Die Erlaubtheit der Todesstrafe

(Kirche zum Mitreden, 19.02.1999)
katechismus todesstrafe bei G.
In den Nachrichten von Radio Vatikan für den Zeitraum 28.-30.01.1999 war als Topmeldung zu lesen:
"Vor rund 100.000 Gläubigen wurde Johannes Paul II. in seiner Predigt bei der Messe im Trans World Dome deutlich: Die amerikanischen Katholiken, die auf ein reiches Erbe zurückblicken könnten, müssten sich um eine Neubelebung der Evangelisierung bemühen. Dabei liege die Betonung vor allem auf der Familie und der christlichen Ehe. So wie sich die Familie entwickelt, so entwickelt sich die Nation , sagte der Papst. Scharf verurteilte er Abtreibung, Euthanasie und die ärztlich begleitete Sterbehilfe. Als Jünger Christi sind die Katholiken aufgerufen, sich bedingungslos für das Leben einzusetzen. Das heisst auch gegen die Todesstrafe. Die Verhängung der Todestrafe muss enden, da sie nur unnötig und grausam sei, so Johannes Paul II.. Mit gleicher Vehemenz verurteilte der Papst schliesslich jede Form von Rassismus."
Während die Verurteilung von Abtreibung, Euthanasie, sog. "Sterbehilfe" und Rassismus natürlich völlig berechtigt und notwendig ist, fällt Wojtylas Gezetere gegen die Todesstrafe dem informierten Katholiken als Fremdkörper auf. Als der sog. "Katechismus der Katholischen Kirche" (KKK, oft auch "Weltkatechismus" genannt) von der V2-Mannschaft unter dem Vorsitz von Joseph Ratzinger erarbeitet wurde, war man im Lager der V2-Sektierer in einigen Fragen gespannt, inwieweit die katholische Lehre von diesem angeblichen "Katechismus" verzerrt würde. Objektive Beobachter der Geschehnisse seit Roncalli ("Papst" Johannes XXIII.) wußten bereits, daß Neu-Rom die Dogmatik völlig umgekrempelt hatte und nur noch eine halbwegs restriktive Morallehre als Fassade mehr schlecht als recht aufrechterhalten wollte; einen wichtigen Schlag gegen die Lehre über die Empfängnisverhütung hatte bereits Montini ("Papst" Paul VI.) mit der "Enzyklika" "Humanae vitae" geführt.
Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre gingen dann Spekulationen bzw. Forderungen z.B. dahin, daß "Homosexualität" "legitimiert" würde (s. "Homosexualität und Kirche"), aber auch dahin, daß die katholische Lehre über die Todesstrafe feierlich aufgegeben würde. In Interviews wurden die verantwortlichen Autoren des KKK u.a. darüber befragt, was denn nun über die Todesstrafe geschrieben werden solle. Trotz weitgehender Ablehnung der Todesstrafe seitens der stimmstarken V2-Sektierer war im KKK schließlich folgendes unter Punkt 2266 zu lesen:

"Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, daß der Angreifer außerstande gesetzt wird zu schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen. Aus analogen Gründen haben die Verantwortungsträger das Recht, diejenigen, die das Gemeinwesen, für das sie verantwortlich sind, angreifen, mit Waffengewalt abzuwehren.
Die Strafe soll in erster Linie die durch das Vergehen herbeigeführte Unordnung wiedergutmachen. Wird sie vorn Schuldigen willig angenommen, gilt sie als Sühne. Zudem hat die Strafe die Wirkung, die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Personen zu schützen. Schließlich hat die Strafe auch eine heilende Wirkung: sie soll möglichst dazu beitragen, daß sich der Schuldige bessert (Vgl. Lk 23,40-43)" (KKK, München 1993, 576).

Wojtyla ließ es sich nicht nehmen, diesem Machwerk ein Vorwort beizufügen; aus diesem kurzen Text zitieren wir hier den Abschnitt Nr. 4, "Geltung des Textes", vollständig:

