Predigt 05.10.2008

- 21. Sonntag nach Pfingsten, sd; Eph 6,10-17; Mt, 18,23-35 -
(Kirche zum Mitreden, 03.10.2008)
Youtube-Video: http://www.youtube.com/watch?v=zuIUOMyjGFE
Wörter: 1161
»Den anhängenden Artikel muß "man" gelesen haben - und ihn weiterverbreiten. Albrecht hat damit einen Beitrag geleistet, den ich als "Sternstunde" bezeichnen möchte.« »Dieser Artikel wird – per Fax und eMail – bundesweit verbreitet: (an Print- und TV-Medien, Länderchefs, Parteien, „Spitzenpolitiker“ etc. / 2.-6. Oktober 2008).« Diese Bemerkungen sind einem Artikel von Friedrich Carl Albrecht vorausgeschickt: "Zum 18. Jahrestag der Deutschen Einheit. Hinter einer demokratischen Fassade". Albrecht zitiert darin einleitend den estnischen Staatspräsidenten Lennart Meri. Meri sagte 1995 in Berlin: "Als Este frage ich mich, warum zeigen die Deutschen so wenig Respekt vor sich selbst? Deutschland ist eine Art Canossa-Republik geworden, eine Republik der Reue. Aber wenn man die Moral zur Schau trägt, riskiert man, nicht sehr ernst genommen zu werden. Als Nicht-Deutscher erlaube ich mir die Bemerkung: Man kann einem Volk nicht trauen, das rund um die Uhr eine intellektuelle Selbstverachtung ausführt. Diese Haltung wirkt auf mich als ein Ritual, eine Pflichtübung, die überflüssig und sogar respektlos gegenüber unserem gemeinsamen Europa dasteht. Für mich als Este ist es kaum nachzuvollziehen, warum die Deutschen ihre eigene Geschichte so tabuisieren, daß es enorm schwierig ist, über das Unrecht gegen die Deutschen zu publizieren, ohne dabei schief angesehen zu werden – aber nicht etwa von den Esten oder Finnen, sondern von den Deutschen selbst!" Albrecht bekräftigt dann die Aussage von Meri: "Deutschland ist zu einer Canossa-Republik verkommen". Und Albrecht zitiert dann noch den Schriftsteller Hans-Georg von Studnitz mit seiner Aussage von 1985: "Die 40 Jahre nach Kriegsende ungestillte Lust der Deutschen an der Erniedrigung ihrer Vergangenheit hat die Grenzen überschritten, die selbst der Charakterlosigkeit gesetzt sind." Der Albrecht-Artikel ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie hartnäckig blind viele für falsche Propheten die Werbetrommel rühren und ihnen nachlaufen. Denn jedem stehen die Quellen offen, sich zuverlässig über Canossa zu informieren. Obgleich heutzutage unter dem sprichwörtlichen "Gang nach Canossa" eine öffentliche Erniedrigung und Demütigung verstanden wird, ist dies historisch eindeutig falsch. Canossa ist ein italienisches Dorf. Während seiner Reise von Rom nach Augsburg i.J. 1077 verweilte Papst Gregor VII. in der Burg von Canossa. Papst Gregor VII. hatte gegen Kaiser Heinrich IV. den Kirchenbann verhängt, weil der Kaiser in unzulässiger Weise in innerkirchliche Angelegenheiten eingegriffen hatte. Und der Kaiser ging also im Winter 1077 nach Canossa und erflehte die Lösung vom Kirchenbann, indem er sich an drei aufeinanderfolgenden Tagen vom Morgen bis zum Abend im Bußkleid vor dem Burgtor aufstellte - bei eisiger Kälte und Schnee. Der Papst löste den Kirchenbann, aber der Kaiser  meinte es wohl nicht ernst mit seiner Sühne. Statt dessen ging er bald noch schlimmer gegen die Kirche und namentlich gegen Papst Gregor VII. vor. In einem Heiligenlexikon (Wimmer 1956) heißt es über diesen heiligen Papst: "Vor allem sein Kampf gegen Simonie und Laieninvestitur (Investiturstreit 1075) und für den Zölibat des Klerus brachten ihm begreiflicherweise viele Feinde ein, besonders den deutschen Kaiser Heinrich IV., der die kirchlichen Ämter weiterhin vergeben wollte. Dieser gigantische Kampf für die Freiheit des Gottesreiches, den der Papst mit unerhörter Energie führte, endete mit seiner Verbannung in Monte Cassino und Salerno (südöstlich von Neapel), wo er, geistig ungebeugt, in der Stimmung eines Märtyrers, am 25. Mai 1085 sterbend die Worte sprach: "Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung."