Die kirchliche Mitgliedschaft

- Aus dem Buch von August Hagen -
(Kirche zum Mitreden, 28.03.2000)

"Der als Körperschaft des Öffentlichen Rechts organisierte klägerische Verband der Bistümer ist hinsichtlich des Namensschutzes aus § 12 BGB aktivlegitimiert."

Diese entsetzliche Lüge, entnommen der gegen die römisch-katholische Kirche gerichteten Verleumdungsschrift, die von der Sozietät Redeker beim Landgericht Bonn eingereicht wurde, bildet die Basis für die gottlose Anklage der V2-Sekte gegen uns, wir hätten die Domain www.katholisch.de unrechtmäßig verwendet.
Je mehr Informationen man zusammenträgt, desto furchtbarer sieht es für alle an diesem öffentlichen Skandal beteiligten Drahtzieher aus. Die fundamentale Krise, in der sich der deutsche Staat befindet, ist nicht mehr zu übersehen und nicht mehr zu leugnen.
Der nachfolgende Text bietet Ausschnitte aus dem Buch von August Hagen, Die kirchliche Mitgliedschaft, Rottenburg 1938, wobei außer den Abschnitten, die sich z.B. mit Eigenheiten der Protestanten oder mit speziellen Vorschriften zu den Sakramenten befassen, auch die Fußnoten ausgelassen wurden. Einige Aussagen aus verschiedenen KzM-Texten bzgl. der kirchlichen Mitgliedschaft wird man hier wiederfinden, wobei Hagen allerdings nicht der besonderen Situation Deutschlands hinsichtlich der "Kirchensteuer" Rechnung trägt, was wir hingegen in einem eigenen Text geleistet haben (s. Geld zurück!). Die heutige "Kirchensteuer" ist nur ein vom Staat eingezogenes Schutzgeld, das die Übergöttlichkeit des Staates demonstrieren soll und ausschließlich zu kirchenzersetzenden Zwecken eingesetzt wird. Insofern lassen sich die Aussagen Hagens über die Kirchensteuer genausowenig auf die offzielle "Kirchensteuer" anwenden, wie die dogmatischen Aussagen über die römisch-katholische Kirche auf die offizielle "römisch-katholische Kirche".
Die Kernaussage Hagens, an der auch wir trotz aller Terror- und Zwangsmaßnahmen festhalten, ist klar: "Die Kirche ist an den Willen ihres Stifters gebunden", weshalb das Urteil über unsere anklägerischen Verleumder und "Richter" (die nun einmal nicht zuständig sind und die sich dementsprechend - offensichtlich wegen gegebener Unmöglichkeit - niemals vor uns legitimiert haben, was sie aber notwendig hätten tun müssen, wenn sie rechtskräftig handeln wollten) nur völlig vernichtend ausfallen kann.
Eine kirchenrechtliche Arbeit wie die von Hagen, die, wie wir zugeben, in erster Linie juristisch interessierte Personen anspricht, musste die Grundlage bilden für sämtliche Entscheidungen, die der Staat bzgl. der kirchlichen Mitgliedschaft getroffen hat. Wie an zahlreichen grundlegenden Urteilen bewiesen, hat der deutsche Staat hartnäckig und absolut willkürlich gegen diese Prinzipien verstoßen; er hat sich selbst zur übergöttlichen Instanz und Gott für abgesetzt erklärt. Dies geschah entweder wissentlich oder in schuldhafter Unwissenheit, oder will jemand etwa noch entschuldigende Worte für die Christenverfolger finden, ob nun für die Verfassungsrichter etc., für die Sozietät Redeker und v.a. für die V2-Sekte? Da warten wir lieber das Jüngste Gericht ab.
Obwohl Hagens Ausführungen nicht so leicht zu lesen sind wie die KzM-Texte und manche Passagen eher von historischem Interesse zu sein scheinen, obgleich sie eigentlich Informationen über die grundsätzliche Haltung der Kirche vermitteln, empfehlen wir dennoch jedem Leser nachdrücklich, sich mit diesem Text zu beschäftigen, weil er eine gute Übersicht über elementare kirchenrechtliche Fragen bietet.

Wir warnen erneut davor, weiterhin die Zügel schleifen zu lassen und die Christenverfolgung fortzusetzen: Dies kann äußerst unangenehme Folgen haben! Ebenso warnen wir alle Katholiken davor, aus Bequemlichkeit, Angst, finanziellen Erwägungen oder sonstigen Gründen, die von unserem Heiland verworfen worden sind, sich der Diktatur des Staates zu unterwerfen und Akte zu setzen, die als Anerkennung der Oberhoheit des Staates über die Kirche ausgelegt werden müssen. Es ist nicht absolut verboten, vor seinen Verfolgern zu fliehen (s. z.B. Mt 10,23), aber es ist absolut verboten, Christus zu verleugnen (s. z.B. Mt 10,33). Wer die deutsche Diktatur hinsichtlich der katholischen Lehre als rechtskräftig anerkennt, und sei es nur durch konkludentes Handeln (etwa durch Bezahlung von Strafen, Gerichtskosten o.ä.), kann nicht mehr als Katholik betrachtet werden.


Erstes Kapitel.

Die Aufnahme in die Kirche.

1. Das Wesen der Kirche.

Will man sich über die Aufnahme in die Kirche klar werden, so muß man selbstverständlich vom Wesen der Kirche ausgehen.
Die Kirche leitet ihren Ursprung her von Jesus Christus. Sie ist nicht dadurch entstanden, daß sich die Menschen des gleichen Glaubens, einem natürlichen Bedürfnis oder der gemeinschaftsbildenden Kraft dieses Glaubens folgend, zur Pflege und Ordnung ihrer religiösen Angelegenheit zusammengeschlossen hätten. Sie wurde vielmehr von Christus gestiftet. So ist sie nicht die freiwillige Verbindung einer Mehrzahl von Menschen zu einem von ihnen bestimmten, mehr oder weniger äußerlichen Zweck und darum kein Verein, kein Verband, keine Körperschaft. Sie ist vielmehr eine Stiftung im Rechtssinn. Damit, daß Christus die Apostel auswählte, sie mit göttlicher Autorität ausstattete (Leitungsgewalt, Lehramt), die Sakramente einsetzte und ein besonderes Priestertum bestellte, war sie in ihren Grundzügen bereits vorhanden. Sie wurde vollendet und ausgestaltet durch die Ausgießung des Hl. Geistes am Pfingstfest, wo die ersten Mitglieder durch die Taufe in sie aufgenommen wurden. Weil sie von einem fremden Willen errichtet ist und beherrscht wird und weil sie dazu noch ein genossenschaftliches Element hat (Kirchenmitglieder. Societas perfecta), ist sie näherhin, rechtlich gefaßt, eine Anstalt, eine Heilsanstalt zur Verchristlichung der Menschen. Dieses genossenschaftliche Element geht nicht soweit, daß die Gläubigen über ihre Entstehung, Leitung und Auflösung entscheiden könnten. Die Verfassung der Kirche ist vielmehr in ihren wesentlichen Teilen von ihrem Stifter grundgelegt und sein Wille wirkt in ihr weiter, solange sie besteht.
Im Gegensatz dazu sieht der Staat in Deutschland die katholische Kirche bzw. die einzelnen Diözesen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes an (Körperschaften mit hoheitlicher Gewalt). Die evangelische Kirche bzw. die evangelischen Landeskirchen betrachten sich ebenfalls als Körperschaften; die höchste Gewalt ruht bei der Landessynode, deren Mitglieder durch die Wahl des Kirchenvolkes bestellt werden. Zu den Körperschaften sind gleichfalls die zahlreichen kleineren religiösen Gemeinschaften (Sekten, Freikirchen, Kirchen) zu rechnen. Alle diese oder einen Teil dieser Körperschaften fassen Staat und Wissenschaft unter dem Namen Religionsgesellschaften zusammen und deuten damit wieder ihren Verbandscharakter an. Dieser Unterschied in der rechtlichen Klassifizierung ist durchaus nicht nebensächlicher Art.
Eine neue Seite der Kirche enthüllt ihre Bezeichnung als corpus Christi mysticum. Paulus vergleicht an verschiedenen Stellen seiner Briefe die Kirche u.a. mit einem Leib, dessen Haupt Christus ist (vgl. z.B. 1 Kor. 12, 12 ff.; Eph. 4, 1 ff.). Damit will nicht etwa die Kirche als Körperschaft charakterisiert werden, deren Haupt deswegen Christus ist, weil er sie gestiftet, sie mit einer Verfassung versehen und ihr ihre Aufgabe zugewiesen hat. Die Verbindung Christi mit der Kirche ist nach Paulus viel inniger. Nach ihm hat die Kirche wohl viele, unter sich verschiedene Glieder, aber Christus verbindet die Gläubigen aufs engste miteinander. Er ist das Prinzip der Einheit für alle Gläubige. Diese stehen in Lebenseinheit mit Christus und durch ihn in inniger Beziehung zueinander. Christus und die Kirche gehören zusammen wie Haupt und Leib. Christus nimmt die Gläubigen in seine Person auf und macht aus ihnen eine neue Gemeinschaft. Das ist sein sichtbarer, wenngleich sein geheimnisvoller Leib. So ist die Kirche nach Paulus die Gemeinschaft der Christen untereinander und mit Christus. Die Einheit wird bewirkt durch den in der Taufe empfangenen Hl. Geist. Freilich läßt sich dieses corpus Christi mysticum nicht rechtlich erfassen, es ist aber nach dem Apostel Paulus etwas Reales. Da Recht und Dogma in der katholischen Kirche ständig ineinander übergehen, darf der Kanonist diesen paulinischen Kirchenbegriff nicht ignorieren. Die Kirche ist eben mehr als eine bloß sichtbare Größe. Manches im Kirchenrecht wird dadurch verständlicher. Dieser Begriff der Kirche als corpus Christi mysticum wird heute so stark betont, daß das Wesen der Kirche als Anstalt, überhaupt als Rechtsinstitut, im Schrifttum der Gegenwart in den Hintergrund getreten ist.

