Enzyklika "Divini redemptoris"
Weltrundschreiben Papst Pius XI. [1922 - 1939]
Über den atheistischen Kommunismus
19. März 1937
Gliederung der vorliegenden Ausgabe(im Original gibt es keine Überschriften oder Unterteilungen)
2. Lehren und Früchte des Kommunismus
Divini redemptoris
Rundschreiben an die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und andern Oberhirten, die mit dem Apostolischen Stuhle in Frieden und Gemeinschaft leben, über den atheistischen Kommunismus.
Pius Xl. Papst
Ehrwürdige Brüder, Gruß und Apostolischen Segen!
Christus und die Menschengemeinschaft
1. Die Verheißung eines Erlösers erstrahlt auf der ersten
Seite der Geschichte der Menschheit, und so milderte die zuversichtliche
Hoffnung auf bessere Zeiten die Trauer über das verlorene Paradies.
Diese Hoffnung begleitete das menschliche Geschlecht auf seinem dornenvollen
Wege, bis in der Fülle der Zeiten der Erlöser der Welt erschien
und jene Erwartung erfüllte. Durch ihn wurde eine neue universale
Kultur begründet, die christliche Kultur, unvergleichlich höher
als jene, die der Mensch bis dahin mit Mühe und nur in einigen wenigen
bevorzugten Nationen erreicht hatte.
2. Aber der Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen blieb in der
Welt als traurige Folge der Erbschuld, und der alte Versucher hat niemals
aufgehört, die Menschheit mit seinen trügerischen Verheißungen
zu verlocken. So ist im Lauf der Jahrhunderte eine Umwälzung auf die
andere gefolgt, bis auf die Revolution unserer Tage, die sozusagen überall
bereits tobt oder doch ernsthaft drohend vor uns steht, an Ausmaß
und Heftigkeit überbietend, was früher an Kirchenverfolgungen
erlebt wurde. Ganze Völker Gefahr, in eine noch grauenvollere Unkultur
zurückzusinken als jene war, die noch über dem größeren
Teil des Erdkreises lag, da der Erlöser erschien.
3. Wir sprechen, wie Ihr, Ehrwürdige Brüder, schon erraten
habt, vom bolschewikischen und atheistischen Kommunismus, der die Welt
furchtbar bedroht und darauf ausgeht, die soziale Ordnung umzustürzen
und die Fundamente der christlichen Kultur zu untergraben.
1. Verhalten der Kirche gegenüber dem Kommunismus
Frühere Verurteilungen
4. Angesichts einer solchen Bedrohung konnte und kann die katholische Kirche nicht schweigen. Nicht schwieg insbesondere der Apostolische Stuhl, der es als seine eigenste Sendung betrachtet, die Wahrheit und die Gerechtigkeit und all jene ewigen Güter zu verteidigen, die der Kommunismus verkennt und bekämpft. Schon seit den Tagen, als gebildete Kreise die menschliche Kultur von den Bindungen der Moral und der Religion zu lösen versuchten, haben Unsere Vorgänger offen und ausdrücklich die Aufmerksamkeit der Welt auf die Folgen der Entchristlichung der Menschheit hingelenkt. Was insbesondere den Kommunismus betrifft, so hat schon im Jahre 1846 Unser ehrwürdiger Vorgänger Pius IX. seligen Angedenkens dessen feierliche Verurteilung ausgesprochen und später im Syllabus bestätigt. Er verwirft "die verdammenswerte Lehre des sogenannten Kommunismus, die im höchsten Grade dem Naturrecht entgegengesetzt ist und die, einmal zur Herrschaft gelangt, zu einem radikalen Umsturz der Rechte, der Lebensverhältnisse und des Eigentums aller, ja der menschlichen Gesellschaft selber führen muß". Späterhin hat ein anderer Unserer Vorgänger, Leo XIII. unsterblichen Andenkens, in seinem Rundschreiben "Quod Apostolici muneris" jenen Kommunismus bezeichnet als "verheerende Seuche, die das Mark der menschlichen Gesellschaft auffrißt und sie völlig zersetzt". Mit klarem Blick hat der gleiche Papst darauf hingewiesen, daß die atheistischen Massenbewegungen des technischen Zeitalters auf jene Philosophie zurückgehen, die schon seit Jahrhunderten Wissenschaft und Leben von Glaube und Kirche zu trennen versucht hatte.
Kundgebungen des gegenwärtigen Pontifikates
5. Auch Wir selber haben in Unserem Pontifikat oftmals eindringlich und nachhaltig auf die bedrohlich anwachsenden atheistischen Strömungen aufmerksam gemacht. Als Unsere Hilfsmission im Jahre 1924 aus der Sowjetunion zurückkehrte, haben Wir uns in einer eigenen Allokution an die ganze Welt gegen den Kommunismus ausgesprochen. In Unseren Rundschreiben "Miserentissimus Redemptor", "Quadragesimo anno", "Caritate Christi", "Acerba animi", "Dilectissima Nobis" haben wir feierlichen Protest erhoben gegen die Verfolgungen, wie sie in Rußland, in Mexiko, in Spanien ausgebrochen waren. Noch ist das Echo von überall her auf jene Ansprachen nicht verhallt, die Wir bei der Eröffnung der Weltausstellung der katholischen Presse, beim Empfang der spanischen Flüchtlinge und in Unserer Weihnachtsbotschaft gehalten haben. Ja, sogar die verbissensten Feinde der Kirche selber, die von Moskau aus diesen Kampf gegen die christliche Kultur leisten, bezeugen durch ihre ständigen Angriffe in Wort und Tat, daß das Papsttum auch in unseren Tagen treu die Wache am Heiligtum der christlichen Religion gehalten, und daß es öfter und überzeugender als irgend eine öffentliche Autorität auf Erden der Menschen Aufmerksamkeit auf die kommunistische Gefahr gerichtet hat.
Notwendigkeit eines neuen feierlichen Dokumentes
6. Ungeachtet dieser wiederholten väterlichen Mahnungen, die Ihr, Ehrwürdige Brüder, zu Unserer großen Freude in Euren jüngsten Hirtenbriefen, auch den gemeinsamen, den Gläubigen so getreulich vermittelt und erklärt habt, wächst die Gefahr dennoch bei der unermüdlichen Wühlarbeit geschickter und skrupelloser Agitatoren von Tag zu Tag. So halten Wir es denn für Unsere Pflicht, von neuem Unsere Stimme zu erheben und ein noch feierlicheres Dokument nach dem Brauch dieses Heiligen Stuhles, des Lehrstuhles der Wahrheit, zu veröffentlichen, wie es übrigens selbstverständlich erscheint angesichts des Verlangens des gesamten katholischen Erdkreises nach einem solchen Dokument. Wir hegen dabei das Vertrauen, daß das Echo Unserer Stimme überall da vernommen werde, wo man noch frei ist von Vorurteilen und aufrichtig besorgt für das Wohl der Menschheit. Das um so mehr, als Unser Wort, so schmerzlich diese Feststellung ist, eine eindrucksvolle Bestätigung erhält durch den Anblick der bitteren Früchte, die inzwischen aus den Ideen des Umsturzes hervorgegangen sind, die Wir vorausgesehen und vorausverkündet haben, die sich beängstigend mehren, sei es in den Ländern, die bereits von der Seuche beherrscht sind, sei es in allen anderen des gesamten Erdkreises, die davon bedroht sind.
7. Wir wollen also noch einmal in einer kurzen Zusammenfassung die Grundsätze des atheistischen Kommunismus darlegen, samt den Methoden seiner Aktion, wie sie sich vor allem im Bolschewismus offenbaren. Wir wollen dann diesen falschen Grundsätzen die lichtvolle Lehre der Kirche gegenüberstellen und noch einmal mit allem Nachdruck die Mittel anempfehlen, mit denen die christliche Kultur, die einzig wahre "Civitas humana", von dieser satanischen Geißel befreit und immer kräftiger entfaltet werden kann - dies alles zum wahren Wohle der menschlichen Gesellschaft.
2. Lehren und Früchte des Kommunismus
Lehren
Ein falsches Ideal
8. Der heutige Kommunismus birgt in einem höheren Maße, als es bei anderen ähnlichen Bewegungen der Vergangenheit der Fall war, eine falsche Erlösungsidee in sich. Ein falsches Ideal von Gerechtigkeit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Arbeit durchglüht seine gesamte Lehre und Tätigkeit mit einem gewissen Mystizismus, der die mit trügerischen Versprechungen gewonnenen Massen in den suggestiv um sich greifenden Enthusiasmus einer mitreißenden Bewegung versetzt. Das konnte in unserer Zeit um so leichter geschehen, da sie infolge einer fehlerhaften Verteilung der Güter dieser Welt von einem außergewöhnlichen Elend heimgesucht wird. Es rühmt sich auch dieses falsche Ideal, der Anreger eines gewissen wirtschaftlichen Fortschritts gewesen zu sein, der sich in Wahrheit, soweit er echt ist, aus ganz anderen Ursachen herleiten läßt, wie zum Beispiel aus der Steigerung der industriellen Produktion in Ländern, die in dieser Hinsicht wenig entwickelt waren, oder aus der Ausbeutung eines ungeheuren Reichtums an Bodenschätzen, oder auch aus der Anwendung von brutalen Arbeitsmethoden zur Erreichung von Riesenleistungen bei herabgedrückten Löhnen.
Der evolutionistische Materialismus von Karl Marx
9. Die Lehre, die der Kommunismus oft genug unter täuschenden Hüllen verbirgt, steht im wesentlichen noch heute auf den von Marx verkündeten Grundsätzen des sogenannten dialektischen Materialismus und des historischen Materialismus, dessen allein richtige Auslegung die Theoretiker des Bolschewismus zu vertreten glauben. Nach dieser Lehre gibt es nur eine einzige ursprüngliche Wirklichkeit, nämlich die Materie mit ihren blinden Kräften, aus denen sich Pflanze, Tier und Mensch entwickelt haben. Auch die menschliche Gesellschaft ist darnach nichts anderes als eine Erscheinungsform dieser Materie, die sich in der angedeuteten Weise entwickelt und mit unausweichlicher Notwendigkeit in einem ständigen Kampf der Kräfte dem endgültigen Ausgleich zustrebt: der klassenlosen Gesellschaft. Es leuchtet ein, daß in einem solchen System kein Platz mehr für die Idee Gottes, daß kein Unterschied mehr besteht zwischen Geist und Stoff, zwischen Leib und Seele, daß es kein Fortleben der Seele nach dem Tode mehr gibt, und darum auch keine Hoffnung auf ein anderes Leben. Unter Berufung auf die dialektische Seite ihres Materialismus behaupten die Kommunisten, daß der Kampf, der die Welt zum letzten Ausgleich führt, durch den Menschen beschleunigt werden kann. Darum bemühen sie sich, die Klassengegensätze in der Gesellschaft zu verschärfen, und so wird der Klassenkampf mit all seiner Gehässigkeit und seiner Zerstörungswut zu einer Art Kreuzzug im Dienste des Fortschrittes der Menschheit. Alle Mächte aber, wer immer sie seien, die sich diesen systematisch geübten Gewalttätigkeiten widersetzen, müssen vernichtet werden als Feinde des Menschengeschlechtes.
Was sind der Mensch und die Familie?
