Abschiedsschreiben

- Das heroische Opfer des Alfons Wachsmann -
(Kirche zum Mitreden, 30.01.2004)

Zum Abschied...

Alles hat ein Ende, auch KzM. Wir hatten zugegebenermaßen direkt am Gründungstag von KzM (23.08.1997; wir waren gerade 30 Jahre alt geworden) damit gerechnet, dass dieses Ende gewaltsam herbeigeführt würde, u.z. wiederum durch den Staat, durch die ideologischen Nachfolger von Nero, Friedrich II., Hitler etc. Was wir allerdings nicht erwarteten, war die verhältnismäßig lange Laufzeit von KzM, die immer wieder durch Straf- und Zivilprozesse selbst der absurdesten Art begleitet wurde. Oft schon haben wir den KzM-Untergang als extrem wahrscheinlich angekündigt. Auch derzeit sieht es - nach weltlichen Maßstäben - nicht gut für uns aus.

Sicherlich, es gibt die Sirenenrufe, die uns dazu verführen möchten, nun endlich unsere kirchliche Mitgliedschaft wegzuwerfen. Wir halten uns trotzdem die Worte von Piux XI. (Mit brennender Sorge) vor Augen: "hier ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung oder Untergang geht, und wo infolgedessen dem Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn der Versucher oder Unterdrücker an ihn herantritt mit dem Judasansinnen des Kirchenaustrittes, dann kann er ihm nur – auch um den Preis schwerer irdischer Opfer – das Heilandswort entgegenhalten: "Weiche von mir, Satan, denn es steht geschrieben: den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen!" (Mt. 4, 10; Lc. 4, 8.)."

Die Treue zur Kirche wird dadurch erleichtert, dass man sich an echten Vorbildern orientiert und nicht dem Wahn verfällt, irdischer Erfolg, insbesondere irdische Güter wären das Alleinseligmachende. Die Kirche feiert heute das Fest der Jungfrau und Märtyrin Martina; der Eröffnungsvers der hl. Messe (Loquebar) lautet: "Ich legte Zeugnis ab für Dein Gesetz vor Königen und wurde nicht zuschanden: ich überdachte Dein Gebot, dass ich gar innig liebe." Natürlich wären wir schon rein rechtlich nicht mehr befugt, die hl. Messe zu zelebrieren, wenn wir uns dem Staat unterwerfen würden. Aber auch psychologisch gesehen hielten wir es für unmöglich, als Abgefallener zu zelebrieren. Da tragen wir an Märtyrerfesten immer wieder die Farbe rot, lesen immer wieder die Ermahnungen zur Treue im Bekenntnis, feiern immer wieder die Bekenntnistreue von Männern und Frauen quer durch die Jahrhunderte, die auf alle nur erdenklichen perversen Arten hingemordet wurden, und wir selbst sollten nicht bereit sein, Treue im Bekenntnis zu zeigen? Die erste Oration in der Messe "Loquebar" lautet: "O Gott, du hast neben den andern Wundern Deiner Macht auch dem schachen Geschlechte den Sieg des Martyriums verliehen; gib in Deiner Gnade, daß wir dem Beispiele Deiner hl. Jungfrau und Martyrin N., deren Geburtsfest wir feiern, folgen, und so Dir entgegenschreiten." Als Verräter solche Gebete zu sprechen, scheint uns unangemessen.
 