2. Die Aufnahme in die Kirche.

Nach c. 87 wird der Mensch durch die Taufe eine Person in der Kirche, d.h. ein rechtsfähiges Wesen in der Kirche oder mit ändern Worten: er wird fähig, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Im bürgerlichen Leben wird heute jeder Mensch ein rechtsfähiges Wesen mit der Geburt (BGB. § l). Das hängt mit seinem Wesen als menschlicher Persönlichkeit zusammen. Dieser stehen von Natur aus gewisse Rechte zu, welche aus ihrem Wesen fließen. Früher war die Rechtsfähigkeit national beschränkt. Durch den Einfluß des Christentums und der Aufklärung fiel die Sklaverei, und so ist heute überall der Mensch als Mensch mit der Geburt ein rechtsfähiges Wesen. Davon muß man freilich die politischen Rechte ausnehmen. Solche stehen meistens nur den Staatsbürgern, nicht aber den im Land als Gäste sich aufhaltenden Staatsfremden zu. Freilich hat ein Staat die Möglichkeit, auch diesen das Staatsbürgerrecht durch Einbürgerung, Heirat oder Anstellung zu verleihen und sie damit in den Genuß aller bürgerlichen und politischen Rechte zu setzen.
Anders ist es in der Kirche. Sie ist eine Gemeinschaft, deren Zweck im Geistlichen und Obernatürlichen liegt. Deshalb kann die kirchliche Rechtsfähigkeit nicht schon mit der leiblichen Geburt entstehen. Diese braucht einen übernatürlichen Entstehungsgrund. Das ist die Taufe. Durch diese wird man ein rechtsfähiges Wesen und damit ein Mitglied der Kirche. So ist im Kirchenrecht nicht schon jeder Mensch, wohl aber jeder Christ ein rechtsfähiges Wesen. Der homo ist nicht schon eine persona in Ecclesia. Nur Glieder der Kirche können Rechte in der Kirche besitzen. Der Kirche ist die Macht genommen, ihre Rechte in ihrer Gesamtheit auf Nichtmitglieder auszudehnen, weil sie als Stiftung Christi an den Willen ihres Stifters gebunden ist.
So wird man Mitglied der Kirche nicht schon dadurch, daß man an Christus und die göttliche Stiftung der Kirche glaubt. Vielmehr muß man in die Kirche aufgenommen werden. Es gibt streng genommen keinen Kircheneintritt, sondern nur eine Kirchenaufnahme. Diese Aufnahme geschieht durch die Wassertaufe. Sie ist eine Todesgemeinschaft, aber auch ein Auferstehen und ein neues Leben mit Christus (Rom. 6, 3 f.). Die Taufe gliedert in Christus und damit in die Kirche ein'). "Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden" (l Kor. 12, 13). Die Taufe als sakramentale Heilsvermittlung bewirkt zugleich die rechtliche Mitgliedschaft der Kirche. Deshalb müssen sie auch solche Personen empfangen, über welche der Hl. Geist mit seinen Gnaden schon gekommen ist (Apg. 10, 47 f.). Die Taufe ist Gnadenakt und Rechtsakt. Beides ist untrennbar, wie die Kirche wesenhaft Gnaden- und Rechtsgemeinschaft ist. Gott steht freilich über dem Recht und der Rechtsordnung. Hat er aber einmal an ein Sakrament gewisse Rechtsfolgen geknüpft, so bleiben sie mit ihm verbunden. Gottes Wesen und Handeln ist jede Willkür fremd. Wer die Taufe gültig empfangen hat, ist, ob gewollt oder nichtgewollt, Mitglied der Kirche im Rechtssinn.
So geht die Erwerbung der kirchlichen Mitgliedschaft nicht von unten, sondern von oben aus. Der entscheidende Faktor ist die Kirche als Repräsentantin Jesu Christi und nicht der Mensch. Er wird eingegliedert und gliedert sich nicht selbst ein. Deshalb sagt c. 87: "Baptismate homo constituitur in Ecclesia Christi persona." Durch die Taufe wird der Mensch in der Kirche Christi zu einer Person. Er wird damit etwas, was er vorher nicht war. Er macht sich nicht selbst dazu, sondern aus ihm wird ein solches Wesen geschaffen. Er wird von der vor ihm und über ihm und außer ihm stehenden Heilsanstalt der Kirche erfaßt und in sie einverleibt. Wie die Kirche von oben gebaut ist (Stiftung Christi), so kommt die Mitgliedschaft auf dem gleichen Weg zustande. Sie wird verliehen.
Christus hat nur eine Kirche gestiftet. Diese numerische Einheit der Kirche ist begründet in der Absolutheit des Christentums. Christus ist die endgültige und höchste Offenbarung Gottes und sein Werk ist die endgültige und höchste Erhebung des Menschen zur Teilnahme an seiner göttlichen Natur. Eine höhere Selbstoffenbarung Gottes ist wesensmäßig nicht mehr möglich als durch seinen eingeborenen Sohn und ebensowenig eine höhere Bestimmung des Menschen als die Teilnahme an der Gottheit. Wenn die Kirche Christi Leib ist, so kann es nur eine Kirche Christi geben, in die man durch die Taufe einverleibt wird. So ist es völlig gleichgültig, ob es die feierliche Taufe oder die Nottaufe ist, ob sie innerhalb oder außerhalb der katholischen Kirche gespendet wird. c. 87 spricht einfach von der Taufe und von den Getauften, nicht wie manchmal von den baptizati in Ecclesia catholica (c. 1070 § l, 1099 § l). Deshalb gehören alle Getauften zu der einen Kirche Christi. Eine Taufe - eine Kirche (Eph. 4, 3 ff. Vgl. auch l Kor. l, 13). Die katholische Kirche betrachtet sich als diese Kirche Christi. So werden auch die Personen, welche nicht den katholischen Glauben bekennen, in die Heilsanstalt der katholischen Kirche einbezogen. Das ist katholisches Dogma. Hat jemand irgendwo gültig die Taufe empfangen, so ist er rechtlich Mitglied der Kirche.
Da die Taufe die Schöpfung eines neuen Menschen ist, der einer anderen Seinsordnung angehört, so ist sie ein einmaliges unwiderrufliches Ereignis, dessen Wirkungen nicht rückgängig gemacht werden können. Wer durch die Taufe in Christus eingepflanzt ist, bleibt es sein Leben lang. Der Christ ist und bleibt immer ein Glied eines höheren und größeren Ganzen, nämlich ein Glied der Kirche. Das ist der unverlierbare Taufcharakter, aber auch die unverlierbare Kirchenmitgliedschaft. Denn gerade durch den Taufcharakter wird die kirchliche Mitgliedschaft herbeigeführt. Durch den Charakter wird der Mensch Gott zu eigen. Der Taufcharakter ist das Eigentumsmerkmal Gottes und das Zeichen der Eingliederung in den Leib Christi, die Kirche. So wenig jemand seine leibliche Geburt rückgängig machen kann, ebenso wenig seine Wiedergeburt durch die Taufe.
Weil die Taufe eine reale und unverlierbare Bezogenheit zu Christus setzt, so gehören auch die gültig getauften Apostaten, Häretiker und Schismatiker zur Kirche. Heiden und Juden haben mit der Kirche nichts zu schaffen. Sie stehen draußen vor den Mauern der Kirche und haben nicht den geringsten Anteil an ihr. Anders solche, welche nach der Taufe mit ihrem christlichen Glauben vollständig gebrochen haben oder der Irrlehre anhängen oder sich vom Oberhaupt der Kirche losgerissen haben. Sie gehören zu den Schafen Christi, auch wenn sie irrende Brüder sind. Selbst wenn sie äußerlich aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind, ändert das nichts an ihrer realen Bezogenheit auf Christus und die Kirche. Die katholische Kirche kennt bzw. anerkennt keine Existenzberechtigung anderer Kirchen, auch wenn sie selbständige Rechtsgemeinschaften darstellen und ihre Mitglieder recht zahlreich sind. Innerlich bilden alle Getauften eine Einheit, ungeachtet des vielen Trennenden, das zwischen ihnen vorhanden ist. Das Ökumenische kann nie ganz ausgeschaltet werden. Das Rechtsband ist unzerreißbar und die kirchliche Rechtsfähigkeit unverlierbar.
Nun sagt uns aber unser Gefühl: Diese Personen, zwischen denen sich die größten Weltanschauungsgegensätze auftun, können doch nicht im gleichen Verhältnis zur Kirche stehen. Wenn die katholische Kirche die anderen christlichen Gemeinschaften nicht dogmatisch und rechtlich anerkennt, so nimmt sie doch tatsächlich auf sie Rücksicht und rechnet mit ihrer Existenz, c. 87 deutet einen Unterschied zwischen persona in Ecclesia, der kirchlichen Mitgliedschaft auf der einen Seite, und der communio ecclesiastica, der Teilnahme an der kirchlichen Gemeinschaft auf der anderen Seite an. Alle Getauften gehören zur Kirche, aber nicht alle stehen in der Gemeinschaft mit der Kirche. Denn durch einen obex wird die Gemeinschaft mit der Kirche gehindert oder unmöglich gemacht. Den gleichen Gedanken drückt c. 2257 § l aus: Die Exkommunikation schließt von der Gemeinschaft der Gläubigen aus (vgl. dazu c. 2268 § l)18). Statt von dieser communio ecclesiastica oder communio fidelium kann man auch sprechen von einer unio actualis cum Ecclesia. Jede gültige Taufe bewirkt wohl eine unio realis cum Ecclesia, aber diese ist noch keine unio actualis oder keine unio perfecta. Diese wird herbeigeführt durch den wahren Glauben, den Empfang der Sakramente und den Gehorsam gegen die kirchliche Obrigkeit. So ist es ein dreifaches Band, das die communio ecclesiastica hervorruft und sich um die Gläubigen schlingt, das vinculum symbolicum, liturgicum und hierarchicum. Wer nicht der Kirche angehört, kann nicht Mitglied der communio fidelium sein. Wohl aber kann man der Kirche angehören, ohne ein Glied der communio fidelium zu sein. Wer aber außerhalb der communio fidelium steht, ist nicht volles Mitglied der Kirche. Es wäre somit falsch zu behaupten, bloß diese Personen wären Mitglieder der Kirche. Vielmehr sind diese die vollen Mitglieder. Vorausgesetzt ist bei allen diesen Personen der gültige Empfang der Taufe. Es kann jemand den wahren Glauben haben, die Sakramente empfangen und der kirchlichen Obrigkeit Gehorsam leisten, ist er aber nicht oder nicht gültig getauft, so ist er nicht Mitglied der Kirche. Der gültige Empfang der Taufe ist die einzige Möglichkeit, die Kirchenmitgliedschaft zu erwerben. Es gibt keine geborenen Mitglieder der Kirche. Für die Kinder christlicher Eltern spricht nur die Präsumption, daß sie getauft sind.