10. Des weiteren beraubt der Kommunismus den Menschen seiner Freiheit,
der geistigen Grundlage seiner moralischen Lebensführung; der Persönlichkeit
des Menschen nimmt er jede Würde und jeden moralischen Halt im Aufruhr
blinder Instinkte. Was das Verhältnis des Einzelmenschen zur Gemeinschaft
angeht, so anerkennt er keinerlei naturgegebene Rechte der menschlichen
Persönlichkeit, daß sie nach ihm nichts anderes ist als ein
einfaches Rad im Gefüge einer Maschine. In den Beziehungen der Menschen
untereinander proklamiert er das Prinzip der absoluten Gleichheit unter
Leugnung einer jeglichen Ueberordnung und einer jeglichen Autorität,
die etwa von Gott begründet wäre, einschließlich der elterlichen;
was immer aber unter Menschen an sogenannter Autorität und Unterordnung
vorhanden ist, leitet sich ausschließlich aus der Gemeinschaft ab
als seiner einzigen Quelle. Es gibt in diesem System für den einzelnen
keinerlei Eigentumsrecht mehr, weder an den Schätzen der Natur noch
an den Mitteln der Produktion, da ein solches zum Erwerb weiterer Güter
führen müßte und damit zur Macht des einen Menschen über
den anderen. Gerade deswegen muß diese Form des Privateigentums radikal
ausgerottet werden, ist es doch Anfang und Quelle einer jeglichen wirtschaftlichen
Versklavung.
11. Für eine Lehre, die auf solche Weise dem menschlichen Leben
jede Weihe und Geistigkeit nimmt, sind folgerichtig Ehe und Familie eine
rein willkürliche und bürgerliche Einrichtung, oder auch das
Ergebnis einer bestimmten wirtschaftlichen Entwicklung; man leugnet die
Existenz des Ehebandes mit rechtlich-sittlicher Verpflichtung, die dem
Belieben der einzelnen oder der Gesellschaft entzogen wäre und folgerichtig
auch seine Unauflöslichkeit. Insbesondere gibt es für den Kommunismus
keinerlei
Bindung der Frau an Familie und Heim. Er proklamiert das Prinzip der
Emanzipation der Frau, entreißt sie dem häuslichen Leben und
der Sorge für ihre Kinder, zieht sie vielmehr in die Oeffentlichkeit
und in die kollektive Produktion in gleichem Maße wie den Mann und
wälzt die Sorge für das Hauswesen und das Kind auf die Gesellschaft
ab. Schließlich hat man das Recht der Erziehung den Eltern genommen
und es zu einem ausschließlichen Recht der Gemeinschaft gemacht,
in deren Namen und Auftrag allein es von den Eltern ausgeübt werden
darf.
Was ist die Gesellschaft?
12. Was müßte aus der menschlichen Gesellschaft werden, wollte man sie aufbauen auf solch materialistischer Grundlage? Sie würde ein Kollektivwesen, einzig gegliedert nach den Erfordernissen des wirtschaftlichen Systems. Ihre alleinige Aufgabe bestünde in der Produktion von Gütern auf dem Wege der Kollektivarbeit und mit dem Ziel des Genusses der Erdengüter in einem Paradiese, in dem ein jeder "gäbe nach seiner Kraft und empfinge nach seinem Bedarf". Der Gemeinschaft räumt der Kommunismus das Recht ein oder vielmehr die unbeschränkte Vollmacht, die Einzelmenschen in das Joch der Kollektivarbeit zu zwingen, ohne Rücksicht auf ihr persönliches Wohlergehen, ja gegen ihren eigenen Willen und sogar bis zur Anwendung von Gewalt. Die sittliche und die rechtliche Ordnung wäre nichts anderes, als ein Ausfluß des jeweiligen wirtschaftlichen Systems, also rein irdischen Ursprungs, veränderlich und hinfällig. Kurz, man unterfängt sich, eine neue Epoche und eine neue Zivilisation heraufzuführen, die Frucht einer blinden Entwicklung: "eine Menschheit ohne Gott".
13. Wenn dann endlich alle einmal zu echten Kollektivmenschen geworden sind, wird in dieser utopischen Gesellschaft ohne Klassenunterschiede der politische Staat, der heute nur ein Machtmittel in der Hand der Kapitalisten zur Knechtung der Proletarier ist, die Voraussetzung seiner Existenz verlieren und "sich auflösen"; inzwischen freilich, solange dieser glückliche Zustand noch nicht erreicht ist, sind Staat und staatliche Gewalt für den Kommunismus das wirksamste und universalste Mittel, um an sein Ziel zu kommen.
14. Das, Ehrwürdige Brüder, ist das neue Evangelium, das der bolschewistische und atheistische Kommunismus als Heilsbotschaft und Erlösung der Menschheit bietet! Ein System voll von Irrtum und Trugschlüssen, das ebenso der gesunden Vernunft wie der göttlichen Offenbarung widerspricht. Es ist Umsturz jeder gesellschaftlichen Ordnung, weil Vernichtung ihrer letzten Grundlagen! Es ist Verkennung des wahren Ursprungs, der Natur und des Zweckes des Staates! Es ist Entrechtung, Entwürdigung und Versklavung der menschlichen Persönlichkeit!
Ausbreitung
Trügerische Versprechen
15. Wie aber war es möglich, daß ein System, das wissenschaftlich schon lange überholt und durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt ist, wie war es nur möglich, so fragen Wir, daß ein solches System sich unheimlich schnell über alle Länder der Welt hin verbreiten konnte? Die Erklärung dafür ist der Umstand, daß nur wenige die wahre Natur des Kommunismus völlig durchschaut haben; die meisten erliegen so der Versuchung, die mit schillernden Augen an sie herantritt. Unter dem Vorgeben, man wolle nur das Los der arbeitenden Klasse verbessern, die wirklichen Mißbräuche der liberalen Wirtschaftsführung beseitigen und zu einem besseren Ausgleich der Besitzverhältnisse auf Erden gelangen (Ziele, die zweifellos ihre volle Berechtigung haben), unter Ausnutzung ferner der Wirtschaftskrise gelingt es, auch solche Kreise der Bevölkerung in die Einflußsphäre des Kommunismus zu ziehen, die grundsätzlich jeden Materialismus und jeden Terror ablehnen. Wie jeder Irrtum immer auch ein Korn Wahrheit enthält, so verführt eben dieses von Uns bezeichnete Stück Wahrheit, das man geschickt zur rechten Zeit und am günstigen Ort in den Vordergrund rückt, um die abstoßende und unmenschliche Grausamkeit der Grundsätze und der Methoden des bolschewikischen Kommunismus zu verbergen, auch mehr als gewöhnlich begabte Menschen und macht sie ihrerseits zu Aposteln unter der jungen Intelligenz, die noch zu wenig imstande ist, tiefer liegende Irrtümer wahrzunehmen. Obendrein wissen die Bannerträger des Kommunismus aus den Grundsätzen zwischen den Rassen und den verschiedenen einander bekämpfenden politischen Systemen ihren Nutzen zu ziehen, ja sogar die Ratlosigkeit einer Wissenschaft ohne Gott für sich auszubeuten, um auf den Universitäten sich einzunisten und die Grundsätze ihres Systems mit Scheinargumenten zu stützen.
Der Liberalismus hat den Weg bereitet
16. Um erklären zu können, wie es dem Kommunismus gelang, sich bei sehr grossen Arbeitermassen durchaus prüfungslos durchzusetzen, hat man im Auge zu behalten, daß diese darauf durch die Vernachlässigung ihres religiös-sittlichen Lebens unter den Forderungen der liberalen Wirtschaft bereits vorbereitet waren: mit den Arbeitsschichten auch an Sonntagen ließ man ihnen nicht einmal zur Erfüllung der schwersten religiösen Pflichten an Sonn- und Festtagen Zeit. Man dachte nicht daran, in der Nähe der Arbeitsstätten Kirchen zu bauen, oder die Arbeit des Seelsorgers zu erleichtern. Ja, man fuhr sogar fort, den Laizismus zu fördern und zu pflegen. Heute sieht man die Früchte jener Irrtümer reifen, die von Unsern Vorgängern und von Uns selbst oft genug gekennzeichnet wurden, und man darf sich nicht wundern, daß in einer Welt, die schon weithin dem Christentum entfremdet worden ist, die kommunistische Irrlehre um sich greift.
Schlaue und weitreichende Propaganda
17. Ferner erklärt sich die rasche Verbreitung der kommunistischen Ideen, die in alle Länder dringen, die großen und die kleinen, die hochkultivierten und die weniger entwickelten, so daß kein Winkel dieser Erde mehr davon frei ist, aus einer wahrhaft dämonischen Propaganda, wie sie die Welt vielleicht bis heute noch nicht gesehen hat, einer Propaganda, die von einem einzigen Zentrum geleitet und äußerst geschickt den Lebensbedingungen der verschiedenen Völker angepaßt ist, einer Propaganda, die mit großen Geldmitteln arbeitet, mit Riesenorganisationen, mit internationalen Kongressen, mit zahllosen gut geschulten Kräften, einer Propaganda, die mit Flugblättern wirbt und Zeitschriften, in Lichtspielen, in Theatern, mit dem Radio, in den Schulen, an den Universitäten sogar, und die nach und nach alle Kreise der Bevölkerung erfaßt, auch die bessern, ohne daß sie das Gift auch nur gewahr werden, das nach und nach in ihren Geist und in ihr Herz eindringt.
Schweigekomplott der Presse
18. Ein weiteres mächtiges Hilfsmittel zur Verbreitung des Kommunismus ist ein wahres Komplott des Schweigens bei einem Großteil der nichtkatholischen Weltpresse. Wir sprechen von einem Komplott, denn anders läßt es sich nicht erklären, daß eine Presse, die so darauf aus ist, auch geringfügige Tagesereignisse vor ihr Publikum zu bringen, es über sich gebracht hat, über die Verbrechen, die in Rußland, in Mexiko und in einem großen Teile Spaniens begangen worden sind, so lange zu schweigen und relativ so wenig über eine derartig ausgedehnte Weltorganisation, wie es der Kommunismus von Moskau ist, zu berichten. Dieses Schweigen ist zum Teil politischer Kurzsichtigkeit zuzuschreiben, es wird auch von verschiedenen geheimen Mächten begünstigt, die schon lange darauf ausgehen, die christliche Sozialordnung zu zerstören.
Traurige Wirkungen
Rußland und Mexiko
19. Inzwischen haben Wir die traurigen Wirkungen dieser Propaganda vor Unseren Augen. Wo der Kommunismus die Möglichkeit hatte, sich festzusetzen und seine Herrschaft aufzurichten - Wir denken hier mit besonderer väterlicher Teilnahme an die Völker in Rußland und Mexiko -, da hat er sich (nach seinem eigenen Geständnis) mit allen Mitteln bemüht, die christliche Kultur und Religion radikal zu zerstören und jede Erinnerung daran auch in den Herzen der Menschen, insbesondere der Jugend, auszulöschen. Er hat Bischöfe und Priester des Landes verwiesen, zu Zwangsarbeit verurteilt, erschossen, auf unmenschliche Weise ums Leben gebracht; er hat schlichte Laien, weil sie sich für die Religion eingesetzt hatten, verdächtigt, bedrückt, verfolgt, in die Gefängnisse und vor den Richter geschleppt.
Greuel des Kommunismus in Spanien
20. Auch da, wo die Geißel des Kommunismus noch nicht Zeit gefunden hat, sich voll auszuwirken, wie in Unserem heiß geliebten Spanien, ist er wie zum Entgelt leider mit einer noch roheren Gewalttätigkeit aufgetreten. Man hat nicht bloß diese oder jene Kirche, dieses oder jenes Kloster zerstört, sondern womöglich jede Kirche und jedes Kloster, jegliche Spur der christlichen Religion, auch wo es um hervorragende Denkmäler der Kunst und der Wissenschaft ging! Die kommunistische Vernichtungswut hat sich nicht darauf beschränkt, Bischöfe zu morden und Tausende von Priestern, von Ordensmännern und Klosterfrauen, immer vor allem nach jenen spürend, die sich besonderem Eifer der Arbeiter und der Armen angenommen haben; nein, er hat in noch viel größerer Zahl Laien aus allen Stünden zu seinen Opfern gemacht, hat sie hingeschlachtet in Scharen bis in die gegenwärtige Zeit hinein, ja man kann sagen Tag für Tag, und das einzig aus dem Grunde, weil sie gute Christen waren, oder doch wenigstens Feinde des kommunistischen Atheismus. Und dieses grausige Zerstörungswerk ist mit einem Haß ausgeführt worden, einer Barbarei und einer Grausamkeit, wie man sie in unserm Jahrhundert vorher nicht für möglich gehalten hätte. - Es kann keinen klugen Privatmann mehr geben, keinen Staatsmann, wenn er sich nur seiner Verantwortung bewußt ist, der nicht schaudern müßte bei dem Gedanken, es könnte das, was heute in Spanien geschieht, sich vielleicht morgen in anderen zivilisierten Nationen wiederholen.