Diözese Trier

Außer den beiden o.g. Schreiben fanden wir aber noch ein kleines Büchlein in unserem Briefkasten, das wir antiquarisch bestellt hatten: A. Heuser, Kirchengeschichte für den katholischen Religionsunterricht. Ausgabe für die Diözese Trier mit einem Anhang "Geschichte der Diözese Trier" von Msgr. Heinrich Faßbinder, Trier 1953. In diesem Anhang (73-94) heißt es:
(90f) IV. Neuere Zeit
1. Unser Bistum muß Glaubenskämpfe bestehen
Eine Zeitlang bestand in Preußen ein gutes Verhältnis zwischen dem Staate und der Katholischen Kirche. Dann aber erhob die preußische Regierung Forderungen, besonders bezüglich der gemischten Ehen, die in die Rechte der Kirche eingriffen. Das führte zum Streite. Im Jahre 1837 wurde das Oberhaupt unserer Kirchenprovinz, der Erzbischof von Köln, verhaftet und als Gefangener auf die Festung Minden gebracht. Dieses „Kölner Ereignis" war wie ein Alarmruf für alle Katholiken in Preußen. Es weckte in ihnen eine hohe Begeisterung für ihren Glauben. Das religiöse Leben erhielt neuen Aufschwung. Zahlreiche katholische Vereine entstanden. Großen Anteil an dieser Entwicklung hatten die glaubensmutigen Schriften, die Josef v. Görres, ein geborener Koblenzer, verfaßte. Die Regierung mußte erkennen, daß sie das Gegenteil von dem erreicht hatte, was sie wollte. Sie gab daher nach und entließ den Kölner Erzbischof aus der Haft. Die Seelenzahl im Bistum Trier wuchs beständig. Neue Pfarreien wurden gegründet, und zahlreiche Kirchen entstanden. Nach dem Deutsch-Französischen Kriege 1870/71 kam aber ein schwerer Rückschlag. In Preußen entbrannte der sogenannte Kulturkampf. Er entstand dadurch, daß der Staat die Kirche seiner Macht unterwerfen wollte. Neue Gesetze raubten der Kirche einen großen Teil ihrer Freiheit. So schrieben sie vor, welche Ausbildung die Priester erhalten sollten. Die Regierung ging mit harten Strafen gegen die Bischöfe und Priester vor, die diese ungerechten Gesetze nicht anerkannten. Auch unsere Diözese mußte schwere Drangsale erleiden. Der Trierer Bischof Matthias Eberhard wurde ins Gefängnis geworfen und schmachtete darin fast zehn Monate lang. Als er im Jahre 1876 starb, erhielt er vorläufig keinen Nachfolger. Hunderte von Priestern nahmen nach dem Vorbilde ihres Bekennerbischofs lieber Absetzung, Geldstrafen, Gefängnishaft und Verbannung auf sich, als daß sie die Freiheit der Kirche verrieten. Herrlich bewährte sich in diesen Jahren auch die Glaubenstreue des katholischen Volkes, das unbeirrt zu seinen Priestern stand. Schließlich sah die preußische Regierung ihr Unrecht ein. Die meisten kirchenfeindlichen Gesetze wurden wieder aufgehoben. Aber unser Bistum glich einem Trümmerfelde. Fast ein Drittel der Pfarreien war ohne Pfarrer; rund 300 000 Katholiken entbehrten eine geordnete Seelsorge. Das Priesterseminar war geschlossen, so daß es keine neuen Priester heranbilden konnte. Die Klöster standen verlassen. Fünf Jahre lang blieb die Diözese ohne Bischof. Da schenkte Gott ihr im Jahre 1881 einen Oberhirten, der wie kaum ein anderer berufen war, neues Leben aus den Ruinen zu wecken: Michael Felix Komm. Er war eine der gewaltigsten Bischofsgestalten der ganzen trierischen Geschichte. Mit kraftvoller Hand begann er, sein Bistum wieder aufzubauen. Vierzig Jahre lang wirkte er als der gute Hirt der Seinen, und als er am 4. Dezember 1921 starb, stand das religiöse und kirchliche Leben der Diözese wieder in hoher Blüte.
2. Neue Prüfungen, neue Bewährung
Eine neue Glaubensprüfung begann aber, als im Jahre 1933 der Nationalsozialismus zur Macht gelangte und seinen Kampf gegen die christliche Religion, vor allem gegen die Katholische Kirche, eröffnete. Wie überall im Reiche, wurde auch im Bistum Trier dieser Kampf immer gehässiger geführt. Die Predigten wurden überwacht. Die Geistlichen durften die Volksschulen nicht mehr betreten, um Unterricht zu erteilen. Die katholischen Vereine wurden aufgelöst. Die Zeitungen durften nicht mehr für die Rechte der Katholiken eintreten. Katholische Zeitschriften wurden verboten, unter ihnen auch das Trierer Bistumsblatt. In öffentlichen Gerichtsverhandlungen suchten die Machthaber die Achtung des Volkes vor dem Priesterstande zu zerstören. Die Jugend wurde in unchristlichem Geiste geschult. Viele aufrechte Katholiken, Priester und Laien, wurden in Konzentrationslager gebracht, wo sie schwere Leiden und Mißhandlungen erdulden mußten. Trotz alledem blieben die meisten Katholiken unseres Bistums ihrem Glauben und der Kirche treu. Die Priester bildeten eine feste Abwehrfront, an ihrer Spitze Bischof Franz Rudolf Bornewasser, der würdige Nachfolger des Bischofs Korum. Furchtlos trat er in seinen Hirtenbriefen, auf der Domkanzel, auf seinen Firmungsreisen, in Gerichtsverhandlungen und bei anderen Gelegenheiten den Machthabern entgegen und verteidigte die Rechte der Kirche.

(94 (Schluss)) Unsere Bischofsstadt hütet  das Grab  des heiligen Matthias, des Apostels, der an die Stelle des Verräters Judas getreten ist. Er sollte da treu sein, wo der andere untreu geworden war. Und er hat auch Christus die Treue bis zum Tode gewahrt. Sein Grab mahnt daher alle katholischen Christen unseres Bistums: Bleibt Christus und seiner Kirche treu, wenn auch andere untreu werden!



Damit wurden wir heute mit jeweils zwei Vertretern von zwei Geistesrichtungen konfrontiert: Auf der einen Seite Gerichtsvollzieher und Polizei, die uns zur Verleugnung des Glaubens zwingen, auf der anderen Seite die hl. Messe und die Kirchengeschichte, die uns zur Treue im Glauben ermahnen. Wie sollen wir uns also entscheiden? Für die Lüge oder für die Wahrheit? Für die Zeit oder für die Ewigkeit? Für die Welt oder für Gott?
 