Die vollen Mitglieder der Kirche sind die Katholiken. Die ändern heißen wir akatholische Christen, welche nach der kirchlichen Terminologie in Apostaten, Häretiker und Schismatiker zerfallen. Schon die Namen deuten noch in etwas ihre Zugehörigkeit zur Kirche an (FN 22: Gegen den Anspruch der katholischen Kirche auf alle Getauften ist von protestantischer Seite oft Widerspruch erhoben worden. Am Bekanntesten ist geworden der Brief Pius IX. an Kaiser Wilhelm I. vom 7. August 1873, in dem es hieß: "Denn jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in irgendeiner Beziehung oder auf irgendeine Weise, welche hier darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dem Papst an." Der Kaiser erwiderte darauf, er könne mit der Mehrheit seiner Untertanen in dem Verhältnis zu Gott keinen andern Mittler anerkennen als Jesus Christus (Mirbt, Quellen, S. 469 ff.). Abgesehen davon, daß die kaiserliche Antwort nicht den Kern der Sache traf, handelt es sich hier für die katholische Kirche nicht um eine Machtfrage, sondern um eine dogmatische Frage. Maßgebend ist für die Kirche der Wille ihres Stifters.), aber diese ist gelockert. Von diesen stehen noch am nächsten dem Zentum der Kirche die Schismatiker, weil ihre Losreißung sich nur auf die Organisation und Einheit der Kirche bezieht und damit das innerkirchliche Leben unberührt läßt. Schon weiter fortgeschritten ist der Loslösungsprozeß bei den Häretikern, weil bereits das Glaubensleben angegriffen wird. Ganz an der Peripherie der Kirche befinden sich die Apostaten, weil sie mit dem christlichen Glauben vollständig gebrochen haben. Dieser Glaube ist aber die Grundlage der Mitgliedschaft, weil die Kirche eine religiöse Gemeinschaft mit dem Glauben als Lebenskern ist. Die Trennung bzw. Lockerung kann zunächst eine rein innerliche sein, ohne daß sie nach außen irgendwie kundgegeben wird. Nicht selten aber tritt sie nach außen und schreitet schließlich bis zur äußeren Trennung von der Gemeinschaft der Kirche fort in der Form, daß man sich von ihr gänzlich lossagen will. Der erste Schritt gehört lediglich dem forum internum, der zweite dagegen dem forum externum (kirchliches Strafrecht) an. Allerdings entzieht sich diese innere Lockerung des Bandes der rechtlichen Klassifizierung. Deshalb hat der CIC einen anderen Weg gewählt.
Aus der Zugehörigkeit zur Kirche entstehen Rechte und Pflichten (c. 87: cum omnibus iuribus et officiis). So das allen Christen zustehende Recht auf die Spendung der hl. Sakramente, auf die Teilnahme am Gottesdienst, auf Unterricht im Glauben (c. 682), auf Rechtsschutz, auf kirchliches Begräbnis und auf das kirchliche Fürbittgebet. Als allgemeine Pflichten seien genannt der Gehorsam gegen die kirchliche Obrigkeit, die Teilnahme am Gottesdienst und Sakramentsempfang, die Ehrfurcht gegen den Klerus, das Bekenntnis des Glaubens, das Halten der Gebote und der Vorschriften der Kirche, die Entrichtung der kirchlichen Abgaben. Unter Rechten sind subjektive Rechte verstanden, wie die Anführung der Pflichten im gleichen Zusammenhang zeigt. Denn Rechte und Pflichten sind hier Korrelate. Daß man mit der Taufe auch Pflichten übernimmt, ist vom Tridentinum klar ausgesprochen.
Die Rechtsfähigkeit der Kirche hat nun verschiedene Grade. Es gibt vollberechtigte und minderberechtigte Mitglieder. Vollberechtigte Mitglieder sind auf jeden Fall nur die vollen Mitglieder. Die Rechtsfähigkeit kann durch zwei Momente gehemmt sein.
Einmal steht ein Hindernis im Weg, welches das Band der Gemeinschaft mit der Kirche hemmt bzw. aufhebt (c. 87: nisi, ad iura quod attinet, obstet obex ecclesiasticae communionis vinculum impediens). Gehemmt wird die Bekenntnis-, Sakraments- und Leitungsgemeinschaft mit der Kirche durch Apostasie, Häresie und Schisma. Diese strafbaren Handlungen mindern die kirchlichen Mitgliedschaftsrechte. Dagegen bleiben die Pflichten für diese Personen ungeschmälert in Kraft, c. 87 kennt hinsichtlich der Pflichten keine Einschränkung. Gewiß vermag die Kirche die Erfüllung dieser Pflichten nur mit geistlichen Mitteln zu erzwingen (vgl. c. 2214 ff.). Aber damit verlieren sie nicht ihren verbindlichen Charakter. Kommen die Rechtsverhältnisse dieser Personen (z. B. ihre Ehen) vor das kirchliche Forum, so betrachtet sich die Kirche als zuständig und entscheidet sie nach ihrem Recht, welches alle Getauften verpflichtet.
Manchmal greift auch noch ein fremder Wille ein, nämlich der Wille der Kirche und kürzt durch eine Zensur die kirchlichen Mitgliedschaftsrechte. Nach c. 2241 § 1 ist eine Zensur eine Strafe, durch welche ein Getaufter, welcher eine strafbare Handlung begangen hat und verstockt (contumax) ist, gewisser geistlichen Güter und solcher Güter beraubt wird, welche mit den geistlichen Gütern zusammenhängen, bis er, von der Hartnäckigkeit zurücktretend, Befreiung von der Strafe erlangt hat. Diese bona spiritualia und spiritualibus adnexa sind Rechte, welche als Strafe zum Zweck der Besserung entzogen werden. Die Wirkung ist je nach der Art der Strafe verschieden. Eigentlich kommt lediglich die Exkommunikation in Betracht, da die Suspension nur die Kleriker trifft und sie in ihrer Eigenschaft als Christen und Katholiken unberührt läßt. Das Interdikt ist teilbar und beraubt nicht immer aller geistlichen Güter. Aber auch so bleibt der Satz bestehen: Die Zensuren entheben den Betroffenen nicht der Pflichten. Daher ist in c. 87 in dem Nachsatz (nisi...) der Zwischensatz "ad iura quod attinet" an die Spitze gestellt. Die vordringlichste Pflicht der Zensurierten besteht darin, daß sie durch Verzicht auf die contumacia dafür sorgen, daß die kirchliche Strafe aufgehoben wird.
c. 87 unterscheidet somit zwei Fälle der Rechtsminderung. Im ersten Fall steht der Gemeinschaft mit der Kirche ein obex im Wege. Der Ausdruck stammt bekanntlich aus der Sakramentenlehre und will besagen, daß die Sakramente die Gnade spenden, falls kein obex das hindert; bei den Sakramenten der Toten ist es der Mangel an Reue und Buße, bei den Sakramenten der Lebendigen das Fehlen des Gnadenstandes. Diese Defekte beruhen auf dem moralischen Zustand des Empfängers. Sie sind ein Umstand, welcher in einer Eigenschaft dieser Personen liegt. So muß der obex ecclesiasticae communionis ebenfalls bewußt gesetzt sein. Deshalb wird er nur bei einem erwachsenen Apostaten, Häretiker und Schismatiker angenommen, also nicht bei Kindern bis zu dem vollendeten 7. Lebensjahr. Bis zu diesem Alter gelten alle Kinder als in der katholischen Kirche getauft und genießen alle kirchlichen Rechte. So z.B. das Recht auf das kirchliche Begräbnis, falls nicht daraus Ärgernis entsteht. Diese Zeit geht nicht bis zur Konfirmation. Maßgebend ist vielmehr die Erlangung des Gebrauchs der Vernunft. Daher bedarf es bei den infantes keiner langen Untersuchung, in welchem Ritus sie getauft sind und ob sie durch die Taufe nach dem Willen der Eltern oder des Täufers oder nach dem eigenen Willen der katholischen Kirche hätten zugeführt werden sollen. Somit sind eine Zeitlang alle Getauften vollberechtigte Mitglieder der Kirche. Sobald die Kinder zum Gebrauch der Vernunft gelangt sind, wird vermutet, daß sie sich selbst entscheiden. Die Möglichkeit dazu besteht. Von da ab beginnt der Religionsunterricht bzw. das eigene religiöse Suchen. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit, daß die Glaubensgemeinschaft mit der katholischen Kirche ein Ende nimmt. Diese Minderjährigen (nach c. 88 § 3 sind es keine Kinder mehr) hängen jetzt öffentlich einer häretischen oder schismatischen Sekte an. Deshalb setzt eine Scheidung in vollberechtigte und beschränkt berechtigte Mitglieder ein.