Naturgemäße Früchte des Systems
21. Man kann nämlich nicht sagen, es seien jene wüsten Ausschreitungen etwa nur eine vorübergehende Erscheinung, wie sie große Revolutionen zu begleiten pflegen, vereinzelte Ausbrüche der Erbitterung, die in jedem Krieg vorkommen. Nein, es handelt sich um die naturgemäßen Früchte eines Systems, dem jegliche innere Zügelung fehlt. Zügelung ist notwendig für den Einzelnen, notwendig auch für die Gesamtheit. Auch die unkultivierten Völker besaßen sie in jenem Naturgesetz, das Gott in das Herz eines jeden Menschen eingeprägt hat. Wo man dieses Naturgesetz wirklich beobachtet hat, da sah man auch die Nationen des Altertums zu einer Größe emporsteigen, die noch heute, mehr als eigentlich recht ist, gewisse leicht zu begeisternde Geschichtsforscher in Erstaunen setzt. Wenn man aber die Gottesidee selber aus dem Herzen der Menschen reißt, dann werden sie notwendig von ihren Leidenschaften zur grausamsten Barbarei getrieben.
Kampf gegen alles, was göttlich ist
22. Das ist es gerade, was wir heute leider erleben: Zum erstenmal in der Geschichte sind wir Zeugen eines kalt geplanten und genau vorbereiteten Kampfes des Menschen gegen "alles, was göttlich ist". Der Kommunismus ist seiner Natur nach antireligiös und betrachtet die Religion als "Opium für das Volk", weil angeblich die religiöse Lehre von einem Leben jenseits des Grabes den Proletarier ablenkt von seinem Einsatz für das Sowjetparadies, das von dieser Erde ist.
Der Terrorismus
23. Aber man widersteht nicht ungestraft in trotzigem Haß dem Naturgesetz und seinem Urheber. Der Kommunismus hat es nicht einmal fertig gebracht, sein Ziel auf rein wirtschaftlichem Gebiet zu erreichen und wird das auch nicht fertig bringen. Ist es auch wahr, daß er in Rußland mitgewirkt hat, Menschen und Dinge aus einer jahrhundertelangen Ruhe aufzurütteln und mit allen möglichen, oft skrupellos angewandten Mitteln einen gewissen Fortschritt auf materiellem Gebiet zu erzielen, so wissen Wir doch aus unverdächtigen Zeugnissen, auch aus der neuesten Zeit noch, daß er tatsächlich auch nicht einmal hier sein Ziel den gemachten Versprechungen gemäß erfüllen konnte, trotz der Sklaverei, in die der Terrorismus Millionen von Menschen gezwungen hat. Auch auf dem Gebiet der Wirtschaft bedarf es des sittlichen Verantwortungsbewußtseins, das jedoch in einem rein materialistischen System, wie der Kommunismus es ist, keinen Raum hat. Als Ersatz dafür bleibt nur der Terrorismus, gerade wie wir in Rußland sehen, wo die alten Genossen gemeinsamer Verschwörungen und Kämpfe einander gegenseitig umbringen; ein Terrorismus, der nicht einmal den Verfall der Sitten, geschweige denn die Auflösung des sozialen Gefüges aufzuhalten vermag
Liebe für die unterdrückten Völker Rußlands
24. Damit wollen Wir jedoch in keiner Weise die Völker der Sowjetunion in ihrer Gesamtheit verurteilen, empfinden Wir doch ihnen gegenüber die innigste väterliche Liebe. Wir wissen, wie viele von ihnen unter dem harten Joch seufzen, das ihnen gewaltsam von Menschen auferlegt wurde, denen es größtenteils nicht um das wahre Wohl des Landes zu tun ist. Wir begreifen auch, daß viele sich durch trügerische Hoffnungen haben täuschen lassen. Wir klagen das System an, seine Urheber und seine Förderer, die Rußland für das am besten geeignete Land hielten, dort ein seit Jahrzehnten ausgedachtes System praktisch anzuwenden, und die es von da aus unermüdlich in der ganzen Welt verbreiten.
25. Nachdem Wir nun die Irrtümer, die gewaltsamen und hinterhältigen Methoden des bolschewikischen und atheistischen Kommunismus dargelegt haben, Ehrwürdige Brüder, ist es an der Zeit, ihnen kurz den wahren Begriff der Civitas humana, der menschlichen Gesellschaft, gegenüberzustellen, wie er von der Vernunft und vom Glauben durch die Kirche, die Magistra gentium gelehrt wird, und wie Ihr ihn schon kennt.
Das erhabenste Wesen: Gott!
26. Ueber allem wirklichen Sein steht das höchste, einzig erhabene Sein: Gott, der allmächtige Schöpfer aller Dinge, der weiseste und gerechteste Richter aller Menschen. Dieses erhabenste Wesen, Gott, ist die unbedingte, unwiderrufliche Verwerfung der schamlosen Lügen des Kommunismus. Wahrlich, nicht weil Menschen es glauben, ist Gott; sondern weil er existiert, darum glauben und beten alle, die nicht mit Wissen und Willen ihr Auge vor der Wahrheit verschließen.
Was Mensch und Familie nach Vernunft und Glaube sind
27. Was Vernunft und Glaube über den Menschen sagen, haben Wir in Unserem Rundschreiben über die christliche Erziehung in den wesentlichen Zügen dargelegt. Dem Menschen ist eine geistige und unsterbliche Seele zu eigen. Er ist Persönlichkeit, vom Schöpfer selber wunderbar mit Gaben des Körpers und des Geistes ausgestattet. Er ist ein wahrer "Mikrokosmus", wie die Alten sagten, eine kleine Welt für sich, die an Wert die ungeheure unbelebte Welt weit übertrifft. Sein letztes Ziel hier und drüben ist allein Gott. Er ist durch die heiligmachende Gnade erhoben in den Stand der Gotteskindschaft und dem Gottesreich im mystischen Leibe Christi eingegliedert. Folgerichtig hat ihn Gott mit vielen und mannigfaltigen Vorrechten ausgestattet: dem Recht auf das Leben, auf die Unverletzlichkeit des Körpers, auf die zum Leben notwendigen Mittel; dem Recht, dem letzten Ziele auf dem von Gott vorgezeichneten Wege zuzustreben: dem Recht auf Zusammenschluß, Eigentum und Gebrauch des Eigentums.
28. Die Ehe und das Recht auf ihren natürlichen Gebrauch sind göttlichen Ursprungs, ebenso wie auch die Einrichtung und die Grundrechte der Familie vom Schöpfer selbst bestimmt und festgelegt sind, nicht aber durch menschliche Willkür und nicht durch wirtschaftliche Faktoren. In dem Rundschreiben über die christliche Ehe und in dem bereits erwähnten über die christliche Erziehung haben Wir eingehend darüber gesprochen.
Was die Gesellschaft ist
Gegenseitige Rechte und Pflichten zwischen Mensch und Gesellschaft
29. Gott hat aber den Menschen auch auf die bürgerliche Gesellschaft
hingeordnet als auf eine Forderung seiner Natur. Im Plan des Schöpfers
ist die Gesellschaft ein natürliches Mittel, dessen sich der Mensch
zur Erreichung seines Zieles bedienen kann und soll; denn die menschliche
Gesellschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Das soll
freilich nicht im Sinne des individualistischen Liberalismus verstanden
werden, der die Gesellschaft dem einzelnen zur egoistischen Ausnutzung
unterordnet, sondern einzig in dem Sinne, daß einmal durch den organischen
Zusammenschluß zur Gesellschaft allen durch die wechselseitige Zusammenarbeit
die Möglichkeit gegeben werde, ihr wahres irdisches Glück zu
wirken; darüber hinaus aber auch, damit in der Gesellschaft die Gesamtheit
der in der Menschennatur niedergelegten individuellen und sozialen Anlagen
zur Entfaltung komme und über das unmittelbare Nützliche hinaus
an göttlicher Vollkommenheit abbildlich zur Darstellung gelange, was
in einem Einzelwesen überhaupt nicht verwirklicht werden kann. Aber
auch dieses Letzte ist wieder schließlich nur um des Menschen willen"
damit durch ihn dieser Abglanz göttlicher Vollkommenheit erkannt und
in Lob und Anbetung auf den Schöpfer zurückbezogen werden kann.
Nur der Mensch, die menschliche Persönlichkeit, nicht irgendeine menschliche
Gesellschaft ist Träger von Verstand und freiem sittlichen Willen.
30. Doch darum kann der einzelne sich niemals den gottgewollten Verpflichtungen
der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber entziehen, und die Träger
der Autorität haben das Recht, ihn im widerrechtlichen Weigerungsfall
zur Erfüllung seiner Pflicht zu zwingen. Ebensowenig kann aber die
Gesellschaft jemals den Einzelmenschen der ihm vom Schöpfer selbst
verliehenen Persönlichkeitsrechte, deren hauptsächlichste Wir
namhaft gemacht haben, berauben, noch ihm deren Gebrauch grundsätzlich
unmöglich machen. Darum ist es vernunftgemäß und von der
Vernunft gefordert, daß letztlich auf die menschliche Persönlichkeit
alles Irdische hingeordnet werde, damit es durch sie seine Rückbeziehung
auf den Schöpfer finde. Auch auf den Menschen, die menschliche Persönlichkeit,
kann man anwenden, was der Völkerapostel über die christliche
Heilsökonomie an die Korinther schreibt: "Alles ist euer, ihr aber
seid Christi; Christus ist Gottes." So tief der Kommunismus die menschliche
Persönlichkeit durch die Umkehr der Begriffe in den Beziehungen zwischen
Mensch und Gesellschaft erniedrigt, so hoch wird sie durch die Vernunft
und durch die Offenbarung erhoben!
Die wirtschaftlich-soziale Ordnung
31. Ueber die wirtschaftlich-soziale Ordnung sind die leitenden Grundsätze in dem sozialen Rundschreiben Leos XIII. über die Arbeiterfrage niedergelegt und in Unserm eigenen über die Neugestaltung der sozialen Ordnung den Erfordernissen der Gegenwart angepaßt. Wir haben von neuem die althergebrachte Lehre der Kirche über den individuellen und sozialen Charakter des Privateigentums betont und dann Recht und Würde der Arbeit genauer umschrieben, ebenso die gegenseitige Stütze und Hilfe, wie sie zwischen den Vertretern des Kapitals und den Arbeitnehmern obwalten sollen, endlich den Lohn, den man nach strenger Gerechtigkeit dem Arbeiter für sich und seine Familie schuldet.
32. In der gleichen Enzyklika haben Wir gezeigt, daß die Rettung der heutigen Welt aus dem traurigen Zusammenbruch infolge eines moralisch hemmungslosen Liberalismus, nicht im Klassenkampf und im Terror liegt, viel weniger noch im selbstherrlichen Mißbrauch der staatlichen Gewalt, sondern in der Durchdringung der wirtschaftlichen und der sozialen Ordnung mit dem Geiste der sozialen Gerechtigkeit und der christlichen Liebe. Wir haben gezeigt, wie gesunde Verhältnisse wiederhergestellt werden müssen nach den wahren Prinzipien einer vernünftigen ständischen Gliederung, unter Wahrung der notwendigen sozialen Ueber- und Unterordnung, und wie sich alle Stände im Hinblick auf das Gemeinwohl zu einer harmonischen Einheit zusammenschließen müssen. Gerade in der wirksamen Förderung dieser Harmonie und dieser Einordnung aller sozialen Kräfte besteht die ureigenste und wichtigste Aufgabe der öffentlichen und bürgerlichen Gewalt.