Alfons Wachsmann

Bereits vor einigen Tagen gelangten wir antiquarisch an das Büchlein von Konrad Hofmann, Reinhold Schneider, Erik Wolf (Hgg.), Sieger in Fesseln. Christuszeugnisse aus Lagern und Gefängnissen: Das christliche Deutschland 1933-1945. Gemeinschaftliche Reihe: Heft 1, Freiburg-Tübingen 1947. Darin enthalten sind Zeugnisse aus beiden Konfessionen, von der katholischen z.B. die bei KzM bereits erwähnten Karl Leisner und Max Josef Metzger, von der evangelischen z.B. Dietrich Bonhoeffer. Bei der Auswahl für KzM dachten wir zunächst an das Kapitel über Nanda Herbermann, Schriftstellerin, zeitweise Sekretärin des Jesuitenpaters Friedrich Muckermann und Schriftführerin des "Gral", aber auch wenn sie tatsächlich heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist, kann man bei intensiver Suche noch immer einiges über sie finden. Z.B. ist eine Straße in Münster nach ihr benannt. Die Veröffentlichung des Kapitels von Herbermann bleibt als Überlegung bestehen.
Alfons Wachsmann hingegen scheint so ziemlich restlos in Vergessenheit geraten zu sein, ähnlich wie auch z.B. Heinrich Feurstein, über den es ebenfalls ein sehr interessantes Kapitel gibt. Vielleicht liest man irgendwo mal Wachsmanns Namen, wenn er als Opfer der Nazis genannt wird, aber sein Bekanntheitsgrad dürfte heute wohl sehr gering sein. Das Buch "Sieger in Fesseln" findet man zudem, wenn überhaupt, nur noch antiquarisch, und die uns vorliegende Ausgabe hat bereits die besten Zeiten hinter sich. Lieber überschwemmt man den Markt wieder mit einer neuen Hochglanz-Ausgabe vom "Tagebuch der Anne Frank", als dass man die Welt über die Wahrheit informiert. Und Deutschland sucht heute sowieso lieber den Superstar als die Wahrheit. Anders gesagt: Deutschland hat sich damals geweigert, auf die katholische Kirche zu hören, und damit äußerst schwere Schuld auf sich geladen, und heute wiederholt es die Fehler von damals nicht nur, sondern steigert sie noch. Man denke nur an das Völkermordinstitut "Landgericht Bonn" - wer diesen Abschaum billigt, sollte sich nicht brüsten, er würde den Nationalsozialismus ablehnen. Die Ideologie ist letztlich identisch.

Der Grund, warum wir besonders die Kapitel über Herbermann resp. Wachsmann für eine KzM-Veröffentlichung in Erwägung gezogen haben, war auch ganz bewusst die Perspektive der leidenden Frau. Herbermann war vom Nazi-Terror direkt betroffen und schreibt nach Kriegsende über ihre Erinnerungen an das KZ Ravensbrück (Mecklenburg), wo überwiegend "Berufsverbrecher, Asoziale und Dirnen" interniert waren. Wachsmann schrieb diese Briefe im Gefängnis an seine geliebte Schwester (s. die Kapitel-Einleitung aus "Sieger in Fesseln", die wir mitveröffentlichen). Zu den letzten Sätzen in Wachsmanns Leben gehört: "Verzeihung, daß ich Dir in den letzten acht Monaten soviel Herzweh verursacht habe." Das ist wohl kaum eine bloße Floskel. Die Briefe zeugen von einer echten geschwisterlichen Liebe, so dass die Schwester trotz eigener Freiheit doch zutiefst, "mit blutendem Herzen", unter dem Unrecht gelitten hat, das die Staatsgewalt ihrem Bruder angetan hat - "im Namen des Volkes". Die aufmunternden Worte an die Schwester, sie solle auf Gott vertrauen, gewinnen für alle diejenigen eine ganz besondere Bedeutung, die - selbst Opfer staatlichen Verbrechertums - um die christliche Gesinnung von Verwandten wissen. Manche Menschen scheinen regelrecht daran zu zerbrechen, wenn sie das Leid geliebter Menschen sehen, das "im Namen des Volkes" einem offenkundig Unschuldigen aus purer Bosheit angetan wird. Wenn dann das Opfer schreibt: "Ich lege Dich hinein in das Herz Christi. Gott wird für Dich sorgen. Sei nicht mutlos! Vertrau auf Gott! Er hat mich nicht verlassen", sollte der Trost umso größer sein. Schwingen wir uns also auf zu einer heroischen Bereitschaft, in Christus und für Christus alles zu ertragen. Bleiben wir also Christus und seiner Kirche treu, wenn auch andere untreu werden. Lassen wir uns niemals durch verbrecherische Worte und Taten entmutigen, selbst dann nicht, wenn sie "im Namen des Volkes" gesprochen und vollbracht werden. Das letzte Gericht liegt nicht in der Hand von Menschen, sondern in Gottes Hand. "Immer stehe ich vor Gott."