"Der 'Katechismus der katholischen Kirche', den ich am 25. Juni 1992 approbiert habe und dessen Veröffentlichung ich kraft meines apostolischen Amtes heute anordne, ist eine Darlegung des Glaubens der Kirche und der katholischen Lehre, wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird. Ich erkenne ihn als gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft an, ferner als sichere Norm für die Lehre des Glaubens. Möge er der Erneuerung dienen, zu der der Heilige Geist die Kirche Gottes, den Leib Christi, die Pilgerin auf dem Weg zum unvergänglichen Licht des Reiches, unablässig ruft.
Die Approbation und Veröffentlichung des "Katechismus der katholischen Kirche" stellen einen Dienst dar, den der Nachfolger Petri der heiligen katholischen Kirche und allen Einzelkirchen erweisen möchte, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem apostolischen Stuhl von Rom stehen: den Dienst nämlich, alle Jünger des Herrn Jesus im Glauben zu stärken und zu bekräftigen (vgl. Lk22,23), und die Bande der Einheit im gleichen apostolischen Glauben zu festigen.
Ich bitte daher die Hirten der Kirche und die Gläubigen, diesen Katechismus im Geist der Gemeinschaft anzunehmen und ihn sorgfältig bei der Erfüllung ihrer Sendung zu benutzen, wenn sie das Evangelium verkünden und zu einem Leben nach dem Evangelium aufrufen. Dieser Katechismus wird ihnen anvertraut, damit er als sicherer und authentischer Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre und in besonderer Weise für die Ausarbeitung der örtlichen Katechismen dient. Er wird zugleich allen Gläubigen angeboten, die die Kenntnis der unerschöpflichen Reichtümer des Heiles vertiefen möchten (vgl. Joh 8,32). Er möchte ferner den ökumenischen Bemühungen, die den heiligen Wunsch nach Einheit aller Christen pflegen, eine Stütze bieten, indem er den Inhalt und den harmonischen Zusammenhang des katholischen Glaubens genau aufzeigt. Der "Katechismus der katholischen Kirche" ist endlich einem jeden Menschen angeboten, der uns nach dem Grund unserer Hoffnung fragt (vgl. 1 Petr 3, 15) und kennenlernen möchte, was die katholische Kirche glaubt.
Dieser Katechismus ist nicht dazu bestimmt, die von den kirchlichen Autoritäten, den Diözesanbischöfen und den Bischofskonferenzen vorschriftsgemäß approbierten örtlichen Katechismen zu ersetzen, besonders wenn sie die Approbation des apostolischen Stuhles erhalten haben. Er ist dazu bestimmt, zur Abfassung neuer örtlicher Katechismen zu ermuntern und die zu unterstützen, die den verschiedenen Situationen und Kulturen Rechnung tragen, aber zugleich sorgfältig die Einheit des Glaubens und die Treue zur katholischen Lehre wahren."

Also einerseits heißt es im "sicheren und authentischen Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre", die Todesstrafe kann erlaubt sein, und wenige Jahre später verkündet der Mann, der diesen Bezugstext letztlich verantwortet, das genaue Gegenteil dieser Lehre. Zunächst ist natürlich festzuhalten, daß jeder, der sich gerne nach Strich und Faden für dumm verkaufen läßt, keine bessere Gesellschaft finden kann als die V2-Sekte. Zur Ehrenrettung der V2-Genossen kann man aber darauf hinweisen, daß sie - ebenso wie bei der Beurteilung der Sodomie - quasi unbeteiligt die traditionelle Lehre der Kirche wiederholen und nicht explizit sagen, daß in der V2-Sekte die Todesstrafe als unter bestimmten Bedingungen erlaubt beurteilt wird.

In der Tat ist die Todesstrafe nach katholischer Lehre eine erlaubte Strafe, cf. den Römischen Katechismus:

"III, 6, 4. Es ist erlaubt, Menschen im Gericht entweder zum Tode zu verurteilen oder zu töten
Eine andere erlaubte Art des Tötens ist jene, welche den Obrigkeiten zusteht, welchen die Gewalt des Tötens verliehen ist, kraft welcher sie nach der Vorschrift und dem Urteile der Gesetze die Übeltäter strafen und die Unschuldigen in Schutz nehmen. Wenn sie dieses Amt rechtlich verwalten, sind sie nicht nur des Totschlages nicht schuldig, sondern sie gehorchen im höchsten Grade diesem göttlichen Gesetze, wodurch der Totschlag verboten wird. Denn wenn diesem Gesetze dies als Ziel vorgesteckt ist, dass für Leben und Wohlfahrt der Menschen Sorge getragen wird: so zielen die Strafen der Obrigkeiten, welche die rechtmässigen Rächer der Verbrechen sind, ebenfalls darauf hin, dass der Verwegenheit und Gewalttätigkeit durch Todesstrafen Einhalt geschieht und so das Leben der Menschen gesichert sei. Daher sagt David (Ps 100,8): «Frühe tötete ich alle Sünder des Landes, damit ich ausrotte aus der Stadt des Herrn alle Übeltäter».