Die sozialen Abstufungen und die Rechte des Staates
33. Im Hinblick auf dieses organische Zusammenwirken für Ruhe und Ordnung schreibt die katholische Lehre dem Staat die Würde und die Autorität eines wachsamen und weitblickenden Verteidigers der göttlichen und menschlichen Rechte zu, die von der Heiligen Schrift und von den Kirchenvätern so oft betont werden. Es ist unwahr, daß alle in der menschlichen Gesellschaft gleichen Rechtes seien, und daß es keine rechtmäßige Ueber- und Unterordnung gebe. Wir verweisen hier auf die oben kurz erwähnten Rundschreiben Leos XIII., besonders auf jenes über die Staatsgewalt und jenes über die christliche Staatsverfassung. Hier findet der Katholik die klaren Grundsätze der Vernunft und des Glaubens, die ihn fähig machen werden, sich gegen das Irrige und Gefährlichkeit der kommunistischen Staatsauffassung zu schützen. Die Entrechtung und die Versklavung des Menschen, die Leugnung des letztlich überweltlichen Ursprungs des Staates und der Staatsgewalt, der erschreckende Mißbrauch der öffentlichen Gewalt im Dienst des kollektivistischen Terrorismus sind das Gegenteil von dem, was der natürlichen Sittenlehre und dem Willen des Schöpfers entspricht. Mensch und bürgerliche Gesellschaft gehen beide auf den Schöpfer als auf ihren Urheber zurück; sie sind vom Schöpfer aufeinander hingeordnet; darum kann keiner von beiden sich den Pflichten, die er dem andern gegenüber hat, entziehen, noch dessen Rechte leugnen oder schmälern. Der Schöpfer selbst hat dieses wechselseitige Verhältnis in seinen Grundzügen geregelt, und es ist ungerechte Anmaßung, wenn der Kommunismus es sich herausnimmt, an die Stelle des göttlichen Gesetzes, das sich auf die unveränderlichen Grundsätze der Wahrheit und der Liebe gründet, ein politisches Parteiprogramm aufzuzwingen, das auf menschlicher Willkür hervorgeht und das gesättigt ist mit Haß.
Schönheit dieser Lehre der Kirche
34. Mit dieser ihrer lichtvollen Lehre verfolgt die Kirche keinen andern
Zweck, als Wirklichkeit werden zu lassen die glückbringende Botschaft
des Engelsgesanges bei der Geburt des Erlösers im Stall von Bethlehem:
"Ehre sei Gott ... und ... Friede den Menschen. .."; wahrer Frieden und
wahres Glück, auch hinieden, soweit möglich, im Hinblick und
als Vorbereitung auf die ewige Glückseligkeit, aber nur den Menschen,
die guten Willens sind. Die Lehre ist gleich weit entfernt von allen Verstiegenheiten
der Irrtümer wie von allen Uebertreibungen der Parteien und Systeme,
die jenen anhangen; sie hält sich immer im Gleichgewicht der Wahrheit
und Gerechtigkeit. Sie besteht darauf in der Theorie, und wendet sie an
und fördert sie in der Praxis; sie versöhnt die Rechte und
die Pflichten der einen mit denen der andern, die Autorität mit der
Freiheit, die Würde des Individuums mit der des Staates, die menschlichen
Persönlichkeit im Untertan mit der göttlichen Stellvertretung
in der Obrigkeit, und verbindet so die schuldige Unterordnung und die
geordnete Liebe zu sich selbst, zur Familie, zum Vaterland mit der Liebe
zu andern Familien und zu andern Völkern, auf dem Grund der Liebe
zu Gott, dem Vater aller, dem ersten Ursprung und dem letzten Ziel. Sie
trennt nicht die berechtigte Sorge für die zeitlichen von dem Eifer
für die ewigen Güter. Wenn sie die einen den an dem unterordnet
nach dem Wort ihres göttlichen Stifters: "Suchet zuerst das Reich
Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles übrige wird euch zugegeben
werden", so ist sie damit weit entfernt von Interesselosigkeit für
die menschlichen Anliegen, von der Behinderung kulturellen und wirtschaftlichen
Fortschritts, den sie vielmehr auf die vernünftigste und wirksamste
Weise stützt und fördert. Obwohl die Kirche im wirtschaftlichen
Bereich niemals ein bestimmtes System aufgestellt hat, da dieses nicht
ihre Aufgabe ist, hat sie doch klar jene Anhaltspunkte und Richtlinien
festgelegt, die bei entsprechender praktischer Anwendung, je nach den verschiedenen
Bedingungen von Zeit, Land und Volk, den sichern Weg weisen zum glücklichen
Fortschritt der Gesellschaft.
35. Die Weisheit und die größte Nützlichkeit dieser
Lehre wird von allen zugegeben, die sie wirklich kennen. Mit gutem Grund
konnten ausgezeichnete Staatsmänner versichern, daß sie nach
dem Studium der verschiedenen sozialen Systeme keines gefunden hätten
von einer größeren Weisheit als die in den Enzykliken Rerum
novarum und Quadragesimo anno entwickelten Grundsätze. Auch in Ländern,
die nicht katholisch und nicht einmal christlich sind, anerkennt man die
Bedeutung der katholischen Soziallehre für die menschliche Gesellschaft.
Noch vor kaum einem Monat hat ein angesehener, keineswegs christlicher
Staatsmann des Fernen Ostens sich nicht gescheut zu erklären, daß
die Kirche mit ihrer Lehre vom Frieden und von christlicher Brüderlichkeit
einen außerordentlich bedeutenden Beitrag liefere zur Erhaltung und
Festigung eines segensreichen Friedens unter den Nationen. Ja selbst
die Kommunisten, Wir wissen das aus zuverlässigen Berichten, die aus
allen Teilen der Welt hier im Mittelpunkt der Christenheit zusammenlaufen,
anerkennen, wenn sie noch nicht ganz verblendet sind, wenn ihnen einmal
die kirchliche Soziallehre auseinandergesetzt wird, ihre Ueberlegenheit
über die Lehren ihrer eigenen Häupter und Meister. Nur die ganz
von Leidenschaft und Haß Verblendeten schließen die Augen vor
dem Licht der Wahrheit und bekämpfen sie hartnäckig.
Ist die Kirche nach ihrer Lehre vorangegangen?
36. Wenn nun auch die Feinde der Kirche gezwungen sind, die Weisheit ihrer Lehre anzuerkennen, so erheben sie gegen die Kirche doch den Vorwurf, ihr Handeln habe nicht im Einklang damit gestanden, und so müßten sie andere Wege suchen. Wie falsch und ungerecht diese Anklage ist, zeigt die ganze Geschichte des Christentums. Um nur einige charakteristische Punkte anzudeuten: so war es das Christentum, das zuerst in einer Art und in einem Ausmaß und mit einer Ueberzeugung, wie man sie bis dahin nicht gekannt hatte, die wahre und allgemeine Brüderschaft aller Menschen, aller Klassen und aller Rassen proklamiert hat. Mächtig hat es dadurch zur Abschaffung der Sklaverei beigetragen, nicht zwar durch blutige Aufstände, wohl aber durch die innere Kraft ihrer Wahrheit, die die stolze römische Patrizierin lehrte, in ihrer Sklavin eine Schwester in Christus zu sehen. Es war das Christentum, das den Sohn Gottes anbetet, der aus Liebe zu den Menschen Mensch geworden ist und sich zu des "Zimmermanns Sohn", ja sogar zum "Zimmermann" gemacht hat. Es war das Christentum, das die Handarbeit zu ihrer wahren Würde erhoben hat, diese einst so gering geschätzte Handarbeit, daß sogar der vorsichtig wägende Tullius Cicero, die allgemeine Anschauung seiner Zeit zusammenfassend, nicht zauderte, jene Worte niederzuschreiben, deren sich jeder Soziologe unserer Tage schämen würde: "Alle Handwerker haben einen verächtlichen Beruf, denn eine Werkstätte kann nichts Ehrenwertes haben".
37. Ihren Grundsätzen getreu hat die Kirche die menschliche Gesellschaft erneuert; unter ihrem Einfluß entstanden die Wunderwerke der Caritas, die mächtigen Zünfte der Handwerker und Arbeiter jeder Art, wohl belächelt als "Mittelalter" vom Liberalismus der verflossenen Jahrhunderts, heute aber wieder Gegenstand der Bewunderung unserer Zeitgenossen, die sich in vielen Ländern bemühen, wenigstens die Grundgedanken davon in irgend einer Form wieder aufleben zu lassen. Mochten auch andere Strömungen die Tätigkeit der Kirche stören und ihren wohltätigen Einfluß hemmen, sie hat nicht aufgehört bis in unsere Tage die Irrenden zurechtzuweisen. Es genüge an die Festigkeit, die Energie und Ausdauer Unseres Vorgängers, des Papstes Leo XIII. zu erinnern, mit der er für den Arbeiter das Koalitionsrecht forderte, das der in den mächtigsten Staaten herrschende Liberalismus ihm hartnäckig zu verweigern suchte. Dieser Einfluß der katholischen Lehre ist auch heute noch stärker, als es äußerlich scheint; er ist groß und gewiß, wenn auch unsichtbar wirkend und nicht leicht meßbar; er kommt von der Ueberlegenheit der Ideen über das Handeln.
38. So darf man der vollen Wahrheit gemäß behaupten, daß die Kirche, Christus ähnlich, allen Wohltaten spendend, durch die Jahrhunderte schreitet. Es gäbe keinen Sozialismus und keinen Kommunismus, wenn die Lenker der Völker die Lehren und die mütterlichen Mahnungen der Kirche nicht verachtet hätten. Statt dessen haben sie auf dem Boden des Laizismus andere soziale Gebäude errichtet. Mächtig und großartig schienen sie anfangs zu sein, aber bald zeigte es sich, daß sie kein tragfähiges Fundament besaßen, und so brachen sie eines nach dem andern elend zusammen, wie denn alles zusammenbrechen muß, was nicht auf dem einzigen Eckstein ruht: Jesus Christus.
Ihre Notwendigkeit
39. Das ist, Ehrwürdige Brüder, die Lehre der Kirche, die einzige, die imstande ist, wie auf jedem andern Gebiet, so auch auf dem sozialen, das wahre Licht zu bringen, die einzige, die Rettung verspricht gegenüber den kommunistischen Ideen. Aber es ist notwendig, daß diese Lehre im Leben ausgeführt wird, nach der Mahnung des Apostels Jakobus: "Seid Vollstrecker des Wortes und nicht bloß Hörer, indem ihr euch selbst täuschet". Was deshalb gegenwärtig vor allem drängt, ist der kraftvolle Einsatz geeigneter Mittel, um wirksam dem bedrohlich sich vorbereitenden Umsturz zu begegnen. Wir haben das feste Vertrauen, daß zum wenigsten jene Leidenschaft, mit der die Söhne der Finsternis Tag und Nacht in ihrer materialistischen und atheistischen Propaganda tätig sind, die Söhne des Lichtes zu einem gleichen heiligen Eifer zu entflammen vermag, ja zu einem noch größeren, zur Ehre der göttlichen Majestät.
40. Was ist also zu tun, und welche Mittel sind anzuwenden, um Christus und die christliche Kultur gegen jenen furchtbaren Feind zu verteidigen? Wie ein Vater im Kreise seiner Familie, so möchten Wir nun vertraulich über die Pflichten sprechen, die der Großkampf unserer Tage den Kindern der Kirche auferlegt, und dabei wollen Wir mit väterlichem Empfinden uns auch an jene wenden, die sich von ihr getrennt haben.
Erneuerung des christlichen Lebens
Hauptheilmittel
41. Wie in allen Zeiten, auch in den sturmbewegtesten der Kirchengeschichte,
so besteht auch heute das entscheidende Heilmittel in einer aufrichtigen
Erneuerung des privaten und des öffentlichen Lebens nach den Grundsätzen
des Evangeliums bei all denen, die sich rühmen, zur Herde Christi
zu gehören, damit sie in Wahrheit das Salz der Erde seien, das die
menschliche Gesellschaft vor der völligen Zersetzung bewahrt.
