Toleranz und Intoleranz

- Aus dem Buch von Fr. H. Grors SJ, "Modernes A-B-C -
(Kirche zum Mitreden, 16.09.2002)
jede religion ist gift bei G.
"Gegenüber der Intoleranz darf es keine Toleranz geben" (Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), 09.09.2002; Quelle: kath.net, 15. 09. 2002    14:25 Uhr).

Dieser im ersten Moment nur restlos blödsinnig wirkende Spruch von Schily ist im Grunde nur eine weitere Willenserklärung des Staates, die katholische Kirche restlos zu vernichten. Nach den Ausführungen von Karl Adam über die dogmatische Toleranz bieten wir als weitere Orientierungshilfe hier nun drei Artikel aus Fr. H. Grors SJ, "Modernes A-B-C für das katholische Volk. Kurze Antworten auf die zahlreichen Angriffe gegen die katholische Kirche", Kevelaer (3 ("Neueste Auflage"))1914, Nrr. 82 (Ss. 320-322) / 135 (Ss. 502-505) / 157 (Ss. 375-377); dieses Büchlein wird auch bei den Literaturempfehlungen und in den Leserbriefen 04.05.2002 genannt.

Schily, früher Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen, ist vielleicht der prominenteste, jedenfalls wahrscheinlich der offenste Propagandist für die totalitäre Diktatur im uneingeschränkten Überwachungsstaat (u.a. wegen seines "Sicherheitspakets", dem so gen. "Otto-Katalog", s. Islamistischer und sonstiger Terror). Die Illusion, dass die rettungslose Überwachung ja nur der "Verbrechensbekämpfung" dient, kann von niemandem mehr ernsthaft geglaubt, geschweige denn behauptet werden, dafür ist der Begriff "Verbrechen" definitiv zu sehr korrumpiert.
1. Es gibt Verbrechen, die nicht nur für "rechtmäßig" erklärt wurden, sondern die ordnungsgemäß als Verbrechen zu bezeichnen zum Verbrechen erklärt wurde (z.B. die Abtreibung).
2. Es gibt rechtschaffene Handlungen, die nicht nur für "nicht rechtmäßig" erklärt wurden, sondern die die ordnungsgemäß als keine Verbrechen zu bezeichnen zum Verbrechen erklärt wurde (z.B. das Bekenntnis zur katholischen Kirche).
Mithilfe der totalitären Überwachung in einer technischen Perfektion, von der Adolf Hitler nur träumen konnte, ist der Staat heute problemlos in der Lage, Katholiken aufzuspüren und auszurotten, halt "Verbrechensbekämpfung" in seinem Sinne zu betreiben. Dass der "Otto-Katalog" anscheinend rein gar nichts hilft zur Eindämmung von echten Verbrechen, ist nur ein nettes Detail am Rande.
Eine besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass die staatliche Überwachung auch vor dem Bußsakrament nicht halt macht. Man komme hier nicht mit irgendwelchen lächerlichen Behauptungen, der Staat habe ja auf die Überwachung von "Seelsorgern" verzichtet, er habe eine solche Überwachung gar "verboten". 1. Ausnahmeregelungen spendiert sich der Staat ohne Skrupel überall da, wo es "die innere Sicherheit" verlangt. 2. Wer "Seelsorger" ist, wird einzig und allein vom Staat bestimmt. So ist der Staat in der Lage, katholische Priester zu Laien zu degradieren und Laien zu katholischen Priestern zu machen - behauptet er jedenfalls! Darauf stützen sich z.B. auch die Aktivitäten der Satansdiener "Strömer Rechtsanwälte", die skrupellos einen katholischen Priester zur "Privatperson" erklären, wofür sich sich auf ein "Urteil" berufen zu können behaupten, das sie vorher für "rechtskräftig" erklärt haben!
Also: Wer sich einem katholischen Priester anvertraut, auch im Bußsakrament, der muss damit rechnen, vom Staat abgehört zu werden. Selbst vor den absolut unverzichtbaren Persönlichkeitsrechten hat der Staat nicht mehr den allergeringsten Respekt. Zu bedenken ist dabei folgendes:


Der Beichtverrat ist eine Äußerung, die ein dem Beichtsiegel unterliegendes Wissen so an andere kundgibt, daß dabei die Person des Beichtkindes namentlich genannt wird (unmittelbarer Verrat) oder aus der Äußerung oder den begleitenden Umständen erschlossen werden kann (mittelbarer Verrat). ... Ein Beichtvater, der wissentlich unmittelbaren Beichtverrat begeht, verfällt ohne weiteres dem Kirchenbann, dessen Lossprechung dem Heiligen Stuhl vorbehalten ist ... Wenn andere Personen (z.B. Umstehen, Dolmetscher), die auf irgendeine Weise Kenntnis von dem Inhalt einer Beichte erlangt haben, mutwillig das Beichtkind unmittelbar oder mittelbar verraten, sind sie je nach Schwere der Schuld mit einer heilsamen Strafe, unter Umständen auch mit dem Kirchenbann zu belegen (E. Eichmann, K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Bd. 3: Prozeß- und Strafrecht, Paderborn (8)1954, 458f).