In diesem Zusammenhang betont der Römische Katechismus auch die Erlaubtheit des gerechten Krieges. Man wird feststellen, daß die kirchliche Lehre sich nicht mit dem berühmten Schlagwort Kurt Tucholskys deckt: "Soldaten sind Mörder". Es ist also nicht empfehlenswert, Tucholskys Parole zu unterstützen.

"III, 6, 5. Auch jene, die im gerechten Krieg töten, sind des Totschlages nicht schuldig
Aus diesem Grunde sündigen auch jene nicht, welche in einem gerechten Kriege, nicht aus Lust oder Grausamkeit, sondern bloss aus Eifer für das allgemeine Beste den Feinden das Leben nehmen. Ausserdern gibt es auch solche Tötungen, welche ausdrücklich auf Befehl Gottes geschehen. Die Söhne Levis sündigten nicht, als sie an einem Tage so viele Tausende von Menschen töteten; denn nach vollbrachtem Schlachten sprach Moses so zu ihnen (Deut 19,4.5): «Ihr habt eure Hände heute dem Herrn geweiht.»"

Vielleicht war Wojtylas Gezetere gegen die Todesstrafe nur ein Marketing-Gag, schließlich bringt ihm, wie sich in den Medien zeigte, solch warmes Geschwätz einiges an Sympathien ein. Roncallis erklärte Absicht, auf Verurteilung von Häresien und Blasphemien zu verzichten, störte ja nur die Katholiken, nicht aber die Verfechter der Revolte gegen Gott, und so liest man viel häufiger von dem "guten Johannes" als von dem Verräter Roncalli, der die Herde den Wölfen zum Zerreißen überließ.
Da Gesetze notwendig gerecht sein müssen, darf eine Verurteilung zum Tode auch nur in äußerst schweren Fällen erfolgen, ansonsten ist sie Zeichen eines gottlosen Terror-Regimes. Besonders beliebt ist z.B. die Verhängung des Todesurteils im Islam, der ja keine Argumente für seine Position beibringen kann (s. z.B. Lehmanns Worte zum Ramadan) und auf Gewalt und Terror angewiesen ist, um "Gläubige" zu rekrutieren. Vor etwas über zehn Jahren, am 14.02.1989, verhängte Chomeini gegen den Schriftsteller Salman Rushdie die "Fatwa", das Todesurteil: Jeder Islam-Gläubige war damit aufgerufen, Rushdie sofort zu ermorden, wenn er dazu irgendwie die Gelegenheit hatte. Rushdie hatte sich mit seinem Buch "Satanische Verse", einem Spott-Roman über den Islamismus, der sog. "Gotteslästerung" schuldig gemacht. Objektiv lag natürlich nicht Gotteslästerung vor, weil Rushdie über Allah geschrieben hat, aber auf solche "Kleinigkeiten" achtet man im Islam nicht. Der iranische Staat setzte ein hohes Kopfgeld auf Rushdie aus; als die Regierung nun vor einigen Monaten erklärte, sie nehme ihr Angebot des Kopfgeldes zurück, trat die islamische Chordad-Stiftung auf den Plan und versprach dem erfolgreichen Rushdie-Killer eine Prämie von 2,8 Millionen Dollar. Doch auch ohne finanziellen Anreiz bleibt die Lust am Vollstrecken von angeblichen Allah-Urteilen in den Herzen der fanatischen Moslems lebendig: Hunderte von Schriftstellern und Übersetzern wurden gnadenlos und kaltblütig von Islam-Anhängern niedergemetzelt, viele andere wiederum vegetieren in Gefängnissen vor sich hin.

Nach Ansicht hochrangiger deutscher Politiker ist es höchste Zeit, daß an unseren Schulen islamischer Religionsunterricht erteilt wird.

Rushdie lebt seit Verhängung der Fatwa abgeschottet von der Welt in irgendeinem Versteck; wer sich nicht verstecken kann, der darf den angeblichen "Zorn Allahs" spüren. Im Laufe der Jahrhunderte wurden unzählige Christen von Islamisten abgeschlachtet, und wie das gegenwärtige weltweite Gemetzele nahelegt, besteht noch lange kein Grund, Entwarnung zu geben. Hier ist also ein Todesurteil nicht gerechtfertigt, obwohl eine staatliche Autorität, i.e. die iranische Regierung, dahintersteht oder wenigstens sehr lange dahinterstand. Das richtige Verhältnis von Naturrecht und Verfassung darf also nie und nimmer mißachtet werden (s. u.a. "Divini Redemptoris").

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