42. Mit innigstem Dank gegen den Vater des Lichtes, von dem "jede gute
Gabe und jedes vollkommene Geschenk" herabsteigt, erblicken wir überall
tröstliche Zeichen einer geistlichen Erneuerung, nicht bloß
in so vielen besonders auserwählten Seelen, die in diesen letzten
Jahren sich zum Gipfel der höchsten Heiligkeit erhoben haben und darüber
hinaus in einer ständig wachsenden Zahl von Menschen, die hochherzig
dem gleichen leuchtenden Ziel zuschreiten, sondern auch in dem Wiederaufblühen
einer Frömmigkeit der Gesinnung und Tat in allen Kreisen der Gesellschaft,
auch bei den gebildetsten, wie Wir das kürzlich in Unserem Motu proprio
in multis solaciis vom 28. Oktober des letzten Jahres gelegentlich der
Neuordnung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften hervorgehoben
haben.
43. Man kann indes nicht leugnen, daß noch viel zu tun übrig
bleibt auf diesem Wege einer geistlichen Erneuerung. Auch in katholischen
Ländern gibt es noch viel zu viele, die nur dem Namen nach Katholiken
sind; viel zu viele, die wohl mehr oder weniger treu die wesentlichsten
Pflichten der Religion erfüllen, zu der sie sich stolz bekennen, die
sich aber nicht bemühen, sie näher kennenzulernen, ihre Ueberzeugung
zu verinnerlichen und zu vertiefen, noch viel weniger aber dahin zu gelangen,
daß dem äußeren Verhalten der innere Glanz eines guten
und reinen Gewissens entspreche, das alle seine Pflichten kennt und erfüllt
im Hinblick auf Gott, den Allwissenden. Wir wissen, wie sehr der göttliche
Erlöser die leere und trügerische Aeußerlichkeit verabscheut,
Er, der wollte, daß alle den Vater anbeten "im Geiste und in der
Wahrheit". Wer nicht wirklich aufrichtig nach dem Glauben lebt, den er
bekennt, der wird heute, wo der Sturm des Kampfes und der Verfolgung so
mächtig tobt nicht lange standhalten. Er wird elendiglich fortgerissen
von dieser neuen Flut, und während er selber auf solche Weise seinem
eigenen Untergang zustrebt, wird er den christlichen Namen dem Gespötte
preisgeben.
Losschälung von den irdischen Gütern
44. Und hier wollen Wir nun, Ehrwürdige Brüder, mehr im einzelnen
auf zwei Lehren unseres Herrn eingehen, die für die heutige Lage der
Menschheit von besonderer Bedeutung sind: die Losschälung von den
irdischen Gütern und das Gebot der Liebe. "Selig die Armen im Geiste",
das waren die ersten Worte unseres göttlichen Meisters in seiner Bergpredigt.
Dieser Lehre bedarf mehr als je diese Zeit des Materialismus, die sich
gierig auf die Güter und die Freuden dieser Erde stürzt. Alle
Christen, ob reich, ob arm, müssen immer ihren Blick auf den Himmel
gerichtet halten, eingedenk der Worte, daß wir "hier keine bleibende
Stätte haben, sondern eine zukünftige suchen". Die Reichen sollen
nicht ihr Glück auf die Schätze dieser Erde gründen, noch
ihre besten Kräfte auf ihren Erwerb richten. Vielmehr sollen sie sich
bloß als Verwalter betrachten, die wissen, daß sie einmal davon
Rechenschaft ablegen müssen vor dem höchsten Herrn, und ihre
Güter nur als kostbare Mittel betrachten, die Gott ihnen geschenkt
hat, auf daß sie Gutes damit wirken; sie mögen ferner nicht
aufhören, von ihrem Ueberfluß den Armen abzugeben, wie
das Evangelium es befiehlt. Sonst wird sich an ihnen und an ihren Reichtümern
das ernste Wort des heiligen Apostels Jakobus erfüllen: "Nun denn,
ihr Reichen, weinet und heulet in den Drangsalen, die über euch kommen.
Vermodert ist ja euer Reichtum, und eure Kleider sind zerfressen von den
Motten. Euer Gold und Silber ist verrostet; es wird ihr Rost noch gegen
euch zeugen und euern Leib wie Feuer fressen. Reichtümer des Zornes
habt ihr gesammelt für den Jüngsten Tag!"
45. Aber auch die Armen müssen ihrerseits, wenn sie sich das Notwendige
nach den Gesetzen der Liebe und der Gerechtigkeit erwerben und auch, wenn
sie an die Verbesserung ihrer Lage denken, "Arme im Geiste" bleiben, die
geistlichen Güter höher schätzen als die Güter und
Freuden dieser Welt. Sie mögen dann nicht vergessen, daß es
niemals
gelingen wird, Elend, Schmerz und Trübsal von dieser Erde zu verdrängen,
leiden doch auch jene darunter, denen dem äußern Anschein nach
ein so viel glücklicheres Los zugefallen ist. Und so bedürfen
alle der Geduld, jener christlichen Geduld, die das Herz erhebt zu den
göttlichen Verheißungen eines ewigen Glückes: "Seid daher
geduldig, Brüder, bis der Herr kommt", sagen Wir euch wiederum mit
dem heiligen Jakobus, "Siehe, auch der Landmann wartet auf die köstliche
Frucht dieser Erde. Er wartet in Geduld, bis er den Frühregen und
den Spätregen erhalten hat. Seid daher auch ihr geduldig, und richtet
eure Herzen auf, denn die Ankunft des Herrn ist nahe." Nur so wird sich
die tröstliche Verheißung des Herrn erfüllen: "Selig die
Armen!" Das ist ein Trost und eine Verheißung, nicht leer, wie es
die Versprechungen der Kommunisten sind; vielmehr sind es Worte des Lebens,
die vollste Wirklichkeit enthalten und sich restlos erfüllen werden
hier auf Erden und später in der Ewigkeit. Wie viele Arme finden tatsächlich
in diesen Worten und in der Erwartung des Himmelreiches, das ja bereits
als ihr Eigentum verkündet worden ist: "denn ihrer ist das Gottesreich",
ein Glück, wie es viele Reiche in ihrem Reichtum nicht finden, sind
sie doch immer unruhig und dürsten sie doch immer nach mehr.
Christliche Liebe
46. Wichtiger noch oder gewiß noch unmittelbarer für die
Heilung des Uebels bestimmt, von dem Wir handeln, ist das Gebot der Liebe.
Wir denken an jene christliche Liebe, die "geduldig und gütig" ist,
die jegliche gönnerhafte Herablassung und jegliches Aufsehen meidet;
diese Liebe, die seit den Anfängen des Christentums die Aermsten der
Armen, die Sklaven, für Christus gewann. Wir danken allen jenen,
die in den Einrichtungen der Caritas, angefangen von den Konferenzen des
heiligen Vinzenz von Paul bis zu den großen neueren Organisationen
der sozialen Hilfe die Werke der leiblichen und der geistlichen Barmherzigkeit
geübt haben und die noch darin tätig sind. Je mehr die Arbeiter
und Armen an sich selbst erfahren, was es ist um den Geist einer in Christus
für sie tätigen Liebe, um so mehr werden sie von dem Vorurteil
befreit werden, es habe das Christentum seine Kraft verloren und es stehe
die Kirche auf Seite derer, die ihre Arbeit ausbeuten.
47. Sehen Wir aber einerseits eine Masse von Bedürftigen, die
von einem Elend, an dem sie ganz unschuldig sind, im eigentlichen Sinne
zu Boden gedrückt sind, und anderseits neben ihnen so viele, die sich
leichtsinnigen Vergnügungen überlassen und ungeheure Summen verschwenden,
so müssen Wir schmerzerfüllt feststellen, daß man nicht
nur von der Gerechtigkeit abgewichen ist, sondern daß auch das Gebot
der christlichen Liebe nicht in seiner Tiefe erfaßt und nicht praktisch
gelebt wird Tag für Tag. Wir wünschen daher, Ehrwürdige
Brüder, daß dieses göttliche Gebot in Wort und Schrift
mehr und mehr erläutert werde; es ist doch das kostbare Erkennungszeichen,
das Christus seinen echten Jüngern hinterlassen hat. Dieses Gebot
lehrt uns, in den Leidenden Christus selbst zu sehen. Es befiehlt uns,
unsere Brüder zu lieben, so wie der göttliche Erlöser uns
geliebt hat, also bis zum Opfer unserer selbst, und wenn es sein soll,
auch des eigenen Lebens. Es mögen dann alle oftmals jene teils tröstenden,
andernteils aber furchtbaren Worte des Endurteils betrachten, die der höchste
Richter am Tage des letzten Gerichtes sprechen wird: "Kommet ihr Gesegneten
meines Vaters ... ; denn ich war hungrig, und ihr habt mich gespeist; ich
war durstig, und ihr habt mich getränkt ... Wahrlich, ich sage euch,
alles, was ihr dem geringsten meiner Brüder getan, das habt ihr mir
getan. Im Gegensatz aber dazu: "Weichet von mir, ihr Verfluchten, ins ewige
Feuer ... ; denn ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist; ich
war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt ... Wahrlich, ich sage
euch, was ihr dem geringsten meiner Brüder nicht getan, das habt ihr
mir nicht getan".
48. Um also das ewige Leben sicherzustellen und um tatsächlich
den Bedürftigen wirksame Hilfe leisten zu können, muß man
zurückkehren zu einer bescheidenen Lebensform. Man muß lernen
auf Genüsse zu verzichten, die oft genug auch sündhaft sind,
wie die Welt sie heute im Ueberfluß bietet. Man muß sich selbst
vergessen in der Liebe zum Nächsten. Eine göttliche Kraft der
Wiedergeburt liegt in diesem "neuen Gebot" der christlichen Liebe (wie
Christus es nennt). Seine treue Beobachtung wird in die Herzen einen inneren
Frieden gießen, wie die Welt ihn nicht kennt, und wirksam die Uebel
heilen, an denen die Menschheit krankt.
Pflichten der strengen Gerechtigkeit
49. Niemals aber wird die Liebe echt sein, wenn sie nicht stets auch
der Gerechtigkeit genügt. Der Apostel lehrt: "Wer seinen Nächsten
liebt, hat das Gesetz erfüllt", und er begründet das auch; denn
"Du sollst nicht Unzucht treiben, du sollst nicht töten, du sollst
nicht stehlen ... und jedwedes andere Gebot ist in dem einen Wort zusammengefaßt:
Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst". Wenn also nach
dem Apostel alle Pflichten auf das eine Gebot der wahren Liebe zurückgehen,
dann auch jene, die von der strengen Gerechtigkeit gefordert werden, wie
z. B. nicht töten, nicht stehlen. Eine Liebe, die dem Arbeiter den
Lohn vorenthält, auf den er ein strenges Recht hat, ist keine Liebe,
sondern nur ein eitles Wort und ein leerer Schein von Liebe. Der Arbeiter
hat es nicht nötig, als Almosen zu empfangen, was ihm von Rechts wegen
zusteht. Es geht auch nicht an, sich von den schweren Pflichten der Gerechtigkeit
freikaufen zu wollen durch kleine Gaben der Barmherzigkeit. Liebe und
Gerechtigkeit legen Pflichten auf, die oft die gleiche Sache betreffen,
aber unter verschiedenem Gesichtspunkt. Die Arbeiter sind hinsichtlich
der Pflichten anderer ihnen gegenüber mit Recht sehr feinfühlig,
haben doch auch sie ihre Würde.