Alfons Wachsmann

[(Vorwort des Hg. von "Sieger in Fesseln) Fünfzehn Jahre lang war Dr. phil. Alfons Wachsmann, aus Berlin gebürtig, als Pfarrer und Studentenseelsorger in Greifswald tätig. Durch seine Diaspora-Vorträge hatte er sich auch in vielen süd- und westdeutschen Priesterseminarien rühmlich bekannt gemacht. Unter der Beschuldigung, er habe die Höhe der Versenkungen durch die deutschen U-Boote angezweifelt, nicht an den Führer und an den Sieg geglaubt, sich defaitistisch geäußert und Wehrkraftzersetzung geübt, wurde er am 23. Juni 1943 von der Gestapo verhaftet, in das Untersuchungsgefängnis von Stettin eingeliefert, mit den anderen Sträflingen wegen Fliegergefahr am 6. August in das Zuchthaus von Gollnow (Pommern) verbracht. Für die Termine verwahrte man ihn im Gefängnis Moabit, dann in Tegel. In seine Zelle eingeriegelt, durchlebte er hier wie dort bei den schweren Luftangriffen furchtbare Stunden. Am 5. November und 4. Dezember 1943 fand die Verhandlung vor dem Volksgerichtshof in Berlin statt. Am 5. Januar 1944 wurde er nach Brandenburg-Garden, zur Stätte der Todgeweihten, transportiert und hier am 21. Februar enthauptet.
Pfarrer Dr. Wachsmann hat aus seinen Gefängnissen eine Reihe Briefe geschrieben an seine leibliche Schwester Maria, die bisher mit ihm das Leben geteilt hatte. Zweierlei bricht aus den Briefen, die wir hier auszugsweise wiedergeben, in hellem Glanze hervor. Das eine ist das wahrhaft herzinnige Verhältnis geschwisterlicher Liebe, zum ändern kämpft sich darin ein seelisch schwer getroffener Rufer nach Rettung unter der Glut des Leidens aus dem Dunkel anfänglicher Depression durch zum heißen Dank für die Gnade solcher Prüfung und zum befreiten Gegenüber mit Gott. Die letzte, irdisch düsterste Strecke eines priesterlichen Lebens schwingt sich aus der notvollen Unruhe der Leidensungeübtheit, Hilfsbedürftigkeit und Verlassenheit zur Sonnenhöhe christlicher Ergebung und Vollendung hinauf.]

„IMMER STEHE ICH VOR GOTT"

Stettin, 20. Juli 1943
Hab herzlichen Dank für die schnelle Zustellung der Schlafpillen! Dein Brief hat mir sehr wohlgetan. Ich weiß, daß hinter Deinen tapferen Zeilen ein blutendes Herz zuckt. Aber ich weiß auch, daß Du mir nicht gram bist, der ich ja schuld bin an Deinem großen Weh. So wie Du schreibst: wir wollen es tapfer tragen in der festen Hoffnung, daß nach dieser Zeit der Buße und Prüfung Tage stillen Glückes und geschwisterlichen Zusammenseins kommen werden. Du weißt, meine große Liebe gehört meinem schönen Beruf. Du weißt aber auch, sonst gehört alle Liebe meines Herzens nur Dir. Ich habe immer gewußt, was ich an Dir habe in Deiner beispiellosen Selbstlosigkeit. Aber durch die schmerzliche und leidvolle Trennung kommt mir erst ganz Deine große stille Liebe zum Bewußtsein. Werde nicht bitter! Bewahre Dir und mir Deine Güte und Liebe! Ich werde sie sehr brauchen. Meine Tage fließen einsam dahin, einer wie der andere. Wenn nur recht bald der tägliche Gang in der frischen Luft erlaubt würde! Ich freue midi schon sehr auf Dein Kommen am Dienstag. ...

Stettin, 1. August 1943
... Zelle 66, die ich allein bewohne, ist doppelt so groß wie die im Polizei-Gefängnis. Das Bett ist tadellos sauber und sehr ordentlich. Wenn ich an die Wanzen denke, die mir 5 Wochen lang keine Nacht Ruhe ließen, dann bin ich von Herzen froh, daß ich ohne Tabletten schlafen kann. Das Essen ist schmackhaft, wenn auch fettarm und ein wenig knapp. Ich darf noch in Zivil gehen und meine Wäsche tragen.... Als Arbeit muß ich alte Uniformen in Lumpen reißen und sortieren. Wenn die Arbeit nicht so schrecklich stauben würde, wäre sie erträglich. ... Morgen, an meinem Namenstag, werde ich in Gedanken nur bei Dir sein. Ich weiß, daß Deine Gedanken hier sind, und daß Deine besten Wünsche nur mir gelten. Auch wenn ich morgen keine Post erhalten sollte, sind wir so sehr vereint, wie nie zuvor. Not und Leid bindet ja unsere Herzen so fest. Ich bin so froh, daß Du so tapfer bist und mir dadurch hilfst, das Schwere zu tragen. Wenn ich doch recht bald alles Gute Dir vergelten könnte! .. . Den Rosenkranz von Guardini bete ich täglich und vom richtigen auch noch. Noch nie habe ich solche Einkehr gehalten. Wenn nur der Herrgott mir gnädig ist und unsere heißen Gebete erhören wollte! Alles, was in mir hohl und lau war, soll von mir fallen. Ich will zu meinem ersten Eifer zurückkehren. Ich habe wohl nie in meinem Leben so sehr die Kraft und Gnade, aber auch die Konzentration des Gebetes erfahren, wie in diesen Wochen. Trotzdem kommen Stunden tiefer Depression, die so ganz allein durchlitten werden müssen. ... Nun, liebe Maria, wie geht es Dir? Ich weiß, daß Du viel tapferer bist als ich. Deswegen gehört Dir nicht nur meine brüderliche Liebe, sondern auch meine große Verehrung. Gräme Dich nicht, sorge für Deine Gesundheit, spare alle Liebe und Güte für den Gnadentag, wenn Gott uns wieder vereint!

