das in so perfekter Heuchelei, daß sie jeden Unvorsichtigen leicht in ihren Irrtum locken."). - Richtigstellungen fallen üblicherweise umfangreicher aus als die direkte Darlegung der Wahrheit, und bei gegebenem Anlaß werden wir auf weitere Fragen, die von Storck falsch beantwortet wurden, die richtigen Antworten geben. Daß man einen Autor nicht bis ins letzte widerlegen muß, wußte sogar Storck selbst; in seinem Text widmet er den Ansichten Schellings einige Seiten, und nachdem er einige Äußerungen Schellings angeführt und kritisiert hat, schreibt er zusammenfassend zu Schellings Folgerungen: "Es hat keinen Sinn, die abenteuerlichen Ableitungen zu verfolgen. Sie haben keinen Evidenzwert" (S. 151 [343]).

III. Schlußbemerkungen

Der Verf. hat Herrn Storck nicht mehr persönlich kennengelernt, jedoch noch ein gewisses Nachwirken dieses Häretikers zu spüren bekommen. Die beiden Führungskräfte des umstrittenen sog. "Priesterseminars Heilig Blut" in München, Herr Josef Filser und Frau Anna ("Schwester Gertrud") Hilbert, haben sich für die Verbreitung von Storcks Predigt "Der Charakter dieser Zeit" (gehalten am 02.08.81 in Ulm) starkgemacht. Storck sagt in diesem Text immer wieder, daß wir in einer Zeit des Glaubensabfalls und des Sittenverfalls leben, daß wir keinen Papst haben etc. - das Übliche halt. Warum aber gibt Storck denn Äußerungen von sich, die ihn als traditionstreuen Katholiken erscheinen lassen? Storck predigt: "Satan liebt die Finessen, Satan liebt die Verkleidung. Es ist geradezu lächerlich und kindisch zu meinen, man werde Satan als Satan, den Antichrist als Antichrist erkennen, da er mitten im Tempel sitzt und herrscht. Im Gegenteil! Man wird ihn gerade nicht erkennen. Er wird gerade als Hierarch sich ausgeben, als Papst sich ausgeben, als Bischof in Erscheinung treten ...".
Wer jetzt noch immer nicht wahrhaben will, daß die "Einsicht" keine "römisch-katholisch Zeitschrift" ist, sondern nur ein besonders alarmierendes Beispiel für die Unterminierung des katholischen Widerstandes, der sei auf eine Stellungnahme von HJ ("Einsicht" XXVI, 116) verwiesen, wo Jerrentrup seine falschen Sukzessionslisten zu rechtfertigen versucht. Die dabei gemachten Beteuerungen, man müsse auf das Lehramt hören, gelten ja nichts, wenn man sieht, wie eigenmächtig HJ z.B. mit den kirchlichen Vorschriften bzgl. des Thomismus und sogar mit dem Index umgehen. Über Descartes, dessen philosophische Schriften auf dem Index standen, schreibt Storck - ohne Protest seitens HJ -: "Dieses letztere auch in kirchlichen Kreisen und bei Theologen herrschende Verständnis [der Transzendentalphilosophie] ... hat lange und fast völlig den Blick auf die großartige wissenschaftliche Grundlegung der Philosophie verstellt ... Wäre die Position Descartes' angenommen worden, hätte die Kirche eine wirksame Waffe gegen den Skeptizismus und Relativismus gewonnen" (FN 56 (S. 33)). Diese trügerischen Worte also, das Lehramt habe - auch für HJ - das letzte Wort, leiten das Bekenntnis ein, wie sehr HJ an der röm.-kath. Kirche hängen: "In vielen Fällen sind wir auf uns selbst gestellt, auf die Resultate unserer eigenen, mühevollen Recherchen, wohl wissend, daß sich damit die immanente [innewohnende] Gefahr einer Protestantisierung auftun kann."

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