50. Deshalb wenden Wir uns in besonderer Weise an Euch, christliche
Arbeitgeber und Unternehmer, deren Aufgabe oft so schwierig ist. Ihr
seid ja noch belastet mit dem Erbe von Irrtümern einer ungerechten
Wirtschaftsführung, die ihren zersetzenden Einfluß Generationen
hindurch ausgeübt hat. Seid eingedenk eurer Verantwortung! Leider
ist es wahr, daß auch das Verhalten gewisser katholischer Kreise
dazu beigetragen hat, das Vertrauen des arbeitenden Volkes zur Religion
Jesu Christi zu erschüttern. Diese wollten nicht begreifen, daß
die christliche Nächstenliebe auch die Anerkennung gewisser Rechte
verlangt, die dem Arbeiter zustehen und die ihm die Kirche ausdrücklich
zuerkannt hat. Was soll man dazu sagen, daß irgendwo katholische
Arbeitgeber die Verlesung der Enzyklika Quadragesimo anno in ihren Patronatskirchen
zu verhindern wußten? Was soll man dazu sagen, daß katholische
Arbeitgeber bis auf den heutigen Tag sich als Feinde einer von Uns selbst
befürworteten christlichen Arbeiterbewegung bewiesen haben? Und
ist es nicht beklagenswert, daß das Recht auf Eigentum, das die Kirche
anerkennt, mitunter dazu benutzt wurde, um den Arbeiter um seinen gerechten
Lohn und um seine sozialen Rechte zu bringen?
Die soziale Gerechtigkeit
51. In der Tat gibt es außer der strengen ausgleichenden Gerechtigkeit,
die ihrerseits Pflichten auferlegt, denen sich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer
entziehen können. Es ist gerade der sozialen Gerechtigkeit eigen,
von den einzelnen all das zu fordern, was zum Gemeinwohl notwendig ist,
wenn man nicht den einzelnen Teilen und den einzelnen Gliedern all das
zugesteht, was sie für die Ausübung ihrer Funktionen brauchen,
so kann auch für den sozialen Organismus und für das Wohl der
ganzen Gesellschaft nicht hinreichend gesorgt werden, wenn man nicht den
einzelnen Teilen und den einzelnen Gliedern, d. h. Menschen, die mit der
Würde der Persönlichkeit ausgestattet sind, all das gibt, was
sie für ihre sozialen Funktionen vonnöten haben. Wenn ebenfalls
den Forderungen der sozialen Gerechtigkeit Genüge getan wird, so entwickelt
sich als Frucht in Ruhe und Ordnung eine gesteigerte Tätigkeit auf
dem ganzen Gebiete des wirtschaftlichen Lebens und wird so die Gesundheit
des sozialen Organismus zeigen, wie ja auch die Gesundheit des menschlichen
Körpers an einer ungestörten und doch vollen und fruchtreichen
Tätigkeit des ganzen Organismus erkannt wird.
52. Man wird jedoch nicht sagen können, der sozialen Gerechtigkeit
sei Genüge geschehen, wenn dem Arbeiter nicht der eigene Unterhalt
und der seiner Familie gesichert ist durch einen Lohn, der diesem Zweck
entspricht; wenn man, um dem Unglück eines allgemeinen Pauperismus
vorzubeugen, es ihm nicht leicht macht, ein bescheidenes Vermögen
zu erwerben; wenn man nicht vorsorgt zu seinen Gunsten, sei es durch öffentliche
oder private Versicherungen, für die Zeit des Alters, der Krankheit
oder der Beschäftigungslosigkeit. Mit einem Wort, um zu wiederholen,
was Wir in Unserer Enzyklika Quadragesimo anno gesagt haben: "Dann erst
besteht eine wirkliche, ihren Sinn erfüllende Volkswirtschaft, wenn
allen Gliedern des Wirtschaftsvolkes alle die Güter zur Verfügung
stehen, die nach dem Stande der Ausstattung mit natürlichen Hilfsquellen,
der Produktionstechnik und der gesellschaftlichen Organisation des Wirtschaftslebens
geboten werden können. So reichlich sollten sie bemessen sein, daß
sie nicht bloß zur lebensnotwendigen und sonstigen ehrbaren Bedarfsbefriedigung
ausreichen, sondern den Menschen die Entfaltung eines veredelten Kulturlebens
ermöglichen, das, im rechten Maße genossen, dem tugendlichen
Leben nicht nur nicht abträglich, sondern im Gegenteil förderlich
ist."
53. Wenn sodann, wie es immer häufiger in der Lohnfrage vorkommt,
die einzelnen nicht mehr imstande sind, der Gerechtigkeit zu genügen,
es sei denn, daß sich alle verständigen, sie gemeinsam zu üben
mittels Einrichtungen, welche die Arbeitgeber untereinander verbinden sollen,
um so einen Konkurrenzkampf untereinander zu vermeiden, der unvereinbar
wäre mit der den Arbeitern geschuldeten Gerechtigkeit, so ist es Pflicht
der Unternehmer und Arbeitsherren, solche notwendigen Einrichtungen zu
unterhalten und zu fördern, weil sie dann das normale Mittel zur Erfüllung
der Gerechtigkeit werden. Aber auch die Arbeiter mögen der Pflichten
der Liebe und der Gerechtigkeit gegenüber ihren Arbeitgebern eingedenk
bleiben und überzeugt sein, daß sie damit auch ihre eigenen
Interessen besser schützen.
54. Wenn man sodann das Ganze des Wirtschaftslebens in Betracht zieht
- wie Wir das in dem schon erwähnten Rundschreiben Quadragesimo anno
getan haben -, so wird es unmöglich sein, das gegenseitige Zusammenwirken
von Gerechtigkeit und Liebe in den wirtschaftlich-sozialen Beziehungen
zur Herrschaft zu bringen, es sei denn mit Hilfe einer Körperschaft
von beruflichen und zwischenberuflichen Institutionen auf christlicher
Grundlage, die untereinander verbunden sind und unter je nach Ort und
Umständen verschiedenen Formen eben das bilden, was man eine Korporation
nennt.
Studium und Verbreitung der Soziallehre
55. Um dieser sozialen Aktion einen größeren Erfolg zu sichern,
ist es dringend notwendig, das Studium der sozialen Probleme im Lichte
der Lehre der Kirche zu fördern und die Unterweisungen in derselben
unter der Leitung der von Gott in der Kirche eingesetzten Autorität
zu verbreiten. Wenn das Verhalten mancher Katholiken auf wirtschaftlich-sozialem
Gebiet zu wünschen übrig ließ, so kam das häufig daher,
daß sie die Lehren der Päpste über diesen Gegenstand nicht
genügend gekannt und erwogen haben. Daher ist es äußerst
notwendig, daß in allen Gesellschaftskreisen jene tiefere den verschiedenen
Kulturstufen entsprechende Sozialbildung gefördert werde, und daß
mit allem Eifer und Fleiß für die möglichste Verbreitung
der sozialen Lehren der katholischen Kirche auch in der Arbeiterklasse
gesorgt werde. Es mögen die Menschen erleuchtet werden durch das sichere
Licht der katholischen Lehre und ihr Wille geneigt, sie auszuführen
und anzuwenden als eine Norm richtiger Lebensführung. So werden sie
dann jenen inneren Widersprüchen und dem Mangel an Folgerichtigkeit
im christlichen Leben, den Wir mehrfach beklagt haben, entgegenwirken;
denn manche führen, während sie anscheinend ihre religiösen
Pflichten treu erfüllen, dennoch auf dem Gebiete der Arbeit, der Industrie,
des Berufes, des Handels, ihres Amtes in beklagenswertem doppeltem Gewissen
ein Leben, das den so klaren Normen der christlichen Gerechtigkeit und
Liebe allzusehr widerspricht. So werden sie zu einem schweren Aergernis
für die Schwachen im Glauben und geben den Bösen leicht eine
Handhabe, die Kirche selber deshalb in Verruf zu bringen.
56. Einen wichtigen Beitrag zu dieser Erneuerung kann die katholische
Presse leisten. Sie kann und muß in erster Linie auf mannigfaltige
und anziehende Weise dafür sorgen, daß die Soziallehre immer
besser verstanden werde. Sie soll sachlich genau, aber auch mit hinreichender
Ausführlichkeit über die Tätigkeit der Feinde unterrichten
und die Kampfmittel darlegen, die sich in verschiedenen Ländern als
die wirksamsten erwiesen haben. Sie soll gute Ratschläge erteilen
und warnen vor den Listen und Schlichen, mit denen die Kommunisten gutgläubige
Menschen nicht ohne Erfolg herüberzuziehen suchen.
Schutz vor den Schlichen des Kommunismus
57. Auf diesen Punkt haben Wir schon bei Unserer Allokution vom 12.
Mai des vergangenen Jahres bestanden. Wir halten es aber für nötig,
Ehrwürdige Brüder, aufs neue in besonderer Weise Eure Aufmerksamkeit
darauf hinzulenken. Im Anfang zeigte sich der Kommunismus, wie er war,
in seiner ganzen Verruchtheit. Bald aber schon wurde er gewahr, daß
er auf solche Weise sich die Völker entfremde, und so änderte
er seine Taktik und versucht nun die Massen zu ködern mit verschiedenen
Täuschungen, indem er seine wahren Absichten hinter Ideen verbirgt,
die an und für sich gut sind und anziehend. So beobachten die Häupter
des Kommunismus etwa das allgemeine Verlangen nach Frieden und geben
sich daher so, als wären sie die eifrigsten Förderer und Propagandisten
der Weltfriedensbewegung; zur gleichen Zeit aber schüren sie einen
Klassenkampf, bei dem Ströme von Blut vergossen werden, und da
sie wohl fühlen, daß sie innere Garantien des Friedens nicht
besitzen, so nehmen sie ihre Zuflucht zu unbegrenzten Rüstungen. So
gründen sie unter Benennungen, die auf den Kommunismus nicht einmal
anspielen, Vereinigungen und Zeitschriften, die dann einzig dazu dienen,
ihre Ideen in Kreise zu bringen, die ihnen sonst nicht leicht zugänglich
sind. Ja, sie suchen sogar durch Trug und List in katholische und religiöse
Vereinigungen einzudringen. So laden sie, ohne auch nur irgendwie von
ihren ruchlosen Grundsätzen abgehen, die Katholiken ein, mit ihnen
auf dem sogenannten humanitären und caritativen Gebiet zusammenzuarbeiten
und machen gelegentlich Vorschläge, die in allem dem christlichen
Geist und der Lehre der Kirche entsprechen. Anderswo verbreiten sie mit
heuchlerischer Miene die Meinung, daß der Kommunismus in Ländern
mit tieferem Glauben und höherer Kultur eine andere, mildere Form
annehmen werde, daß er den religiösen Kult nicht behindern und
daß er die Gewissensfreiheit achten werde. Es gibt sogar solche,
die sich auf gewisse, jüngst in der Gesetzgebung der Sowjetunion eingeführte
Aenderungen berufen, um daraus den Schluß zu ziehen, der Kommunismus
sei daran, seinen grundsätzlichen Kampf aufzugeben.
58. Sorget dafür, ehrwürdige Brüder, daß sich
die Gläubigen nicht täuschen lassen! Der Kommunismus ist in seinem
innersten Kern schlecht, und es darf sich auf keinem Gebiet mit ihm
auf Zusammenarbeit einlassen, wer immer die christliche Kultur retten will.
Und wenn manche Getäuschte zum Siege des Kommunismus in ihrem Lande
beitragen würden, gerade sie werden als erste Opfer ihres Irrtums
fallen. Je mehr ein Land, in das sich der Kommunismus einzuschleichen weiß,
durch Alter und Größe seiner christlichen Kultur hervorragt,
um so verheerender wird sich in ihm der Haß der Leute "ohne Gott"
austoben.