« Soweit das Lexikon. Am 25. Mai, dem Fest des hl. Gregor, lautet das Kirchengebet: "O Gott, du Stärke derer, die auf dich hoffen, Du hast Deinen heiligen Bekenner und Papst Gregor mit ausdauernder Kraft gestärkt, damit er die Freiheit der Kirche schütze; so laß uns kraft seines Beispiels und seiner Fürsprache alle Widerstände tapfer überwinden." Also: Canossa steht tatsächlich für Reue: Heinrich hat wegen seiner wirklichen Vergehen Buße getan. Vielleicht waren Heinrichs Bußübungen nur geheuchelt, wie sein späteres Vorgehen gegen die Kirche vermuten lässt. Trotzdem: Es war eine berechtigte und notwendige Buße, die er getan hat. Wenn hingegen der estnische Staatspräsident Lennart Meri von einer "Canossa-Republik" faselt, ist das nur schlimmste Hetze. Zunächst: Es gibt nämlich gar nicht "Deutschland", so wie es Heinrich IV. gab. Heinrich war eine einzige Person und nebenbei Kaiser, Deutschland hingegen ist ein besetztes Land mit über 80 Millionen Insassen, die von "Politikern" und "Richtern" geknechtet werden. Und wie steht es denn um die angebliche "Reue" über Deutschlands Verbrechen während der Nazi-Herrschaft? Zur echten Reue gehört auch echte Gewissenserforschung, die sorgfältig prüft, welche Art von Schuld überhaupt vorliegt. Echte Gewissenserforschung zielt immer auf echtes Wissen, u.z. sowohl darüber, was man überhaupt getan oder nicht getan hat, als auch, inwieweit man damit eine Schuld auf sich geladen hat. Und wie sieht es mit der Gewissenserforschung über die Nazi-Zeit aus? Es gibt durchaus Deutsche, die ihre eigene Geschichte nicht tabuisieren. Aber diese landen sehr schnell im Kerker, dank der unermüdlichen rigorosen Unterdrückung durch "Politiker" und "Richter". Die Deutschen handeln dabei allerdings nicht gegen sich selbst, sondern die Unterdrücker handeln gegen die Unterdrückten, und die Lemminge der Unterdrücker schweigen oder jubeln dazu, aber jedenfalls kritisieren sie dieses Unrecht nicht - sei es nun aus Angst, aus Gedankenlosigkeit oder aus Überzeugung. Meri und Albrecht verlangen von den Deutschen eine Gesinnung der Marke: "Nach Canossa gehen wir nicht." Damit charakterisierte Bismarck seinen Vernichtungskrieg gegen die Kirche, den sog. "Kulturkampf". Darüber schreibt ein katholischer Schriftsteller (Rost): »Der Kulturkampf in seiner ganzen Tragweite war ein radikaler, gehässiger Vorstoß gegen die Freiheit von Geist und Gewissen, gegen die Grundsätze des Rechts, der Sittlichkeit, der Religion. Der Gedanke der Staatsvergottung, der staatlichen Allgewalt hatte Bismarck so stark erfaßt, daß er keinen anderen Gott daneben duldete. In diesen Wahn der Unfehlbarkeit sind alle Staatsmänner ohne höhere Bindung verfallen, von Julian dem Abtrünnigen an bis zu Adolf Hitler, der in dem Wahnsinn der Selbstvergottung und der Vergötzung durch seine Anbeter den Gipfelpunkt erreichte, indem er "Gott den Allmächtigen" zum Schutzherrn seiner Haß- und Gewaltpolitik und seiner "Mission für Europa" anzurufen sich erdreistete. Die Politik Bismarcks war revolutionär gegen christliche Forderungen und verblendet.« Soweit das Zitat. Deutschland ist keine "Republik der Reue", sonder der Lüge und der Unterdrückung. Auch heute herrscht "der Gedanke der Staatsvergottung", der "Wahnsinn der Selbstvergottung". Man frage z.B. diejenigen, die nur dafür bekämpft werden, dass sie katholisch sind, dass sie sich für das Lebensrecht der Ungeborenen einsetzen, dass sie das von den Unterdrückern aufgezwungene Geschichtsbild über den Zweiten Weltkrieg einer sachlichen Prüfung unterziehen, oder frage sonst eines der unzähligen brd-Justizopfer. Man frage ferner, was aus den Schwerstkriminellen wurde, die in der Nazi-Zeit den Vernichtungskrieg gegen die Kirche betrieben haben: Die wurden in der brd nicht nur nicht bestraft, sondern noch geehrt und befördert. Die wichtigste Lehre, die sie damit weitergegeben haben, war diese: Verbrechen lohnt sich! Also Schluss mit den Lügen von der "Canossa-Republik". Statt dessen ist es Zeit, und dies keineswegs nur für die "Mächtigen" in der brd, echte Gewissenserforschung zu betreiben, echte Reue zu erwecken und echte Buße zu tun. Folgen wir dem Beispiel des hl. Papstes Gregor, die Gerechtigkeit zu lieben und das Unrecht zu hassen, selbst bis zu Kerker und Verbannung, damit wir dereinst teilhaben an der ewigen Freude des Himmels. Amen.

S. auch: Bismarck und Hitler

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