Dabei hilft es nicht, wenn der Staat einen katholischen Priester zur Privatperson und damit auch das Abhören einer Beichte (die eben nicht mehr als seelsorgliche Handlung anerkannt wird) für legitim erklärt hat, selbst dann nicht, wenn er dabei die Unterstützung der V2-Sekte erfährt.
Wir erinnern hier an die Ideologie Hitlers: "Jede Tat ist sinnvoll, selbst das Verbrechen." Empfohlene Alternative: "Ist es etwa so, wie man uns böswillig nachredet und wie einige uns in den Mund legen: 'Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus entspringt'? Solche erwartet die gerechte Strafe" (Röm 3,8). Im selben Text über Hitler wird auch das Credo des Münchner Kommunalpolitikers Bernhard Hartard (SPD) zitiert: "Jede Religion ist Gift für die freiheitliche Demokratie. Alle Religionen neigen zur Intoleranz."

Lustigerweise hat Schily seinen Propagandavers bei einem Vortrag im Rahmen des Symposiums "Religion - Kirche - Islam" des "Instituts für interdisziplinäre und angewandte Diakoniewissenschaft" an der "Universität Bonn", das in Berlin stattfand, vom Stapel gelassen. Weitere Teile der kn-Meldung:


Die Bundesregierung unterstützt den interreligiösen Dialog als wichtiges Mittel zur Integration ausländischer Mitbürger. [...] "Der Markt der religiösen Möglichkeiten hat sich ausgeweitet", so Schily. Die Einheimischen müßten sich daher tolerant mit der Religion der Zuwandernden auseinandersetzen. Aus Sicht der Bundesregierung sei der interreligiöse Dialog zwischen den Kirchen sowie islamischen und jüdischen Gruppierungen ein wichtiges Mittel zum Erhalt des inneren Friedens. Daher werde er auch mit Mitteln aus dem Anti-Terror-Fonds der Bundesregierung finanziell unterstützt.

Diejenigen, die am lautesten nach Toleranz schreien, sind üblicherweise die intolerantesten Fanatiker; eine schon pathologisch anmutende Ausprägung dieses Fanatismus zeigt sich in dem Gehetze von Gunnar Anger gegen die Kirche. Die Einheit im brutalen Vernichtungskampf gegen die Wahrheit wird also von der Bundesregierung gefördert. Das ist KzM-Lesern schon längst bekannt. Damit zu den Ausführungen von Fr. Grors SJ:

Intoleranz

"Die konsequent römisch-katholische Gesellschaft muß intolerant werden." (Tschackert, Evangelische Polemik gegen die katholische Kirche, S. 202.)
Antwort:
1. Nach Christi Lehre heißt die erste Pflicht des Menschen gegen seine Mitbürger nicht Toleranz, sondern Nächstenliebe. Ein Pharisäer wollte den Heiland versuchen mit der Frage: "Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetze?" Jesus aber antwortete: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüte, das ist das erste und das größte Gebot. Das andere aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten." (Matth. 22,37-40).
Gerechtigkeit und Liebe sind die Tugenden, die wir dem Mitmenschen gegenüber zu üben haben. "Toleranz" steht nicht im Gesetzbuche Christi. Toleranz üben gegen den Mitmenschen, auch wenn er irrt, ist viel zu wenig. Die katholische Kirche sieht auch die irrenden Brüder, sie duldet, sie toleriert sie nicht bloß, sondern sie liebt sie, d.h. sie erweist ihnen Wohltaten. Das ist mehr als Toleranz. "Toleranz" ist das Schlagwort des echten Egoismus, der den Mitmenschen neben sich duldet - er kann ihn ja nicht ändern - aber barmherzige Liebe nicht für ihn hat. Wo wahre barmherzige Liebe geübt wird gegen den Mitbruder in Christus, da ist noch ein Stück echten Christentums.
Es wirkt geradezu komisch, wenn so ein rechter Ungläubiger die katholische Kirche verlästert, weil sie nicht die edle Tugend der Toleranz übe! Wer hat denn in den 1900 Jahren mehr für das Wohl der Mitmenschen getan als die katholische Kirche? Freund und Feind - z.B. auch Prof. Hübler an der Universität zu Berlin - sind einig darin, daß das Barbarentum des Altertums nur durch die Kirche überwunden und die Barbarei im Mittelalter nur durch die Kirche von uns ferngehalten worden ist, aber nicht durch "Duldung", sondern durch werktätige Liebe.