Gebet und Buße
59. "Wenn der Herr das Haus nicht bewacht, so wacht umsonst der Wächter!" Darum empfehlen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, ein letztes und mächtigstes Hilfsmittel: fördert und vertieft aufs wirksamste in Euren Bistümern den Geist des Gebetes, verbunden mit der christlichen Buße. Als die Apostel den Heiland fragten, warum sie einen Besessenen vom bösen Geiste nicht befreien konnten, antwortete der Herr: "Diese Art von Dämonen läßt sich nicht austreiben, es sei denn mit Gebet und Fasten." Auch das Uebel, das heute die Menschheit quält, kann nur überwunden werden durch einen allgemeinen Kreuzzug von Gebet und Buße. Wir empfehlen besonders den beschaulichen Orden beiderlei Geschlechtes, ihre Gebete und ihre Opfer zu verdoppeln, um vom Himmel für die Kirche starke Hilfe im gegenwärtigen Kampf zu erflehen durch die mächtige Fürsprache der Unbefleckten Jungfrau. Wie sie einst den Kopf der alten Schlange zertreten hat, so ist sie immerdar die sichere Schützerin und die unbesiegbare "Hilfe der Christen".
5. Organe und Hilfskräfte für das Sozialwerk der Kirche
Die Priester
60. Für das Werk der Rettung der Welt, das Wir soeben umrissen,
und für die Anwendung der Heilmittel, die Wir kurz angegeben haben,
sind nach dem Evangelium Organe und Helfer vom göttlichen König
Jesus Christus selbst dazu bestimmt, in erster Linie die Priester. Ihnen
ist, kraft besonderen Berufes, unter der Führung ihrer Oberhirten
und in kindlich folgsamer Vereinigung mit dem Stellvertreter Christi auf
Erden, die Aufgabe anvertraut, in der Welt die Fackel des Glaubens brennend
zu erhalten und in die Herzen der Gläubigen jenes übernatürliche
Vertrauen zu senken, mit dem die Kirche im Namen Christi so viele Schlachten
geschlagen und so viele Siege errungen hat: "Das ist der Sieg, der die
Welt überwindet, unser Glaube."
61. Mit besonderem Nachdruck rufen Wir den Priestern die so oft wiederholte
Mahnung Unseres Vorgängers Leos XIII. ins Gedächtnis zurück,
zum
Arbeiter zu gehen. Wir machen die Mahnung zur Unsern und ergänzen
sie: "Gehet zum Arbeiter, vor allem zum armen Arbeiter, und überhaupt,
gehet zu den Armen" und befolget so die Lehre Jesu und seiner Kirche. Die
Armen sind ja in der Tat den Nachstellungen der Aufwiegler besonders ausgesetzt,
die ihre Notlage ausnützen, um den Neid gegen die Reichen bei ihnen
zu erregen und sie dahin zu bringen, daß sie sich mit Gewalt nehmen,
was ihnen das Glück ungerechterweise versagt zu haben scheint. Wenn
der Priester nicht zu den Arbeitern und zu den Armen geht, um ihnen die
Augen zu öffnen und sie vor Vorurteilen und falschen Theorien zu bewahren,
so werden sie leicht eine Beute der Sendlinge des Kommunismus.
62. Wir können nicht leugnen, daß in dieser Richtung schon
viel geschehen ist, besonders seit dem Erscheinen der Rundschreiben Rerum
novarum und Quadragesimo anno. Mit väterlichem Wohlgefallen begrüßen
Wir die eifrigen seelsorglichen Priester, die - Wir hoffen, immer mit der
notwendigen Klugheit - neue Methoden des Apostolates ersinnen und erproben,
die den Forderungen unserer Zeit mehr entsprechen. Alles das aber ist noch
zu wenig der gegenwärtigen Aufgabe gegenüber. Gleichwie, wenn
das Vaterland in Gefahr ist, alles das, was nicht unumgänglich nötig
und nicht unmittelbar auf die dringende Aufgabe der gemeinsamen Verteidigung
gerichtet ist, erst in zweiter Linie kommt, so muß auch in unserem
Falle jedes andere Werk, sei es noch so schön und gut, zurücktreten
vor der lebenswichtigen Notwendigkeit, die Grundlagen des Glaubens und
der christlichen Kultur selber zu retten. Daher mögen die Priester
in den Pfarreien, natürlich unbeschadet dessen, was die gewöhnliche
Seelsorge betrifft, den größeren und besseren Teil ihrer
Kräfte und ihrer Tätigkeit darauf verwenden, die Massen der Arbeiter
für die Kirche und für Christus zurückzugewinnen und
jene Kreise mit dem Geiste des Christentums zu durchdringen, die ihn am
wenigsten besitzen. Sie werden in den Massen des Volkes ein Entgegenkommen
und eine so über Erwarten reiche Ernte finden, daß dies ein
Lohn sein wird für die großen Anfangsschwierigkeiten. So sahen
und sehen Wir es in Rom und in vielen anderen Hauptstädten, daß
sich, sobald in den Außenvierteln neue Kirchen entstehen, eifrige
Pfarrgemeinden bilden und wahre Wunder der Bekehrung gerade in solchen
Schichten der Bevölkerung geschehen, die früher der Religion,
einzig weil sie sie nicht kannten, feindlich gesinnt waren.
63. Das wirksamste Mittel des Apostolates unter den Massen der Armen
und Niedrigen ist indessen das Beispiel des Priesters, das Beispiel aller
priesterlichen Tugenden, wie Wir sie in dem Rundschreiben Ad catholici
sacerdotii beschrieben haben. Für den gegenwärtigen Fall bedarf
es insbesondere des leuchtenden Beispiels eines demütigen, armen,
selbstlosen Lebens, eines treuen Nachbildes des göttlichen Meisters,
der mit göttlichem Freimut sagen konnte: "Die Füchse haben ihre
Höhlen und die Vögel des Himmels ihre Nester, des Menschen Sohn
aber hat nichts, wohin er sein Haupt legen könnte. Ein Priester von
wahrhaft evangelischer Armut und Selbstlosigkeit wirkt Wunder des Guten
inmitten des Volkes, wie ein heiliger Vinzenz von Paul, ein Pfarrer von
Ars, ein Cottolengo, ein Don Bosco und so viele andere, während ein
geiziger und selbstsüchtiger Priester, wie Wir es in der genannten
Enzyklika in Erinnerung gerufen haben, auch wenn er sich nicht wie Judas
in den Abgrund des Verrates stürzt, zum wenigsten ein "tönendes
Erz" und eine unnütze "klingende Schelle" ist, nur zu häufig
eher ein Hindernis als ein Werkzeug der Gnade im Volke. Und wenn ein Welt-
oder Ordenspriester pflichtgemäß mit der Verwaltung zeitlicher
Güter zu tun hat, so soll er sich erinnern, daß er nicht nur
ängstlich darauf bedacht sein soll, die Pflichten der Liebe und der
Gerechtigkeit zu erfüllen, sondern daß er sich auch in besonderer
Weise wahrhaft als Vater der Armen zeigen muß.
Die Katholische Aktion
64. Nach dem Klerus wenden Wir nun Unsere väterliche Einladung
an die geliebtesten Söhne aus dem Laienstande, die in den Reihen jener
Uns so teuren Katholischen Aktion kämpfen, die Wir schon bei anderer
Gelegenheit als "ein besonderes Werkzeug der Vorsehung" für die Arbeit
der Kirche in diesen schweren Zeitläuften erklärt haben. Tatsächlich
ist die Katholische Aktion auch ein echt soziales Apostolat, insofern sie
dahin strebt, das Reich Christi nicht nur im einzelnen, sondern auch in
Familie und Gesellschaft auszubreiten. Sie muß mithin vor allem darauf
bedacht sein, ihre Mitglieder sorgfältigst auszubilden und zu rüsten
für die heiligen Schlachten des Herrn. Eine solche Schulung, dringlicher
und notwendiger denn je, muß stets der unmittelbar eingreifenden
praktischen Arbeit vorausgehen. Ihr sollen dienen Studienzirkel, soziale
Wochen, zusammenhängende Kurse von Vorträgen und alle Unternehmungen
dieser Art, die geeignet sind, die Kenntnis der christlichen Lösung
der sozialen Frage zu vermitteln.
65. Sind die Kämpfer der Katholischen Aktion auf diese Weise ausgebildet
und geschult, so werden sie die ersten und nächsten Apostel ihrer
Kollegen sein und wertvolle Hilfskräfte des Priesters werden, um das
Licht der Wahrheit weiter zu tragen und die schweren materiellen und geistigen
Nöte zu lindern in zahllosen Bereichen, die die Tätigkeit des
Dieners Gottes, sei es aus eingewurzelten Vorurteilen gegen den Klerus,
sei es aus beklagenswerter religiöser Gleichgültigkeit, ablehnen.
So wird man unter der Leitung von Priestern, die darin eine besondere Erfahrung
haben, zusammenarbeiten bei der religiösen Betreuung der arbeitenden
Klassen, die uns so sehr am Herzen liegt; das ist das geeignetste Mittel,
um diese Unsere geliebten Söhne vor der kommunistischen Verführung
zu bewahren.
66. Außer diesem individuellen Apostolat, das oft verborgen ist,
aber über die Maßen nutzbringend und wirksam, gehört es
zum Aufgabenkreis der Katholischen Aktion, mit mündlicher und schriftlicher
Propaganda in weitesten Schichten jene fundamentalen Prinzipien zu verbreiten,
die dem Aufbau einer christlichen Sozialordnung dienen, wie sie sich aus
den päpstlichen Erlassen ergeben.
Hilfsorganisationen
67. Um die Katholische Organisation scharen sich die Organisationen, die Wir schon als deren Hilfstruppen willkommen geheißen haben. Auch diese so nutzreichen Verbände ermuntern Wir mit väterlicher Liebe, sich der großen Aufgabe, von der Wir handeln, zu widmen, die heute alle andern an lebenswichtiger Bedeutung überragt.
Standesorganisationen
68. Ebenfalls denken Wir an jene Standesorganisationen der Arbeiter,
der Bauern, Ingenieure, Aerzte, Unternehmer, Studenten und anderer, Männer
und Frauen, die unter gleichartigen kulturellen Bedingungen leben und von
der Natur selber zu gleichartigen Gruppen zusammengeführt sind. Gerade
diese Gruppen und Organisationen sind berufen, jene Ordnung in der Gesellschaft
einzuführen, die Wir in Unserm Rundschreiben Quadragesimo anno im
Auge hatten, und so die Anerkennung des Königtums Christi in den verschiedenen
Bereichen der Kultur und der Arbeit zu verbreiten.
69. Wenn der Staat es bei den veränderten Bedingungen des wirtschaftlichen
und des sozialen Lebens für seine Pflicht achtet hat, solche Einrichtungen
durch besondere gesetzliche Bestimmungen zu beaufsichtigen und zu regulieren,
unter schuldiger Rücksichtnahme allerdings auf die Freiheit und die
Privatinitiative, so darf auch unter solchen Umständen die Katholische
Aktion sich nicht der Wirklichkeit entfremden, sie muß vielmehr weise
ihren Beitrag leisten an Gedanken durch das Studium der neuen Probleme
im Lichte der katholischen Lehre und an Aktivität durch redliche und
freudige Mitarbeit ihrer Mitglieder an den neuen Formen und Einrichtungen.
So wird sie den Geist des Christentums in sich hineintragen, der immer
das Fundament der Ordnung und der gegenseitigen und brüderlichen Zusammenarbeit
bleibt.
Aufruf an die katholischen Arbeiter
70. Ein Wort besonderer väterlicher Zuneigung möchten Wir hier an unsere lieben katholischen Arbeiter, die jungen und die alten, richten, die, vielleicht als Lohn für ihre oftmals heroische Treue in so schweren Zeiten, eine besonders edle und schwere Sendung erhalten haben. Unter der Führung ihrer Bischöfe und ihrer Priester müssen sie zu Kirche und Gott zurückführen jene ungeheuren Massen ihrer Brüder in der Arbeit, die, erbittert darüber, daß man sie nicht verstanden und nicht mit jener Achtung behandelt hat, auf die sie ein Recht hatten, sich von Gott entfernt haben. Die katholischen Arbeiter mögen durch ihr Beispiel und durch ihr Wort diesen ihren irrenden Brüdern beweisen, daß die Kirche eine zarte Mutter aller derer ist, die arbeiten und leiden, und daß sie nie aufgehört hat und nie aufhören wird, ihrer heiligen mütterlichen Pflicht gemäß ihre Kinder zu schützen. Wenn diese Mission, die sie erfüllen müssen in den Bergwerken, in den Fabriken, auf den Werften, und wo immer sie arbeiten, gelegentlich große Opfer fordert, dann werden sie sich an den Erlöser der Welt erinnern, der uns nicht bloß das Beispiel der Arbeit gegeben hat, sondern auch das des Opfers.
