Predigt 20.01.2008

- Septuagesima, 1 Kor 9,24-27.10,1-5; Mt 20,1-16 -
(Kirche zum Mitreden, 18.01.2008)
Wörter: 1122
Zum 01. Januar d.J. ist ein "Gesetz" zur sog. "Vorratsdatenspeicherung" in Kraft getreten; zwar wurde angesichts dieser Vorratsdatenspeicherung auch von einem verschwindend geringen Teil der Bevölkerung ein gewisses Unbehagen geäußert, aber im Grunde hat sich praktisch jeder mit diese Situation abgefunden. Nun ist ein neuer Vorstoß geplant: Das "Innenministerium" unter Wolfgang Schäuble (CDU) will, dass zukünftig auch Priester offiziell abgehört werden dürfen; noch gilt offiziell ein Abhörschutz für Telefone und Räume von Priestern. In einem Artikel "BKA-Wanzen im Beichtstuhl" (augsblog) wird der Gesetzesentwurf kommentiert: "Es gibt bestimmt ganz viele islamistische Terroristen, die regelmäßig zum Beichten in die Kirche gehen." Das stellt natürlich auf ein Nützlichkeitsdenken ab: Wie sinnvoll ist eine Beichtstuhl-Überwachung? Aber ungleich wichtiger ist, dass die Unverletzlichkeit des Beichtsiegels im göttlichen Recht selbst begründet und dementsprechend auch durch das Kirchenrecht geschützt ist. Das Beichtsiegel verpflichtet alle, die vom Inhalt der Beichte Kenntnis erlangt haben, ob nun absichtlich oder unabsichtlich, ob nun mit oder ohne Einverständnis des Beichtenden; selbst der Beichtvater darf ohne Erlaubnis des Beichtkindes außerhalb der Beichte nicht mit ihm über die gebeichteten Sünden sprechen. Diese Verpflichtung wird selbst zur Rettung des Lebens oder im Interesse des allgemeinen Wohles nicht aufgehoben. Wer ohne Erlaubnis des Beichtenden absichtlich bei der Beichte zuhört, verletzt damit direkt das Beichtsiegel, begeht also eine Todsünde. Damit ist klar, was von "BKA-Wanzen im Beichtstuhl" zu halten ist. Es gilt allerdings auch ganz grundsätzlich, dass der Staat die Freiheit der Bürger schützen und fördern muss, also dass er grundsätzlich immer nur im Hintergrund wirken darf. Er muss reglementieren und helfen, wo der Einzelne versagt, aber er darf die Untergebenen nicht als seine Sklaven behandeln. Der Gedanke der Freiheit ist allerdings oft recht unpopulär, vielmehr will das Volk mit "Brot und Spielen" unterhalten werden. Man will "einfach nur leben", was soviel bedeutet wie: einfach nur essen, trinken, fernsehen. Einer solchen Masse dann "Freiheit" als etwas Positives zu vermitteln, ist nicht immer ganz leicht. Vielmehr hat diese furchtbare Sucht in der Bevölkerung, "einfach nur zu leben", den Propagandaführern die Totalüberwachung eigentlich erst ermöglicht, und möglicherweise kommt dann bald auch das offizielle Ende des Abhörschutzes für Priester. Nun könnte man fragen: Darf man denn dem Menschen überhaupt noch eine Privatsphäre erlauben, bei all dem Terror in der Welt? War die Zerstörung der Twin Towers am 11.09.2001 nicht der endgültige Beweis, dass eine Welt ohne völlig Überwachung nicht verantwortbar ist? Fragen, ob Totalüberwachung überhaupt etwas gegen Terrorismus ausrichtet, und was es konkret mit dem World Trade Center auf sich hat (Loose Change), werden dabei gerne als unbequem zurückgewiesen. Die vereinzelten Überwachungsgegner sind allerdings leider oft genug selbst nur von einer inhaltlichen Leere erfüllt, so dass sich ihre Bedenken gegen die Überwachung wiederum nur im Nützlichkeitsdenken erschöpfen: Es könnte mit den Daten ja auch Missbrauch betrieben werden; die Daten könnten in die falschen Hände fallen. Also: In einem Rechtsstaat gäbe es solche krankhafte Überwachung nicht, eben weil der Rechtsstaat die Freiheitsrechte des Bürgers achtet. Anders gesagt: Permanente schwerste Rechtsverstöße seitens des Staates und Abhörwahn seitens des Staates gehen Hand in Hand, denn der Bürger ist für die sog. "Obrigkeit" eine Bedrohung: Rechtschaffene Menschen gefährden den Unrechtsstaat, also müssen Rechtschaffene kriminalisiert werden, damit die Verbrecher am Ruder bleiben. Einige Beispiele: Jemand wies darauf hin, dass in einer Arztpraxis Abtreibungen durchgeführt werden. Tatsächlich kam es dann auch zu Strafprozessen, bei denen in allen Instanzen lange Kerkerstrafen ausgeprochen wurden. Allerdings nicht gegen den