Bei den formellen Apostaten, Häretikern und Schismatikern tritt zu dem vorhandenen obex noch eine Zensur (Exkommunikation). So treffen bei diesen Personen die beiden Tatbestandsmerkmale des c. 87 zu. Diese Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche sind allerdings nicht die einzigen Delikte, welche mit Zensuren geahndet werden. Bei diesen strafbaren Handlungen ist dann nur der zweite Tatbestand gegeben. Doch ist es schwer einzusehen, warum hier nur die Zensuren genannt sind, nicht aber auch die Vergeltungsstrafen, welche doch auch die Getauften kirchlicher Rechte berauben.
Der rechtlichen Stellung nach besteht zwischen den Apostaten, Häretikern und Schismatikern auf der einen Seite und den Zensurierten auf der anderen Seite kein Unterschied (Rechtsminderung). Allerdings spricht c. 87 nur bei der ersten Kategorie von der Hinderung des vinculum communionis ecclesiasticae, allein c. 2257 § l holt das Fehlende hinsichtlich der Exkommunizierten nach. Ein gewisser Unterschied besteht natürlich in anderer Beziehung. Im ersten Fall tritt die Ausscheidung aus der communio fidelium von selbst ein, im zweiten Fall wird sie von der Kirche wenigstens bei der Exkommunikation als dem am häufigsten vorkommenden Fall der Zensuren herbeigeführt. Die andern Zensuren (und Kirchenstrafen) bringen ebenfalls eine gewisse Rechtsentziehung mit sich, doch greifen sie nicht die communio fidelium an. Schuld an der Strafe sind bald Apostasie, Häresie und Schisma, bald die pertinacia. Apostasie, Häresie und Schisma sind Verweigerung des Glaubensgehorsames, pertinacia ist hartnäckiger Ungehorsam gegen eine kirchliche Mahnung (c. 2242 § 2). Insofern hängen diese beiden Tatbestände auch innerlich in ihren moralischen Ursachen zusammen. Bei Apostasie, Häresie und Schisma soll ein obex im Wege stehen. Warum nicht auch bei einer censura ab Ecclesia lata? Freilich wäre dieser letztere obex von der Kirche direkt gesetzt, indirekt von den Christen durch ihre pertinacia; seine spezielle Wirkung wäre, wenn man alle Zensuren in Betracht zieht, eine andere.
Da die kirchliche Rechtsfähigkeit mit der Taufe beginnt, so ist jedes getaufte Kind vom zartesten Alter an voll rechtsfähig. Davon muß man freilich unterscheiden die Handlungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, die Rechte auszuüben und gewisse Rechtswirkungen hervorzubringen. Handlungsfähig wird in der Kirche eine Person mit dem vollendeten 7. Lebensjahr, obgleich einem Christen erst mit dem vollendeten 21. Lebensjahr die Ausübung aller Rechte zusteht. Kinder unter 7 Jahren und dauernd Geisteskranke sind handlungsungfähig. So gleichen die Apostaten, Häretiker und Schismatiker und die Zensurierten nicht etwa den Getauften zwischen 7-21 Jahren. Vielmehr ist ihre kirchliche Stellung noch schlechter.
Die römisch-katholische Kirche ist nicht die ganze Kirche. Die griechisch-unierte Kirche gehört noch dazu. Beides sind gleichberechtigte Teile der einen katholischen Kirche (c. 98). Über die Zuweisung zu einem der beiden Teile entscheidet der Ritus der Taufe. Wie man durch die Taufe überhaupt der Kirche einverleibt wird, so durch den Ritus der Taufe einem bestimmten Teil der Kirche, welcher durch die Einheit des Glaubens, der Sakramente und der Leitung mit dem Ganzen verbunden ist. Ein Kind muß im Ritus seiner Eltern getauft werden. Gehören die Eltern zwei verschiedenen Riten an, dann im Ritus des Vaters, vorausgesetzt, daß er überhaupt katholisch ist, sonst im Ritus der Mutter (c. 756). Das ist die allgemeine Vorschrift und die Bedeutung des Taufritus. Ist ein Kind per fraudem oder in dringender Not oder mit apostolischer Dispens in einem andern als dem gesetzmäßigen Ritus getauft worden, so soll es trotzdem dem gesetzlichen Ritus angehören. Das waren eben außerordentliche Fälle. Maßgebend ist der Ritus, im welchem man hätte getauft werden sollen. Nachher soll man in dem Ritus bleiben, dem man angehört. Den Klerikern ist es streng untersagt, andere zum Wechsel des Ritus zu verleiten (Gefahr der Eifersucht und des Streites). Zum Rituswechsel (Annahme eines neuen Ritus oder Rückkehr zum früheren) ist die Erlaubnis des Hl. Stuhles erforderlich. Ein eigenmächtiger Rituswechsel wäre nichtig.
Eine Ausnahme besteht bei Eheleuten. Um den aus der Verschiedenheit des Ritus in einer Familie entspringenden Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, steht es der Frau frei, den Ritus des Mannes anzunehmen entweder bei der Eheschließung oder während des Verlaufs der Ehe durch eine besondere Erklärung. Die Eheschließung als solche führt noch keine Ritusänderung herbei. Ist die Ehe aufgelöst (aber nicht früher), so steht der Frau der Rücktritt offen, außer das Partikularrecht würde etwas anderes bestimmen (c. 98 § 4). Der Empfang der hl. Kommunion in einem andern Ritus, auch wenn er täglich erfolgt, bringt noch keine Ritusänderung mit sich (c. 98 § 5). Denn es ist allen Gläubigen jedes Ritus gestattet, die hl. Kommunion allein schon der Frömmigkeit wegen in jedem Ritus zu empfangen (c. 866 § l. Vgl. auch c. 851). Das gleiche gilt für die Beicht und den Besuch der hl. Messe (c. 905, 1249). Es herrscht Sakramentsgemeinschaft. Die Ehen sollen im Ritus des Mannes und vor dem Pfarrer des Mannes geschlossen werden (c. 1097 § 2). Alle diese Bestimmungen über Ritus und Rituswechsel gelten aber nur für den lateinischen und griechischen Ritus, nicht aber für die Beziehungen der verschiedenen griechischen Riten untereinander.
Der griechisch-unierte Ritus umfaßt eine verhältnismäßig kleine Bekennerzahl und doch ist er wichtig als Brücke zu den schismatischen Griechen und Russen. Schon deswegen, aber auch wegen der Anhänglichkeit des Volkes an seinen schönen alten Ritus will die römisch-katholische Kirche diesen Ritus erhalten und sucht ihm neuerdings neues Leben dadurch einzuhauchen, daß sie den Übertritt von römisch-katholischen Geistlichen zum griechischen Ritus erleichtert. Wohl ist die päpstliche Erlaubnis dazu notwendig, allein das heißt nicht, daß in jedem Fall in Rom große Schwierigkeiten gemacht würden. Man kann in der Erlaubniserteilung sehr freigebig sein. In nicht wenigen Fällen beruht die Meinungsverschiedenheit, ob jemand Mitglied der Kirche sei oder nicht, auf einem Mißverständnis oder auf dem verschiedenen Sprachgebrauch. Man kann nämlich unter Mitgliedschaft einmal verstehen die einfache Zugehörigkeit zur Kirche. Sodann aber auch die aktive Mitgliedschaft, so daß die Angehörigen Rechte in der Kirche besitzen. Der Unterschied deckt sich mit dem zwischen passiver und aktiver Mitgliedschaft. Doch haben die aktiven Mitglieder auch Pflichten und sind in diesem Sinn ebenfalls Untertanen der Kirche. So sind die Apostaten, Häretiker und Schismatiker im wesentlichen nur Untergebene. c. 1350 spricht lediglich von einer Obsorge der Kirche für die Andersgläubigen, nicht von einem Rechtsanspruch, zumal unter den Akatholiken die Ungetauften nicht ausgeschlossen zu sein scheinen. c. 809 stellt die Applikation für sie (alle Lebenden und die Seelen im Fegfeuer) bloß frei (integrum est Missam applicare). Sie haben kein Klagerecht im Eheprozeß; ein solches muß ihnen erst von Fall zu Fall von der Kirche eingeräumt werden. Wohl aber sind sie als Zeugen im Heiligsprechungsprozeß zuzulassen (wie die infideles; c. 2027 § 1) und ausnahmsweise auch als Prozeßstellvertreter und als Anwalt, wenn es notwendig ist (c. 1657 § 1). So sind es ganz dem Sinn des c. 87 entsprechend im wesentlichen nur Pflichten, die freilich von ihnen oft nicht erfüllt werden können (vgl. c. 859, 906, 1248, 731 § 2). Trotzdem bleibt die Rechtsfähigkeit und damit die kirchliche Mitgliedschaft erhalten. Denn die Rechtsfähigkeit bedeutet nur die Fähigkeit zur Erlangung von Rechten. Sie ist nur eine Potenz. Die subjektiven Rechte brauchen noch gar nicht vorhanden zu sein, jedenfalls nicht in ihrer ganzen Fülle. Es genügt das rechtliche Fundament für sie.
Manche konstruieren einen Unterschied zwischen membra Ecclesiae und subditi Ecclesiae. Die offenen Apostaten, Häretiker und Schismatiker sollen nur Untergebene der Kirche sein, weil sie den kirchlichen Gesetzen unterworfen blieben. Diesen Unterschied kennt der CIC nicht, außer man würde unter membra die vollberechtigten Mitglieder begreifen. Wenn nur die Getauften den kirchlichen Gesetzen unterworfen sind (c. 12), die Taufe aber aus dem Menschen ein kirchlich rechtsfähiges Wesen und damit ein Mitglied der Kirche macht (c. 87), so sind alle Personen, welche dem kirchlichen Gesetz und damit der Kirche unterworfen sind, Angehörige, d. h. Mitglieder der Kirche.