2. Je mehr aber Liberale oder Sozialisten von der Intoleranz der katholischen Kirche reden, um so weniger üben sie selbst Toleranz, geschweige denn Liebe gegen ihre Mitmenschen. Wie freuen sie sich, daß in Frankreich, Spanien, Portugal gegen die Ordensleute vorgegangen wird! "Freiheit" heißt ihr Kampfgeschrei. Jawohl! Freiheit für sich und ihren Unglauben - nur nicht Freiheit für die katholische Kirche und ihre Orden. Diese Heuchler! Laßt uns nur einmal volle Freiheit, und im edlen Wettkampf wollen wir sehen, wer den Mitmenschen höher schätzt, und ihm größere Wohltaten erweist, die, welche das Wort "Toleranz" im Munde führen, oder die, welche die "Liebe" als das oberste Gebot Christi am Nächsten üben!
Nein, wir sind nicht intolerant gegen die irrenden Mitmenschen, auch nicht gegen den Ungläubigen. Wohl aber sind wir intolerant gegen den Irrtum selbst, den können wir nicht gutheißen. Was schwarz ist, kann ich nicht weiß nennen, und was falsch ist, kann ich nicht wahr heißen. Dem Irrtum kann ich nicht dieselben Rechte zugestehen wie der Wahrheit. Wenn aber die katholische Kirche darauf ausgeht, den Irrtum zu überwinden und der Wahrheit zum Siege zu verhelfen, so tut sie nur, was Christus getan, was jeder Gelehrte tun soll, und was jeder vernünftig Denkende als berechtigt anerkennen muß.

3. Eine dogmatische Toleranz ist ein Widerspruch in sich; wie kann denn eine Kirche, welche sich für die Lehrerin der Wahrheit hält, erklären: Wenn du an die Dreieinigkeit, an die Gottheit Christi, an die Notwendigkeit der Beichte usw. glaubst, so ist´s recht; wenn du daran nicht glaubst, ist´s mir auch recht; denn ich bin tolerant. "Die Apostel wußten von keiner Duldung, keiner Nachsicht gegen Irrlehren." (Döllinger, Christentum und Kirche, S. 236.)
Neben der dogmatischen Toleranz besteht aber sehr wohl die bürgerliche und staatsbürgerliche Toleranz, wie dieselbe auch besteht zwischen politisch verschiedenen Parteien, von denen doch eine jede sich für die richtige und die andere für falsch ansieht und ansehen muß.
 

Religion

"Für alle ... soll die Religion Privatsache bleiben." (Häckel, Die Welträtsel, S. 144)
Antwort:
1. Das paßt sehr gut in das religionslose System des Gottesleugners Häckel hinein. Diese Devise hat sich ja auch der religionslose Sozialismus erwählt. Sie tut ihm gute Dienste bei denen, "die nicht alle werden". Mit Recht schreibt Prof. Tschackert:
"Der 'Dreimissionenpartei' (der deutschen Sozialdemokratie) steckt der Atheismus im Blute; ihre Devise 'Religion ist Privatsache' ist nur der Deckmantel für Eliminierung (Ausschaltung) aller Religion aus dem Volke; im 'Zukunftsstaate' der Sozialisten gibt es keine Religion." (Modus vivendi, S. 12) Auch nicht im Häckelschen Staate und nicht in der Häckelschen Schule. "Monismus", d.h. die Gottesleugnung, "monistische Ethik", d.h. die gottlose Moral, sie will E. Häckel als Staatsmonopol in der Staatsschule gelehrt wissen, dem Christentum und der Verehrung des wahren Gottes wird die Tür gewiesen. (Daselbst.)