Gollnow, 15. August 1943
... Ich empfinde diese grenzenlose Einsamkeit sehr schmerzlich. Ich darf nur einmal im Monat Dir schreiben, aber Ihr dürft doch öfter schreiben. Wie geht es Dir, innigstgeliebte Schwester? Ich bin so viel bei Dir und möchte Dir so gern helfen und kann doch nichts tun in meiner großen Not. Wegen meiner Gesundheit kannst Du unbesorgt sein. Ich esse alles und soviel ich nur bekommen kann. Das Seelische ist viel schwerer zu ertragen als das Körperliche. Wir müssen jetzt auch in Gefangenenkleidung gehen. Von Berlin habe ich auf meinen Brief auch keine Zeile erhalten. Was bin ich für andere in Not gelaufen! Es bleibt wirklich nur noch Gott und das Gebet. So ist mein ganzer Tag ausgefüllt mit Brevier, Rosenkranz und sehr schweren Stoßgebeten und stillem Denken an Dich. Bis zum Termin muß man mit 10 bis 12 Wochen rechnen. ...
Nun, liebste Maria, tröste mich mit Deiner Liebe, Deinem Gebet, Besuch und Brief! Täglich kommt mir immer mehr zum Bewußtsein, wie ungeübt im Leiden ich bin und wie groß Du vor mir stehst. Denke nicht, ich lasse mich gehen! Aber glaube es: diese 50 Tage sind eine harte Schule und dann erst der Anfang.

Stettin, 19. September 1943
... Gesundheitlich geht es mir gut. Seelisch bin ich oft deprimiert. Der Tag ist ausgefüllt mit heißen Bittgebeten und „es geschehe Dein Wille!" Es wechseln Hoffnung und Ängste. Ich bin vollkommen isoliert. Deine Zeilen und Schwester Amatas sind das einzige, was ich höre. ... Seit August keine heilige Messe, kein Sakrament, kein Priester! Was mir den meisten Trost bringt, ist, wenn Deine große Liebe im Brief zu mir kommt. Wie lange noch? Ach, liebste Maria, wenn ich Dir doch sagen könnte, wie lieb ich Dich habe und wie ich in Zukunft außer im heiligen Beruf nur für Dich und nur mit Dir leben möchte! Ich bin so froh, daß die Exerzitien Dich stark und froh gemacht haben. Mich trägt nur noch das Gebet, besonders der Rosenkranz. ...

Stettin, 17. Oktober 1943
... In letzter Zeit bin ich viel ruhiger geworden. Ich habe mein Schicksal ganz und restlos in Gottes Hand gelegt. Zwar hatte ich das von Anfang an getan, aber erst in der Schule des Kreuzes gewann ich die Gnade, es nicht nur mit einem betenden Wort, sondern mit dem vollen Einsatz der persönlichen Existenz zu tun. Mein ganzer Tag ist Gebet: Rosenkränze, Kreuzweg, Litanei. Dann lese ich Heilige Schrift. Mark. 11, 24 ["Um was immer ihr im Gebete bittet, glaubt nur, daß ihr es schon besitzet; dann wird es eucb zuteil werden."]) ist für mich die Quelle unerschütterlichen Vertrauens. Wie Gott helfen wird, weiß ich nicht, aber daß er mir hilft, glaube ich fest. Lies Hebr. 11,1 ["Der Glaube ist die Grundlage von dem, was man erhofft, ein Überzeugtsein Ton Dingen, die man nicht sieht."! Meine Devise ist Rom. 12,12 [Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Trübsal, beharrlich im Gebet!"]. Ich weiß mich geborgen in Gottes Güte; aber deswegen bleibt mir manche trübe Stunde nicht erspart. Apok. 3,19 ["Ich strafe und züchtige alle, die ich liebe. So sei denn eifrig und ändere deinen Sinn!"] und 2,10 ["Hab' keine Furcht vor dem. was du noch leiden mußt! Sieh, der Teufel wird manche unter euch ins Gefängnis bringen, daß ihr geprüft werdet: ihr werdet Trübsal haben zehn Tage lang. Doch sei getreu bis in den Tod, dann will ich dir den Kranz des Lebens geben."], Rom. 8, 35 ["Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal, Bedrängnis und Verfolgung, Hunger oder Blöße oder Todesgefahr oder Schwert?"] und 2. Kor. 7,10 [Bewirkt doch die gottgefällige Betrübnis Reue, die heilsam ist und darum nicht bereut wird; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod."]. Wie oft habe ich all diese Schriftworte gelesen, und jetzt erst in der Dunkelheit des eigenen Lebens leuchten sie wie Sterne. ... Wenn Gott in seiner Barmherzigkeit mich wieder an den Altar treten läßt, dann hoffe ich, es zu tun als Priester, der vom Ölberg kommt und vom Mysterium der Sünde, aber auch vom Geheimnis der Erlösung und Gnade wissend geworden ist. Nur in der Schule des Kreuzes, erfahren im selbst durchlittenen Leid und nur in der Übung heißen Gebetes wird die Erkenntnis Christi gewonnen, die kein Studium erschließt. Heute bin ich so weit, Gott aufrichtig und heiß zu danken für die Gnade dieser Leidenszeit, wenngleich ich bitte, daß sie abgekürzt wird. Seit Ende Juli kein Sakrament mehr! Gott tröstet oft so wunderbar und gerade dann, wenn man es gar nicht erwartet. Die Nachfolge Christi lateinisch hätte ich sehr gern ...