5. Mitgliedschaft und Staat.

Die kirchliche Mitgliedschaft galt von jeher als eine innerkirchliche Angelegenheit. Hier bewegt sich die Kirche auf ihrem ureigensten Gebiet. Ein staatlicher Aufnahmezwang gegenüber der Kirche ist ausgeschlossen. Der Staat kann der Kirche keine Mitglieder aufdrängen. Maßgebend sind die eigenen Grundsätze der Kirche. Daneben ist die Kirche noch in der Lage, sich in Deutschland auf ihr Selbstverwaltungsrecht (Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung) und auf die allgemeine Glaubens- und Gewissensfreiheit zu berufen. Nirgends gibt es staatliche Kircheneintrittsgesetze, wohl aber Kirchenaustrittsgesetze, welche die Kirchenmitgliedschaft voraussetzen. Staatliche Kircheneintrittsgesetze wären völlig unnötig, weil der Staat - anders als beim Kirchenaustritt - über die Wirkungen der Aufnahme die gleiche Auffassung hat wie die Kirche. Staatliche und kirchliche Wirkungen fallen zusammen. Die Bestimmung, wer Kirchenmitglied ist, wird den einzelnen Religionsgesellschaften überlassen schon mit Rücksicht auf die großen Meinungsverschiedenheiten auf evangelischer Seite. So kann niemand vor dem staatlichen Beamten erklären, daß er in die Kirche eintreten wolle. Der Beamte müßte diese Person an die betreffende Kirche verweisen. Denn einmal kennt der staatliche Beamte nicht die Anforderungen, welche die Kirche an ihre Mitglieder stellt. Sodann liefe die Kirche Gefahr, durch Aufnahme ungeeigneter Elemente ruiniert zu werden.
Eine Mitgliedschaft (d.h. eine volle) kann auch entstehen durch Rücktritt. Diese Rücktritte sind nicht selten. Doch befassen sich die staatlichen Gesetze nicht damit, weil sie sich aller Bestimmungen über die Begründung der kirchlichen Mitgliedschaft enthalten wollen. Eine Ausnahme macht das württembergische Gesetz über die Kirchen vom 3. März 1924 in seinem § 15: "Ist der Ausgetretene in eine andere Religionsgesellschaft aufgenommen worden oder in die Kirche zurückgetreten, so hat der Standesbeamte auf seinen Antrag oder auf den Antrag der beteiligten Kirche dem Protokoll über die Erklärung des Austritts auf der Austrittsbescheinigung einen Vermerk über die Aufnahme beizufügen. Die Aufnahme ist dem Standesbeamten durch eine Bescheinigung der Religionsgesellschaft nachzuweisen." Das setzt einen Antrag der beteiligten Kirche oder der betreffenden Person voraus. In Wirklichkeit steht nur der Kirche ein Urteil darüber zu, ob jemand in sie aufgenommen ist oder nicht. Deshalb ist die Kirche in erster Linie antragsberechtigt, die betreffende Person nur dann, wenn sie durch eine Bescheinigung der Religionsgesellschaft ihre Zugehörigkeit dartut. So sind die Rechte der Kirche gewahrt und ist die erforderliche Rechtssicherheit erzielt.
In Ländern wie Preußen und Bayern ist weder ein Widerruf des Austritts noch eine Erklärung des Wiedereintritts vor einer staatlichen Stelle noch ein solcher Vermerk zu den Austrittsakten möglich. Die Gesetze schweigen darüber. Sie regeln nur den Austritt. Der Vermerk auf der Austrittserklärung hätte auch keine staatliche Wirkung. Der Wiedereintritt wird als eine rein kirchliche Sache behandelt. Soll er staatliche Wirkung haben, so ist er den interessierten staatlichen Stellen (Meldeamt, Finanzamt, Polizeibehörde) von den Pfarrämtern zu melden. Die staatlichen Stellen begnügen sich mit dieser amtlichen kirchlichen Anzeige. Sollte sie falsch sein, so hat die betreffende Person die Möglichkeit der Beschwerde beim Bischof gegen das Pfarramt bzw. es steht ihm offen, aufs neue den Austritt aus der Kirche zu erklären. Überdies haben die Behörden das Recht, jeden nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, soweit davon Rechte und Pflichten abhängen (Weimarer Reichsverfassung Art. 136).
Etwas weiter geht die staatliche Gewalt bei der Bestimmung des religiösen Bekenntnisses der Kinder (Gesetz vom 15. Juli 1921). Damit übt der Staat einen direkten und indirekten Einfluß auf die Zugehörigkeit zur Kirche aus. Einen indirekten damit, daß er festsetzt, wer über die religiöse Erziehung zu befinden hat, einen direkten damit, daß er das Bekenntnis selbst bestimmt (Vormundschaftsgericht), in welchem ein Kind zu erziehen ist, und seine Entscheidung nötigenfalls mit Zwangsmitteln durchführt. Das genannte Gesetz will die Frage der Zugehörigkeit zu einer Kirche nicht regeln. Denn das ist Sache der betreffenden Kirche. Das Gesetz ordnet nur die religiöse Erziehung. Wie weit dann ein Kind schon durch die religiöse Erziehung allein Mitglied einer bestimmten Kirche wird oder ob sonst noch etwas zur Aufnahme notwendig ist (Taufe, bedingte Taufe, Konversion, Religionsunterricht usw.), wird dem betreffenden Bekenntnis überlassen. Jedenfalls aber ist von der religiösen Erziehung die Zuweisung zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft unzertrennbar. Der Staat hat sich gegenüber früher von dieser Sache ziemlich zurückgezogen. Er läßt dem Elternwillen viel mehr Spielraum und achtet möglichst die Gewissensfreiheit von Eltern und Kindern.
Hier soll ein knapper Überblick über das heutige Recht gegeben werden. Heute bestimmt über die religiöse Erziehung eines Kindes die freie Einigung der Eltern, soweit ihnen das Recht und die Pflicht zusteht, für die Person des Kindes zu sorgen (§ 1). Besteht eine solche Einigung nicht oder nicht mehr (Rücktritt des einen Teils von der Einigung, Tod des einen Teils), so setzt der Teil das Bekenntnis fest, dem die Personensorge obliegt (§ 2). Das ist in der Regel der Vater. Doch ist seine Macht nicht unbegrenzt. Der Vater ist an die Zustimmung der Mutter in drei Fällen gebunden. Einmal wenn die Erziehung in einem ändern als dem zur Zeit der Eheschließung gemeinsamen Bekenntnis erfolgen soll (ungemischte Ehe). Sodann wenn die religiöse Erziehung schon begonnen hat (Taufe, mit Ausnahme der Nottaufe, konfessionelle Unterweisung zu Hause, konfessionelle Kinderschule, Bekenntnisschule, Religionsunterricht, Besuch des Gottesdienstes). So beginnt die religiöse Erziehung nicht erst mit der Schulpflicht, sondern mit der Geburt, zumal auf katholischer Seite mit ihrer viel früheren und intensiveren Einführung in das kirchliche Leben. Drittens, wenn das Kind von dem Religionsunterricht, den es bisher erhalten hat, abgemeldet werden soll. Verweigert die Mutter die Zustimmung, so kann die Vermittlung oder sogar die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Bei der Vermittlung sind nachher beide Teile in ihrem Handeln frei, dagegen haben sie sich einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zu fügen. Hier ist die Kirchenzugehörigkeit in die Hand einer staatlichen Stelle gelegt. Doch haben beide Teile durch die Anrufung der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts sich ihres religiösen Bestimmungsrechts begeben. Nimmt nur der eine Teil seine Zuflucht zum Vormundschaftsgericht, so war das Recht strittig und es war ungewiß, ob er mit seinen Ansprüchen durchdringen werde. Aber es bleibt dabei: der religiös neutrale Staat bestimmt hier die religiöse Erziehung. Das Recht der Beschwerde an das Landgericht ändert an dieser Sachlage nichts. Freilich maßgebend sollen dabei die Zwecke der Erziehung sein. Es wird somit von dem Richter verlangt, daß er sich über den Streit der Bekenntnisse stelle und sich lediglich von dem Gesichtspunkt leiten lasse: Welches Bekenntnis läßt für das Kind eine bessere Erziehung erhoffen? Welcher Elternteil ist für die Erziehung der geeignetere? Den Ausschlag sollen die Interessen des Kindes geben. Aber muß dabei nicht auch ein Urteil über den erziehlichen Wert eines Bekenntnisses oder einer Weltanschauung gefällt werden?
Neben Eltern und Vormundschaftsgericht wird auf den Willen des Kindes selbst Rücksicht genommen. So ist das Kind vor einem Wechsel des religiösen Bekenntnisses zu hören, wenn es das 10. Lebensjahr vollendet hat, doch muß das Vormundschaftsgericht dem Wunsch des Kindes nicht nachkommen (§ 3 Abs. 3). Nach dem vollendeten 12. Lebensjahr kann ein Kind gegen seinen Willen nicht in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden (auch nicht durch die Eltern). Vom vollendeten 14. Lebensjahr an ist es bekenntnismündig und damit in der Wahl des Bekenntnisses frei (§ 5). Ist das Kind aber bis zum 12. Lebensjahr in keinem Bekenntnis und in keiner Weltanschauung erzogen worden, so vermögen die Eltern oder das Vormundschaftsgericht auf Antrag eine solche bekenntnismäßige oder weltanschauliche Erziehung zu verfügen. Dagegen kann ein bekenntnismündiges Kind tun, was es will, bei seinem Bekenntnis bleiben, sein Bekenntnis wechseln oder keinem Bekenntnis und keiner Weltanschauung angehören. Der Staat kümmert sich nicht darum. Die Eltern sind darin gegenüber ihren Kindern machtlos. Das Kind ist in dieser Angelegenheit unabhängig von den Erziehungsberechtigten, trotzdem in andern Punkten das Erziehungsrecht der Eltern erst mit der Volljährigkeit endigt.
Nun ist freilich das Gesetz vom 15. Juli 1921 nur eine Ergänzung zum BGB. und will eben deshalb nur eine familienrechtliche Frage regeln. Allein es ließ sich nicht verhindern, daß man im öffentlichen Recht eine Angleichung an das Gesetz herbeiführte. So ist nach dem Erlaß des obigen Gesetzes das Alter für den Austritt aus der Kirche so ziemlich überall auf das vollendete 14. Lebensjahr festgesetzt worden. Wo eine solche ausdrückliche gesetzliche Anordnung fehlte, haben Rechtssprechung und Praxis ebenfalls das vollendete 14. Lebensjahr angenommen. Da nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung das Kind mit dem vollendeten 14. Lebensjahr bestimmen kann, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will, so hat es allein zu entscheiden, o b es zu einem Bekenntnis und zu welchem Bekenntnis es gehören will.
Bedenken gegen die frühe Ansetzung des Termins der Bekenntnismündigkeit sind immer wieder laut geworden. Man sagt, eine Entscheidung in einer solch wichtigen Angelegenheit erfordere eine bestimmtes Maß von geistiger und sittlicher Reife. Die religiöse Einwirkung der Eltern solle in einem Alter ihre rechtliche Stütze verlieren, wo sie am notwendigsten ist und wo die kritischen Jahre der Kinder erst kommen. Allerdings waren es gerade die Vertreter der kirchlich katholischen Interessen, welche bei der Beratung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung und schon früher bei den Vorarbeiten für das BGB und beim Toleranzantrag einen solch frühen Termin erstrebten. Sie stimmten für das vollendete 14. Jahr, weil das ein natürlicher Abschnitt des Lebens mit einer gewissen körperlichen, geistigen und sittlichen Reife sei; die Schulpflicht und der religiöse Unterricht sei zu Ende und der Mensch stehe vor der Berufswahl, ja sei manchmal schon wirtschaftlich selbständig. Überdies sei ein frühzeitiger Wegfall des elterlichen und staatlichen Zwanges zum Bekenntniswechsel wünschenswert. Das 14. Lebensjahr gelte schon in dem größeren Teil Deutschlands, ohne daß sich erhebliche Mißstände gezeigt hätten. Die Befürworter dachten in erster Linie an einen Bekenntniswechsel und an ein gründliches Einleben in das neue Bekenntnis, das durch eine zu hohe Altersgrenze (vollendetes 21. Lebensjahr wie in Bayern) nicht unnötig erschwert werden sollte, weniger dagegen an den Kirchenaustritt ohne Anschluß an ein Bekenntnis. Gewiß verlangt die Gewissensfreiheit, daß man sein religiöses Bekenntnis ändern darf. Allein es fragt sich nur, nach welcher Richtung die Gewissensfreiheit eines Schutzes bedürftig ist. Sollte diese Gewissensfreiheit bei diesen "Kindern" nicht auch gegen Verhetzung und gegen einen Druck von außen geschützt werden - etwa durch eine Hinaufsetzung des Austrittsalters?
Nun weist man auf den Satz des katholischen Kirchenrechts hin, wonach Kinder schon mit der Erlangung des Vernunftsgebrauchs sich für den christlichen Glauben und die Taufe zu entscheiden vermögen. Diese Bestimmung ist wie so manche andere in favorem fidei gegeben, als große Begünstigung der christlichen Religion und als Begünstigung der Kinder. Die Taufe bedeutet die Teilnahme am göttlichen Sein und damit eine unendliche Bereicherung der Kinder. Den Kirchenaustritt dagegen sieht die Kirche als eine schwere Sünde und als ein schweres Vergehen an. Das Christentum ist für die katholische Kirche die Religion. Deshalb lehnt sie es ab, dieses grundsätzlich auf die gleiche Stufe mit Weltanschauungsgruppen oder vollends mit der Religionslosigkeit zu stellen und diesen die gleichen Rechte einzuräumen. Die Eltern sind nicht völlig ausgeschaltet (vgl. c. 750 § 2, 860, 1335). Die Kirche schaut bei Kindern mehr auf die Aufnahmebereitschaft und den frommen Zug des Herzens, den sie als Gnade Gottes betrachtet, als auf die volle Erkenntnis. Sie weiß natürlich ebensogut wie andere Leute, daß ein Kind noch nicht imstande ist, die katholische Lehre gänzlich zu verstehen bzw. die Glaubensirrtümer zu durchschauen. Das ist nicht einmal bei vielen Erwachsenen der Fall. Darum ist für die Kirche der Glaubenswille maßgebend (fides implicita), der bei einem Kind nach Erlangung des Gebrauchs der Vernunft nicht unmöglich ist. Nach dem Reichsgesetz über die religiöse Kindererziehung soll ein Kind vor dem Bekenntniswechsel gehört werden, wenn es das 10. Lebensjahr vollendet hat - also gewiß auch in sehr jungen Jahren. Es soll nicht nur Objekt von Eltern und Vormundschaftsgericht sein.

Zweites Kapitel.

Der Kirchenaustritt.