2. Mit der Religion aus dem öffentlichen Leben schwindet auch die Religion aus dem Privatleben. Darum wollen Häckel und der Sozialismus eine Schule ohne Gott, einen Staat ohne Gott, ein öffentliches Leben ohne Gott, Kunst und Literatur ohne Gott - sie wollen alles öffentliche Leben verweltlichen, d.h. atheistisch gestalten.
Der Privatmann mag ja in seinem Privatleben noch so viel Religion haben, wie er will, das wollen diese Herren ihm gnädig gestatten. Gibt es keine christlichen Kirchen, christlichen Schulen, christlichen Krankenhäuser, christliche Wohltätigkeit, christlichen Staat und kein christliches Lebenszeichen mehr im öffentlichen Leben, so ist nach einer Generation das Volk atheistisch, da die Quellen des christlichen Lebens verstopft sind. Das wissen diese Leute sehr gut. Wir wissen es aber auch und sagen: Die Devise "Religion ist Privatsache" ist eine Lüge und ein Deckmantel für alle Religionsfeindschaft.

3. So lange es recht ist, daß ein Volk öffentlich seine Helden ehrt und patriotische Feste feiert, so lange hat die Christenheit das Recht, seine christlichen Helden zu verehren und ihnen Standbilder zu errichten. Soll es denn nur erlaubt sein, Bismarcktürme zu bauen und die Gärten mit Statuen der heidnischen Götter und Göttinnen zu schmücken?
So lange der König öffentlich geehrt werden muß, so lange auch der König der Könige und der Herr der Heerscharen.
So lange es wahr ist, daß Christus eine sichtbare Kirche gestiftet hat, so lange hat die Kirche das Recht, im öffentlichen Leben zu erscheinen.
Eine unsichtbare Kirche verzichtet auf Betätigung im öffentlichen Leben, die Kirche Christi aber nie und nimmer. Nur gezwungen hat die Kirche sich in den Katakomben verborgen. Das war ein Notstand. Konstantin, der erste christliche Kaiser, gab der Kirche, was ihr gebührte, die Freiheit der Betätigung im öffentlichen Leben. Vielleicht gelingt es dem Sozialismus, in einigen Ländern die Religion aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen, aber dadurch wird der falsche Satz: "Religion ist Privatsache" noch lange nicht zur Wahrheit.

4. Mit dem Grundsatze: "Religion ist Privatsache" würden sich der Staat und das öffentliche Leben den Boden unter den Füßen weggraben. Denn ohne Religion kein Glaube an Gott den Schöpfer, und ohne diesen Glauben fehlt der ganzen Sitten- und Rechts-Ordnung das Fundament.
Alles in der Welt muß Gott dienen und seine Ehre fördern, auch der Staat; deshalb muß der Staat auf christlicher Grundlage beruhen und nach christlichen Grundsätzen handeln; er muß im Handel christliche Gerechtigkeit üben, die christliche Sitte muß er schützen und fördern, christliche Schulen für die Christen gründen. Er hat zu sorgen, daß nach christlichen Grundsätzen sowohl Recht gesprochen, wie auch das Militärwesen im Krieg und Frieden geleitet werde.
Auch der einzelne Mensch hat sich als Christ zu zeigen im öffentlichen wie im privaten Leben. In der Wissenschaft, Kunst, im Handel und Wandel muß er praktisches Christentum vertreten; unchristliche Tendenzen zu fördern ist unerlaubt, weil eben das Christentum die wahre Religion ist, und die einzige Art und Weise, wie Gott von den Menschen geehrt sein will.
Wer die Religion aus dem öffentlichen Leben, aus Staat und Schule verbannt, huldigt dem praktischen Atheismus. Der atheistische Staat muß aber in sich selber zu grunde gehen. Wer das ganze Kulturleben oder Teile desselben verweltlicht, treibt nur die Mühlen des Sozialismus. Und das tut der Liberalismus mit seiner Trennung von "Staat und Kirche", von "Schule und Kirche", mit seiner Verweltlichung des öffentlichen Lebens.
 

Toleranz

"Noch einen anderen Vorzug müssen wir an der evangelischen bürgerlichen Gesellschaft hervorheben, ihre Toleranz - im Vergleich mit der römischen Intoleranz." (Tschackert, Evangelische Polemik gegen die katholische Kirche, S. 201.)
Antwort.
1. Renommieren Sie sich nicht zu sehr mit der protestantischen Toleranz! Davon haben wir Katholiken im Kulturkampf wenig gespürt. Nach Prof. Tschackert müssen es die Katholiken zehnmal besser haben in den überwiegend protestantischen Staaten, als die Protestanten in den überwiegend katholischen Staaten! O, hätten es die Katholiken, um in Deutschland zu bleiben - in Mecklenburg, Braunschweig, Sachsen und auch in Preußen so gut wie die Protestanten in dem meist katholischen Bayern oder Baden!
Eine ganze Reihe Ausnahmegesetze bestehen selbst in Preußen noch für die Katholiken, für die Protestanten kein einziges in ganz Deutschland. Die Katholiken in England und Irland wissen ein Lied zu singen von der protestantischen Toleranz während der grausamsten Katholikenverfolgung, wo auf Messelesen ungeheure Geldstrafen und vielfach der Tod stand. England ist heute toleranter als Preußen. Aber die Toleranz als den Vorzug der protestantischen bürgerlichen Gesellschaft hinstellen, ist wirklich ein starkes Stück. Die Reformatoren Calvin, Luther und Zwingli waren alle nichts weniger als Männer der Toleranz.