Berlin-Tegel, 1. Dezember 1943
Was ich in der letzten Woche durchlebte, läßt sich kaum in Worte fassen. Die Angriffe waren so nah und schlimm, daß ich in jeder der ersten Nächte glaubte, Dich nicht wiederzusehen. Seit 22. November ist keine Scheibe in meiner Zelle mehr ganz. Gottlob habe ich den warmen Mantel hier. Eine Garnitur Wäsche ist verbrannt. Glassplitter im Gesicht, aber nichts passiert. Donnerstag nach Tegel übergesiedelt. Donnerstag auf Freitag der furchtbare Angriff auf Tegel. Wieder Scheiben zertrümmert. Die Zellen bleiben verschlossen. Im Gottvertrauen habe ich die Ruhe des Herzens bewahrt und die Kraft des Geistes aktiviert. Was mich mit großer Sorge erfüllt: Lebst Du? Bist Du gleich Montag nach Hause gefahren? Der Verteidiger war immer noch nicht bei mir. So sitze ich in einer qualvollen Ungewißheit. Aber ich habe das Vertrauen, daß Gott, der mich so wunderbar behütet hat, Euch alle in seiner Hand hält. Ich bete ja stündlich für Euch. Während des Angriffes habe ich meine heißesten Gebete für Euch verrichtet. Jeden Abend die Frage: Werden sie heute nacht kommen? Trotz der vermehrten Gefahren bin ich noch ruhiger geworden ... Jetzt lese ich in der lateinischen Nachfolge und in Guardini, Der Herr. Ich habe sehr viel Gelegenheit, mich auf Weihnachten gut vorzubereiten: Hunger, Kälte, tägliche Todesgefahr. Ich hoffe zuversichtlich, daß Gott uns barmherzig sein wird. Ich hoffe, daß ich Dich recht bald sehen und sprechen kann. Sonntag war ich der ununterbrochene Anbeter beim ewigen Gebet in Greifswald. Wie mag die Beteiligung gewesen sein? Besonders bete ich für die Kinder. Was mag uns noch alles bevorstehen? Manchmal meine ich, ich könnte nicht mehr, — und dann muß ich doch weiter. Ich umarme Dich und danke Dir aus tiefstem Herzen für Deine Liebe und Treue, trage Dich als den einzig geliebten Menschen in meinem Herzen.

Berlin-Tegel, 23. Dezember 1943
.. . Ich bin in großer Sorge, wie Du den heiligen Abend verleben wirst. 1897 verloren wir Weihnachten den Vater, vor zwei Jahren rief Gott gerade zu Weihnachten unsere geliebte Mutter heim. In diesem Jahre ist Dir der Bruder genommen, der auf Erden unter allen Menschen nur Dich geliebt hat und jetzt hochverehrt. Bei mir ist der Rahmen des Festes klar umgrenzt: die Kerkerzelle. So arm wie in diesem Jahr habe ich noch nie an der Krippe gekniet. Mir ist alles abgesprochen: mein Heim, meine Ehre, mein Leben. So will ich an der Krippe dessen knien, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, der als Freund seines Volkes zum Tode verurteilt wurde, der sein Blut als Trankopfer ausgoß für das Heil seines Volkes und der ganzen Welt.
Als Gabe trage ich zur Krippe: Hunger und Kälte, Einsamkeit und Verlassenheit. Mein einziger Schmuck sind die blanken Fesseln. So will ich mein Leben, das im Dienste des Weihnachtskönigs stand, ihm geben, der mich mit seinem kostbaren Blut erlöst hat. Mit reichen Tränen der Reue will ich abwaschen, was Schuld und Sünde in mir geworden ist. In solcher Gesinnung pilgere ich zur Krippe. Ich hoffe, mit der Gnade Weihnachten so tief im Herzen und im Geist zu feiern, wie nie zuvor im Leben. Kein Geschenk und kein Festbissen wird mich ablenken, keine Kerze wird leuchten, keine Tanne duften; nicht einmal die heilige Messe ist mir vergönnt. Aber das Jesuskind in der Eucharistie wird als herrliche Weihnachtswirklichkeit mich mit dem ewigen Licht durchleuchten, mit der Wärme erbarmender Liebe erfüllen. Ich werde das Brevier beten, so langsam und innig, daß ich die Süßigkeit jedes Wortes schmecke; das primo tempore werde ich leise singen. Viel werde ich Rosenkranz beten und in der Heiligen Schrift lesen. So hoffe ich, wird Christi Friede mein Anteil und seine Gnade meine Herrlichkeit sein. Ich bin ohne jede Bitterkeit, ich trage alles mit der Geduld, die nur Christus gibt. Ich hoffe, daß mein Gebet und das Gebet so vieler erhört wird; daß ich wieder einmal das Gloria anstimmen darf am Altar. Dir wünsche ich die Gnade Christi, damit Du stark und in Liebe mit mir die Myrrhe trinkst, die uns Gottes Liebe in diesem Jahr kredenzt. Wisse, daß ich immer bei Dir bin, und daß ich Gott wohl stündlich anflehe,, er möge Dein reicher Vergelter sein für alles, was Du in Treue und Liebe für mich getan und getragen hast. Du bist der einzige Mensch, der in keiner Sekunde versagt hat. Liebste Maria, grüße Oberin und alle Schwestern recht herzlich von mir. Wenn Du willst, lies ihnen als Weihnachtswunsch diesen Brief vor. Also reichen Segen für Dein Herz! Um unsere Herzen schlingt sich der Dornenkranz des Leids unlöslich.