II. Kirchliche Verurteilung.

1. Unmöglichkeit.

Wie es nach katholischer Auffassung keinen Kircheneintritt gibt, nicht einmal bei Erwachsenen, so auch keinen Kirchenaustritt. Die Kirchenmitgliedschaft ist wegen des Taufcharakters unverlierbar. Die Kirche ist eine Gemeinschaft besonderer Art. Die modernen Freiheitsbegriffe lassen sich nicht ohne weiteres auf die Kirche übertragen. In der Kirche gilt nicht der Satz des römischen Rechts, daß niemand wider seinen Willen in einer Gemeinschaft festgehalten werden könne. Dieser Satz schneidet aller echten Gemeinschaft die Wurzeln ab.
Die Taufe schafft wohl ein Rechtsverhältnis zwischen der Kirche und den Getauften, aber ein solches, das der Willkür der Getauften entzogen ist. Es ist ein geistiges Band, das sich nicht vergleichen läßt mit der Zugehörigkeit zu einem Verein oder zu einer Anstalt oder mit einem Arbeitsverhältnis, wohl aber mit einem Naturverhältnis, wie die Taufe ja das Sakrament der Wiedergeburt ist. So wenig sich ein Sohn von seinem Vater oder von seiner Sippe und Familie oder ein Volksgenosse von seinem Volk oder Stamm oder ein Mensch von der Menschheit lossagen und alle seinshaften Verbindungen mit ihnen abschütteln kann, so wenig ist es nach der Taufe möglich, von dem in der Taufe empfangenen übernatürlichen Sein und damit von der Kirche völlig loszukommen. Gewiß, der Getaufte mag jedes christlichen Sinnes bar sein und seiner Gesinnung nach längst jenseits der Kirche stehen, die Verbindung mit der Kirche ist unaufhebbar. Der Austretende mag so tun, als ob er sich von der Kirche trenne; sein Verhalten führt nicht zu dem gewünschten Ziel. Eine Abkehr von der Kirche löst das Band nicht völlig. Dieser Standpunkt der Kirche ist weder ihrer Herrschsucht noch ihrer Hirtensorge entsprungen, sondern beruht auf dem Dogma und dem ius divinum, an welches auch die Kirche unverbrüchlich gebunden ist.
Allerdings hat dieser versuchte Kirchenaustritt doch gewisse kirchenrechtliche Folgen.

2. Die Vergehen gegen den Glauben.

Die Kirche sieht in dem Kirchenaustritt ein Vergehen gegen den Glauben. Von diesen Vergehen führt c. 1325 § 2 Apostasie, Häresie und Schisma an.
Apostat ist, wer nach der Taufe ganz vom christlichen Glauben abfällt. Vorausgesetzt ist somit, daß die betreffende Person einmal im Leben die Taufe gültig empfangen hat. Sonst untersteht sie ja gar nicht der Kirche und kann keine kirchlich strafbare Handlung begehen. Damit, daß jemand nicht mehr in die Kirche oder nicht mehr zu den Sakramenten geht und so äußerlich einem religiösen Indifferentismus huldigt, ist er noch kein Apostat. Er kann trotzdem noch innerlich am christlichen Glauben festhalten. Sein und Sollen fallen in einem solchen Leben auseinander. Der Abfall besteht vielmehr darin, daß jemand die spezifisch christlichen Dogmen zusammen oder wenigstens die eine oder andere grundlegende christliche Wahrheit wie das Dasein Gottes, die Persönlichkeit Gottes, die Dreifaltigkeit, die Unsterblichkeit der Seele, die Offenbarung oder die Gottheit Christi und damit das gesamte Christentum leugnet. Dabei ist es gleichgültig, ob dieser Apostat Atheist oder Freidenker bleibt oder ob er einer nichtchristlichen Religionsgesellschaft beitritt (Renegat). Eine Apostasie kann auch in konkludenten Handlungen liegen.
Im Gegensatz dazu ist Häretiker, wer nach der Taufe, ohne vom christlichen Glauben abzufallen, hartnäckig eine von den Wahrheiten leugnet, welche fide divina et catholica zu glauben sind. Der Häretiker wirft nicht den ganzen christlichen Glauben weg, sondern nur einzelne Wahrheiten oder er zweifelt wenigstens ernsthaft daran.
Zur Häresie gehören drei Elemente: Der Widerstand gegen die Offenbarung Gottes, die Auflehnung gegen das kirchliche Lehramt und der beharrliche böse Wille. Ist jemand überzeugt, daß Gott eine Wahrheit geoffenbart hat, so ist diese Wahrheit von ihm zu glauben, weil niemand Gott den Glauben entziehen darf. Denn Gott kann nicht irren und nicht in Irrtum führen. Die Glaubenspflicht erwächst schon dann, wenn der einzelne Mensch erkennt, daß hier eine Offenbarung Gottes vorliegt, nicht erst für den Fall, daß ihm zum Bewußtsein kommt, daß die Kirche eine Entscheidung darüber gegeben hat. Dieser Glaube, der sich allein auf die Offenbarung Gottes stützt, heißt fides divina.
Wenn nun die Kirche durch das ordentliche Lehramt oder in außerordentlicher Weise durch ein allgemeines Konzil oder durch eine Kathedralentscheidung des Papstes verkündet, daß solche Wahrheiten in der Offenbarung enthalten sind und diese damit zu glauben vorstellt, sind diese Wahrheiten fide divina et catholica zu glauben. So der Primat, die Unfehlbarkeit des Papstes, die Einsetzung der sieben Sakramente durch Christus usw. Die Richtschnur des katholischen Glaubens ist die Verkündigung der Kirche, welche den Offenbarungsinhalt im Namen Gottes vorlegt. Der Häretiker sträubt sich gegen die Offenbarung Gottes wie gegen die Verkündigung durch die Kirche zugleich. Ein bloßer Widerstand gegen die von der Kirche noch nicht verkündigte Offenbarung ist keine Häresie, vielmehr muß die Kirche zuvor gesprochen haben. Der Häretiker wählt aus diesen kirchlichen Glaubenswahrheiten beliebig aus, was er will, und beschränkt den Glauben auf gewisse kirchliche Lehren. Meistens fügt er noch eigene falsche Lehren hinzu. Manchmal geht er nicht ganz so weit. Er zweifelt nur bewußt an bestimmten, von der Kirche vorgelegten Wahrheiten.
Weil die Häresie ein verstandesmäßiges und ein willensmäßiges Moment enthält, so gehört noch dazu die Hartnäckigkeit (pertinacia). Der Häretiker weiß, daß sein Glaube nicht mit der Lehre der unfehlbaren Kirche übereinstimmt - und trotzdem hält er mit seinem Willen an seiner abweichenden Ansicht fest. Irrt jemand in Glaubenssachen nur aus Unwissenheit, selbst wenn es in hohem Grade (ignorantia crassa) und aus eigenem gröblichem Verschulden wäre, hat er aber den Willen, sich dem Urteil der Kirche zu unterwerfen, so ist er kein Häretiker, weil die Hartnäckigkeit fehlt. Zu dieser gehört das Bewußtsein des Irrtums und die Anhänglichkeit an den Irrtum. Die Häresie hat ihren Sitz in letzter Linie im Willen. Sie ist strafrechtlich vollendet mit der Äußerung der häretischen Gesinnung.
Zur Häresie gehört nicht begriffsnotwendig, daß jemand eine häretische Sekte stiftet oder sich einer schon bestehenden anschließt. Es genügt vielmehr, wenn jemand, im Schoß der Kirche bleibend, auch nur eine Glaubenswahrheit leugnet oder bezweifelt. Ein solcher greift das Fundament des Glaubens, die Offenbarung Gottes, und das kirchliche Lehramt, also den Glaubensgrund (die untrügliche Autorität Gottes) und die Glaubensregel (das unfehlbare Lehramt der Kirche) an. Wegen dieser radikalen Unterhöhlung des dogmatischen Lehrgebäudes unterscheidet sich die Häresie nach der gewöhnlichen Auffassung nicht qualitativ, sondern nur quantitativ von der Apostasie. Der Apostat bricht mit dem ganzen Christentum überhaupt, der Häretiker zunächst nur mit der einen oder ändern christlichen Wahrheit, doch bleibt, wie die Geschichte zeigt, die Entwicklung wegen des in der Häresie liegenden Gesamtangriffs nicht dabei stehen.
Schismatiker ist, wer sich weigert, dem Papst unterworfen zu sein, oder mit den ihm unterworfenen Gliedern der Kirche Gemeinschaft zu haben. Das Schisma ist die separatio ab unitate Ecclesiae (vgl. die Überschrift vor c. 2314). Was ist aber diese Einheit der Kirche? Sie ist zunächst die Einzigkeit. Christus hat nur eine Kirche gestiftet, um alle Menschen zur ewigen Seligkeit zu führen. Dem einen Haupt kann nur ein Leib entsprechen, dem einen Bräutigam nur eine Braut, dem einen Baumeister nur ein hl. Tempel. So gibt es nur eine hl. Gemeinschaft mit Christus in der Kirche. Diese Einheit ist numerische Einheit. Wer also eine neue Kirche stiften oder einen Teil der Kirche losreißen und als Gegenkirche aufstellen würde, wäre Schismatiker. - Nun muß auch im Innern der Kirche Einheit herrschen (vgl. Eph. 4, 4 ff.). Das ist u.a. die Einheit im Kirchenregiment (vinculum hierarchicum) durch eine Leitung und Führung und durch die organisatorische Zusammenfassung der Teile. So wird die Einheit der Kirche zunächst einmal gewährleistet und versinnbildet durch den Primat. Denn Petrus war der Grundstein der Kirche und damit der Mittelpunkt der Einheit. Die Einfügung in diese Einheit wird nach außen dokumentiert durch den Gehorsam gegen den Papst als dem Oberhaupt der Kirche. Wer also an allen Glaubensartikeln, auch an denen über das Papsttum innerlich festhält, aber sich bewußt und hartnäckig grundsätzlich sträubt, dem Papst als Oberhaupt der Kirche unterworfen zu sein, trennt sich damit von der Einheit der Kirche. Ein Ungehorsam in dem einen oder ändern Punkt oder in einer nicht-kirchlichen Frage oder aus Abneigung gegen seine Person oder in seiner Eigenschaft als weltlicher Souverän ist kein Schisma, wohl aber ein Angriff auf die päpstliche Autorität als solche. Doch wird eine solche grundsätzliche Auflehnung heute äußerst selten rein vorkommen. Meist wird sie mit Häresie vermischt sein, indem man gegen die Einheit der Kirche verstößt und zugleich bestreitet, daß der Papst der Stellvertreter Christi und der Inhaber des Jurisdiktionsprimats in der Kirche ist (Protestantismus, Altkatholizismus). Das Schisma führt zur Häresie, weil dieses sich nur durch eine falsche Lehre rechtfertigen läßt. Zweifelt man nur die Rechtmäßigkeit des augenblicklich regierenden Papstes an, ohne dem Zweifel weitere Folgen zu geben (keine Aufstellung eines Gegenpapstes), so ist der Tatbestand des c. 1325 § 2 nicht gegeben.
Als zweite Figur des Schismas wird in diesem Kanon genannt die kirchliche Absonderung von den dem Papst untergeordneten Gliedern der Kirche. Der Papst ist das Haupt der Kirche; folglich sind "Glieder" alle unter dem Papst stehenden Personen. Natürlich denkt man in erster Linie an die Bischöfe. Jede Diözese ist eine Kirche im kleinen, eine Partikularkirche (c. 329 § 1), wie das besonders im christlichen Altertum stark in die Erscheinung getreten ist (vgl. die Briefe des hl. Ignatius von Antiochien). Christus hat seine Gewalt jedem Apostel übertragen. Wie jeder Apostel Mittelpunkt einer hierarchischen Gemeinschaft war, so ist es heute noch jeder Bischof; die Bischöfe sind durchaus nicht zu päpstlichen Statthaltern herabgesunken. Allerdings hat der Bischof seine Gewalt in Abhängigkeit vom Papst auszuüben, aber wo der Bischof, da die Kirche. Zwei Bischöfe in einer Diözese sind so unmöglich wie zwei Mittelpunkte in einem Kreise. Eine grundsätzliche kirchliche Trennung vom Bischof bzw. von den Bischöfen richtet sich indirekt auch gegen den Papst, besonders dann, wenn die Ablehnung gerade wegen dieser Verbindung mit dem Papst und wegen dieser Unterstellung unter den Papst geschieht.
Zur Einheit der Kirche gehört nicht nur die Einheit mit dem Haupte, sondern auch die Einheit der Glieder untereinander. Diese ist gerade eine Folge der Verbindung mit dem Haupte. Schisma wäre somit ebenfalls die Weigerung, an dieser Einheit der Glieder untereinander teilzunehmen (Rom. 12, 5). So wenn ein Bischof einem anderen Bischof grundsätzlich die kirchliche Gemeinschaft aufkündigen würde. Da die Bischöfe einander gleichgeordnet sind, gibt es keine Verweigerung des Gehorsams gegenüber einander wie gegenüber dem Papst (subesse Romano Pontifici), sondern nur eine Absonderung von der kirchlichen Gemeinschaft (communicare cum membris Ecclesiae). Die Einheit der Bischöfe untereinander ist gewährleistet durch den Metropolitanverband. Wenn aber einmal ein Bischof exemt ist und unmittelbar unter dem Hl. Stuhle steht, so wird die Einheit herbeigeführt durch das centrum unitatis. Aber auch hier wird ein Schisma ohne Häresie oder Häresieverdacht kaum oder nicht lange Zeit vorkommen.
Glieder der Kirche sind außerdem Klerus und Laien. Diese bilden für sich keine "Kirche". Deshalb kann beim Schisma nicht ein Abbruch der kirchlichen Gemeinschaft der Geistlichen und Laien mit andern Geistlichen und Laien gemeint sein. Vielmehr ist nur an die Verbindung der Geistlichen und Laien mit dem Bischof bzw. an eine grundsätzliche Verweigerung des dem Bischof schuldigen Gehorsams gedacht. Denn die Gemeinschaft der Gläubigen zueinander wird nach ihrer Verbindung mit dem Bischof bemessen. Der Bischof ist der Mittelpunkt aller. Wer mit ihm verbunden ist, steht mit allen in Gemeinschaft. Wer von ihm sich durch Ungehorsam trennt, hat sich der Gemeinschaft aller entzogen und ist von der Kirche getrennt. Die Kirche ist im Bischof und der Bischof in der Kirche. So sind im Bischof und Papst alle Gläubigen zur Einheit verbunden.
Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß bei dem starken Anwachsen und Hervortreten der primatialen Macht in der Neuzeit ("Papstkirche") man beim Schisma vorwiegend die Losreißung vom Zentralpunkt der Gesamtkirche, vom Papsttum, im Auge hat, doch wäre eine Auflehnung gegen die Autorität des eigenen Bischofs auch schon eine Lostrennung von der Gesamtkirche.
So reißt der Schismatiker ein Stück von der Kirche los und errichtet daraus eine eigene Religionsgemeinschaft. Oder er tritt zu einer schon bestehenden Nebenkirche über, wobei er in beiden Fällen diese als die Kirche Christi ansieht. Möglicherweise verharrt er auch in grundsätzlicher Opposition gegen die Einheit der Kirche dadurch, daß er dem Papst oder dem Bischof den Gehorsam entzieht oder als Bischof die kirchliche Gemeinschaft mit den andern Bischöfen abbricht. Nicht notwendig ist für eine Einzelperson der Anschluß an eine schismatische Gemeinschaft, so wenig wie bei den Apostaten und Häretikern.
Folglich gibt es eine Trennung von der Kirche durch Apostasie und Häresie (das Band des Glaubens wird zerrissen) und eine Trennung von der Einheit der Kirche, das Schisma, welches sich gegen die durch die kirchliche Obrigkeit geschaffene Einheit der Kirche und damit gegen diese Obrigkeit selbst richtet. Sie ist ethisch gesehen ein Verstoß gegen die Liebe als dem Prinzip der Einheit. Nun ist aber nicht selten beides, Schisma und Häresie, miteinander vereinigt. Es reißt sich jemand von der Einheit der Kirche los und zerreißt das Band des Glaubens; vielleicht tritt er noch einer Sekte bei oder ruft eine solche ins Leben. Hier spricht man nicht mehr von Schisma, sondern nur von Häresie. Denn der Abfall vom Glauben ist das Gefährlichere. Die Häresie absorbiert das Schisma.