2. Ein gewichtiger Zeuge für die protestantische Intoleranz ist Ign. von Döllinger (Kirche und Kirchen S. 50-56):
"In dem mittelalterlichen Staate bestand allerdings auch Religionszwang, aber wie ganz anders war die frühere Anschauung und Praxis im Vergleich mit der neuen! Dort waren Volk und Fürst Glieder der katholischen Kirche, neben welcher keine andere existierte. Alle waren einig, daß der Staat in seiner engen Verbindung mit der Kirche keinen Abfall von derselben dulden, keine neue Religion einführen lassen dürfe. ... Nie ist in den tausend Jahren vor Luther auch nur der Versuch von einem Monarchen gemacht worden, eine andere Religion, eine neue Lehre in seinem Staate einzuführen. ... Alles dieses änderte sich mit der Reformation. Die Reformatoren übertrugen schon frühe den weltlichen Fürsten der "Obrigkeit", wie sie sagten, die Gewalt über die Religion ihres Landes und ihrer Untertanen ..." Es "wurde herrschende protestantische Doktrin, daß die Fürsten das höchste Richteramt über Religion, Lehre und Kirche hätten, und daß es ihr Recht und ihr Beruf sei, jede von der ihrigen abweichende Glaubensmeinung zu unterdrücken. ... So entstand ein Despotismus, dessengleichen bis dahin noch nicht gesehen worden war. Das neue System, wie es von Theologen und Juristen jetzt ausgebildet wurde, war schlimmer als die byzantinische Praxis, denn dort hatte man doch nie den Versuch gemacht, die Religion des Volkes zu ändern".

3. Ein weiterer Zeuge ist Dr. N. Paulus, der bekannte Erforscher des Reformationszeitalters. Er sagt:
"Man wiederholt so oft, daß die Toleranz, die sogenannte Gewissensfreiheit, eine 'Segnung der Reformation', eine Frucht des lutherischen Geistes sei. Wäre dies richtig, so müßte man diese Frucht vor allem in Sachsen, im Mutterlande der 'Reformation', an der Geburtsstätte des Luthertums finden. Wie aber die Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert in Sachsen geübt wurde, geht aus den vorstehenden Mitteilungen genügend hervor." Paulus hat die verschiedensten Belege, namentlich auch die Todesurteile Carpzovs, dafür erbracht. Dann heißt es weiter:
"Wenn im Laufe des 18. Jahrhunderts wie anderswo, so auch in Sachsen nach und nach der Grundsatz der Duldung Andersgläubiger in schwachen Anfängen zur Ausübung kam, so darf man dies keineswegs dem lutherischen Geiste zuschreiben. Das allmähliche Aufkommen war in Sachsen durch die äußeren Verhältnisse veranlaßt. Übrigens gehört auch heute noch das lutherische Sachsen zu denjenigen deutschen Staaten, die an der veralteten Intoleranz am zähesten festhalten." (Wissensch. Beilage zur Germania 1907 u. 8.)

4. Toleranz gegen den Irrtum ist Verrat an der Wahrheit. Die Wahrheit ist immer intolerant (dogmatische Intoleranz). Toleranz gegen die Irrenden ist zu wenig. Wir schulden ihnen Gerechtigkeit und Liebe. Politische Parteien sind intolerant in bezug auf ihre gegenseitigen Grundsätze, tolerant gegen die Mitglieder anderer Parteien (politische Intoleranz). Die dogmatische Toleranz ist verwerflich. Die bürgerliche Toleranz ist Pflicht, und die politische Toleranz ist sittlich erlaubt. (Dr. Pohle, Kirchenlex. von Wetzer und Welte, Art. "Toleranz".)
Es ist mithin durchaus verfehlt, von der evangelischen Toleranz im Gegensatz zur römischen Intoleranz zu reden. Das nennt man Schönfärberei.


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