Brandenburg-Garden, 6. Januar 1944
.. .Wir hatten in letzter Zeit fast jede Nacht Alarm. Hier sind, Gott sei Dank, die Fenster ganz, so daß es warm ist. Ich hatte heute recht große Freude am Brevier. Illuminare, Jerusalem! (Werde Licht, Jerusalem!). Dann werde ich jetzt täglich aus dem Brevier hinten die Commendatio animae beten .. . Es soll mir eine tägliche Einübung zum Sterben sein. Dann lese ich viel das Neue Testament, jetzt den Hebräerbrief. Er ist wundervoll. Jetzt habe ich den ersten Johannesbrief griechisch gelesen. Herr Pfarrer wird mir oft die heilige Kommunion bringen. So lebe ich ganz im Geistigen und Pneumatischen. Mein treuester Begleiter ist der Rosenkranz. Mutter bekommt täglich einen, und für Dich bete ich ohne Unterlaß. Ich kann Dir immer wieder versichern, wie sehr lieb ich Dich habe. Das schwerste Opfer ist mir, daß ich Deine Nähe entbehren muß. Jetzt warte ich jeden Tag, daß Du kommst! — Als ich an den Hochaltar meißeln ließ „Et iterum venturus est", ahnte ich nicht, daß ich einmal jeden Tag nach der Tür schauen würde, ob der Herr schon kommt. So wie ich jetzt täglich auf die Parusie Christi warte, müßte es eigentlich jeder Christ tun. Ich wache und bete, um die Einladung Christi „Ecce sponsus venit" zu hören. Trotz der Herrlichkeit des ewigen Lebens (Geh. Offb.), die an den transparenten Horizonten wetterleuchtet, wird das Ausziehen des alten Kleides, wird das Abschiednehmen von der Erde" schwer. Ich bin ein Mensch! So hoffe ich und bete, daß Gottes Gnade mich wieder an den Altar führt, wenn es dem Willen Gottes so gefällt. Grüße alle, die für mich beten. Sage jedem, daß es nur e i n Unglück gibt, die Sünde. Grüße besonders Oberin, alle Schwestern, die Kinder, die Armen, die Kranken und die Kummer und Leid tragen! Komme bald und bringe gute Nachricht!

Brandenburg-Garden, 29. Januar 1944
Am 27. Januar waren es 15 Jahre, daß ich in Greifswald bin. Ich habe diesen Tag still im Herzen gefeiert. Da ist mir so recht klar geworden, wie sehr ich die Pfarrei liebe. Ich habe Gewissenserforschung gehalten. Gewiß, ich habe Fehler begangen und Unterlassungen; aber ich muß doch dankbar sein für all das Gute, das Gott durch mich zu wirken sich würdigte. Ich habe viel und für.jede Familie gebetet. Dies tue ich jeden Tag. Ich flehe zu Gott, daß er die Kinder segne und daß keines verloren gehe, für die Armen, daß sie ihren Reichtum in Christus erkennen, für die Reichen, daß sie Schätze im Himmel sammeln, für die Studierenden, daß sie wachsen in der Erkenntnis, für die Professoren, daß sie die alles übersteigende Erkenntnis Christi schätzen ... Ich studiere jetzt Augustins Gottesstaat und Tertullian. Ich lebe strenger und schweigsamer als ein Kartäuser. Das Neue Testament lese ich griechisch mit viel Freude. Gestern Joh. 10: Der gute Hirte. und heute Joh. 11: Lazarus. „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er schon gestorben ist." Wie oft habe ich diese großen heiligen Texte gelesen und meditiert! Und doch, welch ewiges Leuchten, welch göttlicher Glanz blitzt auf, wenn ich sie lese als einer, der am Rande der Welt steht und in der Sterbekerze Christus, das Licht der Welt erkennt. Jetzt ist mein ganzer Tag Gebet. Ob ich lese oder sinne, ob ich meine Sünden beweine oder für die Barmherzigkeit danke, immer stehe ich vor Gott. Wenn meine Stunde kommt, hoffe ich, daß Christus mich hinüberreißt zum Vater. Wenn Gott unser heißes Gebet erhört, daß ich wieder am Altare stehen darf, dann will ich die Barmherzigkeit preisen in Ewigkeit. Ich möchte in diesem Fall irgendwo ganz still opfern, beten und wirken.
Nun, liebe Minka, muß ich Dir sagen, daß ich ohne Unterlaß für Dich bete und Gott den überströmenden Dank meines Herzens sage, daß er Dich mir geschenkt hat. Ich habe Dir im Leben nicht viel Zärtlichkeit gesagt und getan, aber ich habe Dich geliebt und war und bin stolz auf meine fromme und so gute Schwester. Ach könnte ich Dir doch noch einmal würdig danken! Jetzt bleibt mir nur die tägliche Begegnung vor Gott. Sei so lieb und sage ein Wort des Dankes allen, die ein gutes Wort an mich oder für mich geschrieben oder gesagt haben ...