3. Der Kirchenaustritt.

Es fragt sich: Wohin soll man den Kirchenaustritt rechnen? Bisher sah man Leute, welche aus der Kirche ausgetreten sind, als Apostaten an, weil man annahm, daß sie völlig innerlich mit Christentum und Kirche gebrochen hätten und daß der Austritt nur die äußere Folgerung aus ihrer Gesinnung sei. Nun weisen manche Theologen darauf hin, daß jemand aus der Kirche austreten könne, ohne daß er mit seinem christlichen Glauben zerfallen sei; vielleicht tue er diesen Schritt nur aus äußeren Gründen (Kirchensteuer, wirtschaftlicher Druck, Verärgerung, Streberei) und beteuere sogar vor Zeugen, daß er nach wie vor alles glaube, was die katholische Kirche zu glauben vorstellt. Sie rechnen diese Leute zu den Schismatikern.
Diese Auffassung ist unhaltbar. Die Kirche zählt vielmehr diese Ausgetretenen ebenfalls zu den Apostaten. Der Gründe sind es mehrere.
a) Wer aus der Kirche durch irgendeine qualifizierte oder einfache Erklärung austritt, den behandelt die Kirche gemäß der Äußerung, die er abgegeben hat. Die Kirche sieht nicht in das Innere des Menschen, wohl aber bemerkt sie sein äußeres Verhalten und richtet darnach ihre Maßnahmen. Anders kann die Kirche im Strafrecht gar nicht verfahren, weil sie mit den Strafen die äußere Verletzung der kirchlichen Rechtsordnung ahnden will. Schön deswegen bleibt der Kirche nichts anderes übrig, als gegen die Ausgetretenen in foro externo wie gegen Apostaten vorzugehen.
b) Ganz in diesem Sinn sind die römischen Entscheidungen gehalten. Es sei erinnert an den Erlaß der Pönitentiarie über die leichtere Rekonziliation der Ausgetretenen in Deutschland (zuletzt vom 16. November 1936), welcher hinsichtlich des Austritts immer von Apostasie spricht, si forte coram magistratu civili declarata fuerit. Das ist noch kein zwingender Beweis, da die Pönitentiarie dabei möglicherweise nur die formellen Apostaten ins Auge gefaßt hatte. In der Enzyklika Inter omnigenas vom 2. Februar 1744 warnt Benedikt XIV. die Christen von Serbien vor dem Islam (durch Annahme der Beschneidung oder von türkischen Namen, durch Besuch der Moscheen usw. "Selbst wenn der christliche Glaube im Herzen festgehalten wird, so kann das alles nicht geschehen, ohne daß man sich den Anschein gibt, dem islamischen Irrtum anzuhängen; das widerspricht der christlichen Aufrichtigkeit, enthält eine Lüge in einer sehr wichtigen Sache und schließt eine virtuelle Verneinung des Glaubens, ein ungemein großes Unrecht gegen Gott und ein Ärgernis für den Nächsten in sich." Solche Christen seien unfähig zum Empfang der hl. Sakramente. Benedikt XIV. spricht hier nur von einer negatio virtualis fidei und man könnte darüber streiten, ob dieser Ausdruck im technischen Sinn (Apostasie) oder in einem mehr allgemeinen Sinn gebraucht ist.
Ganz klar ist aber die Instruktion der Propaganda vom 6. Juni 1817. Sie handelt von den Christenverfolgungen in China und weist zunächst auf die Ausführungen in dem eben zitierten Schreiben Benedikts XIV. hin. Dann fährt sie fort: Wer vor Götzenbildern seinen christlichen Glauben verleugnet, obgleich er ihn im Herzen festgehalten hat, ist in foro interno kein formeller Apostat, aber er ist es in foro externo. Wenngleich die Missionare keine lurisdiktion in foro externo haben, um solche Sünder (apostatae) zur Gutmachung und zur Abschwörung vor den Gläubigen zu bringen, so können sie doch in foro conscien-tiae gegen sie vorgehen und die öffentliche Gutmachung des öffentlichen Ärgernisses verlangen; sonst ist einem solchen Apostaten, auch wenn er nur ein äußerlicher Apostat ist (quamvis tantum externus), die Absolution zu verweigern. Deshalb haben die Missionare von den bekehrten Apostaten einen öffentlichen Widerruf vor den Gläubigen zu fordern und nach dem Maß der Schuld solche Bußen aufzuerlegen, für welche sie in foro conscientiae zuständig sind. Sterben solche Simulanten (Apostaten) ohne Reue und Buße, so ist ihnen das kirchliche Begräbnis zu verweigern. War ihre simulierte Apostasie notorisch und haben sie vor dem Tode keine beträchtlichen Zeichen einer Sinnesänderung gegeben, so darf das hl. Meßopfer nicht für sie dargebracht werden. Immer wieder nennt die Instruktion solche Christen Apostaten und ihr Vergehen simulierte Apostasie und zieht daraus die strafrechtlichen Folgerungen.
c) Diese Stellungnahme der Propaganda bietet durchaus nichts Neues. Solche Christen hat man schon früher in der Kirche als Abgefallene behandelt (apostatae). Das sprechendste Beispiel dafür sind die bekannten libellatici, von denen Cyprian berichtet. Sie zerfallen in verschiedene Klassen, sie haben aber das Gemeinsame an sich, daß sie innerlich nicht vom Glauben abfallen wollten, nach außen aber den Schein des Abfalls vortäuschten. Die einen Christen verschafften sich durch Bestechung eine Bescheinigung, daß sie geopfert hätten. Andere versprachen auf einem Schein, daß sie opfern wollten. Die dritte Klasse versicherte dem Richter fälschlicherweise, daß sie bereits geopfert hätte; diese Urkunde stellten diese Christen entweder selbst aus oder ließen sie aus Scham von andern anfertigen. Die vierte Kategorie trug ihren Namen in die Liste der Opfernden ein, ohne daß die Richter nachher tatsächlich ein Opfer verlangt hätten. Der Vergleich läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, spricht sogar noch zuungunsten der heutigen Simulanten.
d) Der Kirchenaustritt läßt sich mit dem oben aufgestellten Begriff des Schismas nicht vereinigen. Denn er ist nicht bloß eine Trennung von der Einheit der Kirche, von der gottgesetzten Obrigkeit (vinculum hierarchicum), sondern von der Kirche überhaupt (vinculum symbolicum, liturgicum, hierarchicum). So gehen selbst die materiellen Apostaten erheblich weiter. - Übrigens ist die Frage, ob der Kirchenaustritt Apostasie, Häresie oder Schisma ist, rein theoretischer Natur, da die Strafe für alle drei Tatbestände die gleiche ist.
e) Damit ist auch die Auffassung erledigt, als ob der materielle Kirchenaustritt eine bloße Glaubensverleugnung im weiteren Sinn des Wortes wäre. Man muß den Glauben nicht immer bekennen; man darf ihn unter Umständen verbergen, darf ihn aber nie verleugnen. Das Bekenntnis des Glaubens ist nach c. 1325 § 1 Pflicht, wenn das Schweigen oder das Benehmen eine Glaubensverleugnung (schon eine negatio implicita genügt), eine Verachtung der Religion, eine Beleidigung Gottes oder ein Ärgernis des Nächsten mit sich bringt. Wohl ist der Kirchenaustritt auch eine Glaubensverleugnung, aber er ist mehr. Er ist eine förmliche öffentliche Lossagung von der Kirche, und zwar ihren amtlichen Vertretern gegenüber, selbst wenn die Willenserklärung vor einer staatlichen Behörde abgegeben werden müßte. Man stellt sich nicht etwa so, als ob man nicht katholisch wäre. Im Gegenteil: Man bekennt offen, daß man katholisch getauft ist und der katholischen Kirche angehört, erklärt aber dabei, daß man nicht mehr katholisch sein will.
f) Es wäre zum Schluß noch die Frage zu erörtern, ob der bürgerliche Austritt aus der kanonisch gar nicht existierenden Kirchengemeinde als Steuerverband die Merkmale der Apostasie bzw. des Schismas nicht vermissen läßt. Diese Frage ist zu verneinen. Eben weil die Kirchengemeinde als Steuerverband kanonisch nicht besteht, kann es nur Apostasie, also ein Austritt aus der Gesamtkirche sein. Es ist überdies kein bürgerlicher Austritt aus der Kirchengemeinde als Steuerverband, sondern es ist ein Austritt mit bürgerlicher Wirkung; das heißt nicht etwa, als ob diese Katholiken nur mit bürgerlicher Wirkung aus der Kirche austreten wollten, vielmehr legt der Staat ihrer Austrittserklärung nur eine Wirkung vor seinen Gerichten und Verwaltungsbehörden bei. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Abschüttelung der Kirchensteuern (Kirchensteuerverband), sondern auch noch um andere Lasten. Man würde die Sachlage bedenklich verkennen, wenn man meinen würde, die Austrittsmotive seien ausschließlich finanzieller Natur und der Austritt solle sich nur auf den Kirchensteuerverband beziehen. Wie wenig Katholiken wissen die Gesamtkirche vom Kirchensteuerverband zu unterscheiden! Noch viel weniger haben sie die Absicht, bloß aus dem Steuerverband auszutreten.
Besteht nun kein Unterschied zwischen den Apostaten, Häretikern und Schismatikern auf der einen Seite und den Ausgetretenen auf der anderen Seite? Die Ausgetretenen sagen sich direkt von der Kirche Ios, die Apostaten, Häretiker und Schismatiker dagegen indirekt. Nicht selten fällt beides zusammen. Apostasie, Häresie und Schisma können auch nur in der Gesinnung vorhanden sein, die man im Herzen für sich behält. Der Kirchenaustritt dagegen ist immer eine äußere Manifestation. Vielleicht hat man aus seinem inneren Glaubensabfall keinen Hehl gemacht, ohne mit der Kirche äußerlich zu brechen. Andere haben dagegen diesen Bruch der Kirche angekündigt oder sich einer Sekte angeschlossen. Das letztere ist qualifizierte Apostasie. Der Wille, aus dem Rechtsverband der Kirche auszuscheiden, und die darauf folgende Tat verraten jedenfalls eine bedeutendere malitia und verstärken die Größe der Sünde. Man übersehe auch nicht das öffentliche Ärgernis. Von der inneren nach außen kundgegebenen Apostasie bis zum äußeren Bruch mit der Kirche ist es nur noch ein Schritt.