Kindermörder, sondern gegen den Lebensschützer, u.z. wegen "Beleidigung". In einem anderen Fall ging ein Presseunternehmen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten in einem Betrieb nach. Tatsächlich kam es dann auch zu Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, erkennungsdienstlicher Behandlung der Betroffenen. Allerdings waren die Betoffenen eben nicht Mitglieder des Betriebs, sondern die vermuteten Hinweisgeber, und die Übergriffe seitens der Polizei wurden mit dem Tatvorwurf "Beleidigung" begründet. Wie wichtig das Abhören zur Sicherung des Staates ist, zeigt folgender Fall: Jemand hatte mit seinem Anwalt ein Telephongespräch geführt; dieses Telephongespräch führte dann zu einem Strafprozess mit Verurteilung des Angeklagten. Allerdings wurde der Anwalt verurteilt, u.z. wegen "Beleidigung", denn er hatte in diesem privaten Anwaltsgespräch tatsächlich Polizisten als "Idioten" bezeichnet. Polizisten hatten aber bei diesem privaten Anwaltsgespräch mitgehört und deshalb erfolgreich Strafanzeige gegen den Anwalt erstattet. Fairerweise muss man dabei zugeben, dass der "Staat" da auch gerne mal eine fünf gerade sein lässt: Wenn ein katholischer Priester öffentlich und dauerhaft auf Internetseiten als "verblendeter Idiot", "behördlich anerkannter Idiot", "Volltrottel" etc. beschimpft wird, wird das vom "Staat" geschützt. Allerdings gab es dann doch mal eine Verurteilung wegen "Beleidigung", u.z. als ein "Richter" in einem "Strafprozess" alle dreißig Zuschauer wütend als "Vollidioten" beschimpfte. Jedoch gab es diese Verurteilung nur durch den "Richter" selbst - dieser hat in eben diesem "Prozess" jemanden wegen "Beleidigung" verurteilt, weil er die "deutsche Rechtsstruktur" kritisiert hatte, die nach den Worten des "Richters" "bestens" sei. Wegen des "Vollidioten"-Vorfalls selbst gab es zwar etliche Strafanträge gegen den "Richter", aber vollkommen erfolglos. Also: Wer sich für das Leben einsetzt, riskiert eine Verurteilung. Wer sich gegen Korruption einsetzt, riskiert eine Verurteilung. Wer in Frage stellt, dass die "deutsche Rechtsstruktur" "bestens" ist,  riskiert eine Verurteilung. Wenn die "Obrigkeit" allerdings die Bürger beschimpft, wenn die Kirche öffentlich durch den Schmutz gezogen wird etc., dann wird das von der "Obrigkeit" geschützt. Wozu dann also "BKA-Wanzen im Beichtstuhl"? Nun, wenn im Beichstuhl kritische Bemerkungen über die "Obrigkeit" fallen, können Priester und Pönitent wegen Beleidigung bestraft werden. Aber die Möglichkeiten sind eigentlich grenzenlos: Wer z.B. beichtet, er habe unreine Gedanken gehabt, kann als mutmaßlicher Kinderschänder behandelt werden, usw. usf. "Die Rechtsprechung ist schon seit langem konkursreif" - das hat schon vor Jahren ein ehemaliger "Richter" des "Bundesgerichtshofs" (Neskovic) öffentlich zugegeben. Und wie äußert sich Christus über die Justiz? "Nehmt euch in acht vor den Menschen! Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern und in den Synagogen euch geißeln. Ja, um meinetwillen werdet ihr vor Statthalter und Könige geführt werden, um Zeugnis zu geben vor ihnen und vor den Heiden" (Mt 10,17f). Heute beginnt die Vorfastenzeit, und in einigen Wochen werden wieder die Passionsberichte verlesen: Wie Pilatus über Jesus sagt, er finde keine Schuld an diesem, und ihn dann trotzdem auf Drängen der Juden wegen angeblicher Volksverhetzung zum Tod am Kreuze verurteilt. Wie können trotz all dieser Tatsachen noch manche sagen, sie hätten nichts gegen Totalüberwachung, denn sie hätten ja nichts zu verbergen? Nun, wer "einfach nur leben" will, also einfach nur essen, trinken, fernsehen will, der gerät vielleicht nicht in die Mühlen der "Justiz". Aber ob so ein "einfaches Leben" mit der Nachfolge Christi zu vereinbaren ist? Christus sagt: "Haben Sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen" (Joh 15,20). Wenn also die "Obrigkeit" sich über göttliches Recht hinwegsetzen will, mit der Verletzung des Beichtsiegels oder sonstwie, müssen wir uns zu treu zu Christus bekennen, selbst wenn uns das Bekenntnis nach Golgotha führt. Amen.

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