Notwendigkeit der Eintracht unter den Katholiken
71. Sodann möchten Wir alle Unsere Söhne aus allen sozialen Schichten, aus jeder Nation, aus jeder Gruppe von Gottgeweihten und Laien in der Kirche einen neuen und dringlicheren Appell zur Einigkeit richten. Schon oft ist Unser väterliches Herz schmerzlich berührt worden von den Spaltungen, oft geringfügig in ihren Ursachen, immer aber tragisch in ihren Folgen, welche Söhne der gleichen Mutter, der Kirche, zu Feinden untereinander machen. Man muß es dann mitansehen, wie die Umstürzler, oft nicht einmal sonderlich zahlreich, diesen Streit ausnutzen, ihn noch zu verschärfen suchen und schließlich die Katholiken selbst zur Bekämpfung der einen durch die andern bringen. Nach den Ereignissen der letzten Monate sollte eigentlich Unsere Mahnung überflüssig erscheinen. Wir wiederholen sie dennoch für jene, die sie noch nicht begriffen haben, oder die sie vielleicht nicht begreifen wollen. Jene, die daran arbeiten, die Spaltungen unter den Katholiken zu vermehren, laden eine furchtbare Verantwortung auf sich vor Gott und der Kirche.
Aufruf an alle Gottgläubigen
72. Aber in diesem Kampf, der von den Mächten der Finsternis sogar gegen die Gottesidee entfacht wurde, möchten Wir die tröstliche Hoffnung hegen, daß außer denen, die sich des Namens Christi rühmen, auch alle jene starken Widerstand leisten - und es ist die weitaus größere Mehrzahl der Menschen - die noch an Gott glauben und ihn anbeten. Wir erneuern daher den Aufruf, den Wir schon vor fünf Jahren in Unserem Rundschreiben Caritate Christi an sie gerichtet haben, daß auch sie aufrichtigen Herzens mithelfen, "um von der Menschheit die große Gefahr fernzuhalten, die alle bedroht". Da - wie Wir damals ausführten - "der Glaube an Gott das unzerstörbare Fundament jeder sozialen Ordnung und jeder Verantwortlichkeit auf Erden ist, deshalb müssen wir alle jene, welche die Anarchie und den Terror ablehnen, tatkräftig mitwirken, damit die Feinde der Religion nicht das Ziel erreichen, das von ihnen so offen verkündigt wird".
6. Pflichten des christlichen Staates
Hilfe für die Kirche
73. Wir haben, Ehrwürdige Brüder, die positive Aufgabe dargelegt,
sowohl nach der lehrhaften als nach der praktischen Seite hin, die die
Kirche auf sich nimmt auf Grund eben jener Sendung, die ihr von Christus
anvertraut ist, die menschliche Gesellschaft aufzubauen und, was unsere
Zeiten betrifft, die Macht des Kommunismus zu bekämpfen und zu brechen.
Und wir haben die Klassen der Gesellschaft, alle zusammen und jede einzeln,
aufgerufen. Zu dieser gleichen geistigen Aufgabe der Kirche muß der
christliche Staat positiv das Seine beitragen, indem er sie dabei mit den
ihm eigenen Mitteln unterstützt, die gewiß äußerlicher
Natur sind, nichtsdestoweniger aber letztlich auf das Heil der Seelen abzielen.
74. So müssen denn die Staaten alles tun, um zu verhindern, daß
eine gottlose Propaganda, die alle Fundamente der Ordnung umkehrt, in ihren
Händen Unheil anrichtet; denn es gibt keine Autorität auf Erden
ohne Anerkennung der Autorität der göttlichen Majestät;
es wird kein Eid mehr Geltung haben, wenn er nicht geschworen wird im Namen
des lebendigen Gottes. Wir wiederholen hier, was Wir oft und mit solchem
Nachdruck gesagt haben, vor allem in der Enzyklika Caritate Christi: "Wie
können Verträge Bestand haben, wie Abmachungen bindende Kraft
besitzen, wo es keine Garantie durch das Gewissen gibt? Kann überhaupt
noch von einer Garantie durch das Gewissen die Rede sein, wo jeder Gottesglaube
und jede Gottesfurcht geschwunden ist? Zerstört diese Grundlage! -
und jedes Sittengesetz fällt mit ihr. Kein Mittel vermag mehr dem
stufenweise fortschreitenden, unvermeidlichen Verderben der Völker,
der Familien, des Staates, ja der menschlichen Kultur Einhalt zu gebieten."
Maßnahmen für das Gemeinwohl
75. Ferner muß der Staat alle Sorge darauf verwenden, um jene materiellen Lebensbedingungen zu schaffen, ohne die eine geordnete Gesellschaft nicht bestehen kann. Er muß Arbeit beschaffen, besonders für die Familienväter und für die Jugend. Die besitzenden Klassen müssen sich zu diesem Zweck bewegen lassen, im Hinblick auf die dringliche Notwendigkeit für das Gemeinwohl jene Lasten auf sich zu nehmen, ohne die es für die menschliche Gesellschaft keine Rettung mehr gibt und also auch nicht für sie selber. Die Vorkehrungen aber, die der Staat zu diesem Zweck ergreift, müssen derart sein, daß sie wirklich jene treffen, die in ihrer Hand tatsächlich die größten Kapitalien halten und sie noch ständig vermehren zum großen Schaden der andern.
Kluge und maßvolle Verwaltung
76. Der Staat selber sei sich seiner Verantwortung vor Gott und der Gesellschaft bewußt und diene allen durch kluge und maßvolle Verwaltung zum Vorbild. Heute gebietet mehr als je die äußerst schwere Weltkrise all jenen, die über ungewöhnliche Reichtümer, die Frucht der Arbeit und des Schweißes von Millionen von Mitbürgern, verfügen, immer einzig und allein das Gemeinwohl vor Augen zu haben und bemüht zu sein, es so weit nur eben möglich, zu fördern. Auch sollen die Staatsbeamten und alle Angestellten aus Gewissenspflicht alle ihre Obliegenheiten treu und selbstlos erfüllen und so dem leuchtenden Beispiel so, vieler ausgezeichneter Männer der alten und der neuen Zeit folgen, die in unermüdlicher Arbeit ihr ganzes Leben für das Wohl des Vaterlandes geopfert haben. Im Handel und Verkehr der Völker untereinander möge man mit Bedacht darauf hinarbeiten, jene unnatürlichen Hindernisse des wirtschaftlichen Lebens zu beseitigen, die aus der Gesinnung des Mißtrauens und des Hasses hervorgegangen sind, indem man sich daran erinnert, daß alle Völker dieser Erde eine einzige Gottesfamilie bilden.
Freiheit für die Kirche!
77. Zu gleicher Zeit aber muß der Staat der Kirche die Freiheit
lassen, ihre göttliche und durchaus geistliche Sendung zu erfüllen
und eben dadurch auch kraftvoll zur Rettung der Völker aus dem furchtbaren
Sturm der gegenwärtigen Stunde beizutragen. Man richtet heute überall
einen angstvollen Appell an alle moralischen und geistigen Kräfte,
und das ist wohl zu begreifen; denn das Uebel, das es zu bekämpfen
gilt, ist vor allem, in seinem Quellgrund betrachtet, ein Uebel geistiger
Natur, und eben nur aus dieser Quelle entspringen mit teuflischer Folgerichtigkeit
alle die Ungeheuerlichkeiten des Kommunismus. Nun nimmt aber unter den
moralischen und religiösen Mächten die katholische Kirche unbestreitbar
den ersten Rang ein, und so verlangt das Wohl der Menschheit, daß
man ihrer Tätigkeit keine Hindernisse in den Weg lege.
78. Handelt man anders und behauptet man zugleich, man könne mit
rein wirtschaftlichen und politischen Kräften zum Ziele gelangen,
so befindet man sich in einem gefährlichen Irrtum. Schließt
man die Religion von der Schule aus, von der Erziehung, vom öffentlichen
Leben, gibt man die Vertreter des Christentums und seine heiligen Gebräuche
dem Gespötte preis, fördert man dann nicht eben jenen Materialismus,
aus dem der Kommunismus hervorwuchert? Weder die Macht, sei sie auch
noch so gut organisiert, noch die Ideale dieser Welt, seien es auch die
größten und edelsten, können eine Bewegung meistern, die
ihre Wurzeln eben in der Ueberschätzung der Güter dieser Erde
hat.
79. Wir vertrauen darauf, daß jene, die die Schicksale der Völker
zu lenken haben, wenn sie auch nur ein wenig die äußerste Gefahr,
von der heute die Völker bedroht sind, erkennen, es immer besser als
ihre höchste Pflicht erkennen, daß sie die Kirche nicht hindern
dürfen, bei ihrer heiligen Sendung. Und das um so mehr, weil sie dadurch,
daß sie das ewige Glück des Menschen im Auge hat, untrennbar
davon auch arbeitet für das wahre zeitliche Wohlergehen.
Aufruf an die Irrenden
80. Aber Wir können dieses Rundschreiben nicht schließen, ohne noch ein Wort an jene Unsere Söhne zu richten, die vom Uebel des Kommunismus schon wirklich oder doch beinahe angesteckt sind. Wir ermahnen sie lebhaft, auf die Stimme des Vaters zu hören, der sie liebt; und Wir beten zum Herrn, daß er sie erleuchte, damit sie die abschüssige Bahn verlassen, auf der alles in einer ungeheuren Katastrophe dem Untergang zustürzt, und damit auch sie erkennen, daß es nur einen einzigen Erlöser gibt, Jesus Christus, unsern Herrn; "denn es ist unter dem Himmel den Menschen kein anderer Name gegeben, in dem wir selig werden sollen".
Der heilige Josef, Vorbild und Patron
81. Um den von allen ersehnten "Frieden Christi im Reiche Christi" bald
herbeizuführen, stellen wir die große Aktion der katholischen
Kirche gegen den atheistischen Weltkommunismus unter den Schutz des mächtigen
Schirmherrn der Kirche, des heiligen Josef. Er gehört dem arbeitenden
Stande an und hat die Last der Armut erfahren für sich und für
die Heilige Familie, deren wachsames und liebevolles Haupt er war. Ihm
war das göttliche Kind anvertraut, als Herodes seine Meuchelmörder
nach ihm aussandte. Er hat in einem Leben treuester Pflichterfüllung
Tag für Tag allen jenen ein Beispiel hinterlassen, die sich ihr Brot
durch ihrer Hände Arbeit verdienen müssen, Mit Recht wurde er
der Gerechte genannt, das lebendige Beispiel jener christlichen Gerechtigkeit,
die im sozialen Leben herrschen soll.
82. Die Augen gerichtet nach oben, schaut unser Glauben den neuen Himmel
und die neue Erde, von denen Unser erster Vorgänger, der heilige Petrus,
spricht. Während die Verheißungen der falschen Propheten dieser
Erde in Blut und Tränen versinken, erstrahlt in himmlischer Schönheit
die große apokalyptische Prophetie des Welterlösers: "Siehe,
ich mache alles neu!"
Nun fehlt nur noch das eine, Ehrwürdige Brüder, daß
Wir die Vaterhände erheben und über Euch, über Euren Klerus
und Euer Volk, über die ganze große katholische Familie den
apostolischen Segen herabrufen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter, am Feste des heiligen Josef, des Schutzpatrons
der ganzen Kirche, am 19. März 1937, im 16. Jahre Unseres Pontifikates.
Pius Xl. Papst