Brandenburg-Garden, 11. Februar 1944
Wenn Du diese Zeilen erhältst, sind wir schon in der Fastenzeit. Sie in diesem Jahre zu gestalten, ist durch die Situation gegeben. Ich faste ja schon über 8 Monate,habe also Übung darin. Ich will daher dieses Fasten heiligen besonders im Gebet. Manchmal möchte ich müde werden, wie einer, der nicht mehr kann. Dann hilft Gott mit seiner Gnade. Als besondere Buße will ich in Geduld die Fesseln tragen, die ich schon über 70 Tage trage, die mich furchtbar quälen und schmerzen. Was ich mit den Händen gesündigt habe! Um mich zu trösten und zu stärken, denke ich oft daran, wie Christus Fesseln trug, wie Petrus und Paulus in Fesseln lagen. Im März ist es der neunte Herz-Jesu-Freitag. Ich weiß, daß Du alles mit mir leidest, aber bitte, faste Du nicht! Sorge, daß Du gesund bleibst! Wir wollen zusammen beten, daß Gott uns barmherzig sei. An die Einsamkeit habe ich mich gewöhnt und fange an, sie zu lieben. Ich entdecke langsam Talent zum Mönch. Als Trost und Spruch der Woche merke Dir von Bloy: „Es gibt nur eine Traurigkeit, diejenige, kein Heiliger zu sein." Für Deinen letzten Besuch bin ich Dir sehr dankbar. Es ist der Lichtpunkt; die gezählten Minuten Deines Hierseins sind die Kraftreserven für die nächsten Wochen. Nun hoffe ich wieder, bis Du hier bist. Im Herzen werde ich noch ruhiger. Mein Leben liegt in Gottes Hand. Meine Existenz ist geborgen in der Gnade dessen, der am Kreuze hingerichtet worden ist. Die Form meines Lebens: zu hoffen auf die Barmherzigkeit und Treue Gottes. Die Passion ist die Weise, wie der Mensch von der geistigen Einsicht zur Realisierung Christi gnadenvoll geführt wird. Ein schmerzlicher, aber doch süßer Weg! Am schwersten wird mir die Geduld. 0, was kann ich noch ungeduldig beten! All meine Sorgen, Schmerzen und Gebete opfere ich für die Gemeinde auf. Ich bete täglich, fast möchte ich sagen, für jeden einzelnen. Am meisten und inbrünstigsten für Dich. 0, daß wir doch wieder nebeneinander knien dürften! Sehr gefreut habe ich mich über die Zeilen aus Göttingen. Schreibe ihnen doch, mir seien vor Freude über die tiefe Religiosität die Tränen gekommen. Ich denke ihrer in besonders dringlicher Weise. ... Dir selbst die herzlichsten Grüße und den gestammelten Dank von Deinem Bruder, dem nichts mehr gehört, nicht einmal das Leben. Auf baldiges Wiedersehen! Schreibe bald!

Brandenburg-Görden, 21. Februar 1944
Liebe Minka!
Ich sterbe um 3 Uhr.
Nun ist die Stunde gekommen, die Gott in ewiger Liebe für mich bestimmt hat. Der gute Scholz hat mir meine Beichte gehört und die Wegzehrung gereicht. In einer Stunde gehe ich hinüber in die Herrlichkeit des lebendigen Gottes. Ich habe mich ganz und restlos und ohne jeden Vorbehalt Gott ergeben. In Seiner Hand bin ich geborgen. In Seinem heiligen Herzen wird mich Christus hinüberreißen zum Vater. Maria wird mich beschützen und St. Josef mich begleiten. Nun muß ich noch Abschied nehmen von Dir. Hab herzlichen Dank für alles, alles, was Du im Leben mir Gutes getan hast! Sei gesegnet für die Liebe, die Du mir geschenkt, für die Nachsicht und Geduld, die Du mit mir gehabt. Besonders herzlich bitte ich Dich um Verzeihung, daß ich Dir in den letzten acht Monaten soviel Herzweh verursacht habe. Ich lege Dich hinein in das Herz Christi. Gott wird für Dich sorgen. Sei nicht mutlos! Vertrau auf Gott! Er hat mich nicht verlassen. Die acht Monate meiner Vorbereitung auf die Ewigkeit waren schwer, aber doch sehr schön. Nun muß ich durch die enge Pforte der Guillotine heimgehen. Ich bin überzeugt, daß Vater und Mutter auf mich warten. Grüße ... alle, alle!
Ahnungslos, daß ich heute sterben muß, las ich von Reinhold Schneider die drei ersten Erzählungen aus „Dunkle Nacht".
Liebe Maria! Es segne Dich der Allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!
Auf Wiedersehen im Himmel!
Alfons.
An A. wollte ich noch schreiben, aber es ist keine Zeit mehr. Ich habe oft für sie gebetet. Wenn ich bei Gott bin, will ich viel für die Greifswalder beten.



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