4. Die Strafen.

a) Die einzelnen Strafen.

Die Apostasie ist ein Angriff auf die Grundlagen der Kirche. Deshalb muß die Kirche im Interesse ihrer Existenz wie des Seelenheils der Gläubigen dagegen mit Strafen reagieren. Die Kirche kennt drei Stufenfolgen im Verhalten der Apostaten.
Zunächst der einfache Tatbestand der Apostasie, der Häresie und des Schismas. Darauf steht die Exkommunikation latae sententiae, welche in foro interno dem Hl. Stuhl speciali modo reserviert ist (c. 2314 § 1 n. 1).
Sodann das Verhalten nach einer Verwarnung durch den kirchlichen Obern (c. 2309). Gedacht ist an eine monitio canonica durch einen kirchlichen Obern mit iurisdictio externa (Ordinarius). Da der Kirchenaustritt öffentlich geschehen ist und sich jederzeit konstatieren läßt, ist eine öffentliche Verwarnung am Platze, d.h. eine solche vor einem kirchlichen Notar oder vor zwei Zeugen, worüber ein Protokoll aufzunehmen ist, oder eine briefliche, wobei der Empfang der Verwarnung sowie deren Inhalt sich aus den Akten nachweisen lassen muß. Die Verwarnung hat zum Zweck, den Apostaten zur Buße und Umkehr aufzufordern. Meistens wird dazu eine Frist gestellt werden. Läßt der Apostat die Frist ungenützt verstreichen, so ist er seiner Pfründe, Würde, Rente, seiner Ämter und jeder anderen Dienststelle, die er in der Kirche innehat, zu entsetzen und für kirchlich ehrlos zu erklären. Ist es ein Kleriker, so ist er nach einer zweiten fruchtlosen Verwarnung zu deponieren (c. 2303). Diese Strafen treten nicht von selbst ein, sondern müssen vom kirchlichen Obern erst verhängt werden. Es wird sich bei diesen kirchlichen Ämtern meist um Kleriker handeln, doch können auch abgefallene Laien Inhaber kirchlicher Stellen sein.
Die dritte Stufe ist der Anschluß an eine akatholische Sekte durch förmlichen Beitritt oder durch öffentliches Anhangen (Teilnahme an den Veranstaltungen, am Gottesdienst, Verteidigung, Förderung, öffentliche Sympathiekundgebung). Diese Apostaten werden eo ipso infam. Sind es Kleriker, so sollen sie nach erfolgloser Mahnung degradiert und damit aus dem geistlichen Stand ausgestoßen werden (c. 2314 § l n. 3; c. 2305; vgl. auch c. 188 n. 4). Die oben gemeinte rechtliche Ehrlosigkeit hat die Irregularität im Gefolge (c. 984 n. 5). Sie macht unfähig zum Empfang von kirchlichen Pfründen, Ämtern, Würden und Pensionen, zum Vollzug von kirchlichen Rechtshandlungen und zur Ausübung eines kirchlichen Rechtes und Dienstes (Wahl-, Patronatsrecht usw.); außerdem muß der Infame von jeder Dienstleistung bei den hl. Funktionen zurückgehalten werden (c. 2294 § 1). Über den Begriff der secta acatholica ist man sich nicht einig. Die einen verstehen darunter eine akatholische christliche Sekte (also nicht das Judentum, den Islam, den Buddhismus, die andern ziehen den Kreis weiter und denken einfach an einen Verein zur Pflege irgendeiner nichtkatholischen Weltanschauung, ohne daß diese christlichen Charakter haben müßte. Den notorischen Apostaten (notorisch sind wohl alle Ausgetretenen) ist das kirchliche Begräbnis zu verweigern, falls sie nicht vor dem Tode merkliche Zeichen der Reue gegeben haben (c. 1240 § 1 n. 1).

b) Die Voraussetzungen für den Eintritt.

Die obigen Strafen latae sententiae treten nur ein, wenn die Voraussetzungen dafür vorhanden sind. So muß bei der Inkurrierung der Exkommunikation eine strafbare Handlung im technischen Sinn des Wortes vorliegen (c. 2195 § 1, 2242 § 1).
Folglich muß die Apostasie äußerlich, aber nicht notwendig öffentlich in die Erscheinung treten (nicht bloß in Gedanken), woran beim Kirchenaustritt nicht zu zweifeln ist.
Außerdem muß die Apostasie perfekt geworden sein. Damit ist aber nicht gesagt, daß auch der Kirchenaustritt vollendet sein müßte. Denn wer mit seinem christlichen Glauben gänzlich zerfallen ist und das nach außen (etwa in Worten) kundgibt, ist nach dem Kirchenrecht bereits ein vollendeter Apostat; im Kirchenaustritt zieht er aus seiner Gesinnung nur noch die Konsequenzen, welche dem strafrechtlichen Tatbestand nichts Wesentliches mehr hinzufügen. Anders steht die Sache beim simulierten Kirchenaustritt. Hier genügt der Versuch des Austritts nicht. Ist für den Austritt nur eine Mitteilung an den kirchlichen Obern vorgeschrieben, so ist damit der strafbare Tatbestand perfekt geworden. Hat sich aber der Staat eingeschaltet und wird der Austritt gegenüber einem staatlichen Beamten erklärt, so ist es manchmal so, daß die rechtlichen Wirkungen erst nach Verfluß einer bestimmten Zeit (1 Monat) eintreten, oder daß zuerst die Absicht des Austritts der Kirchengemeinde gemeldet werden muß, worauf dann nach einiger Zeit die Austrittserklärung vor dem staatlichen Beamten abzugeben ist. Diese erhält dann sofort Rechtskraft. Für das kirchliche Strafrecht ist der Augenblick der Austrittserklärung durch den Apostaten maßgebend, weshalb die spätere Rückgängigmachung den Eintritt der Strafe nicht hemmt. Führt dagegen jemand die angekündigte Absicht nicht aus, so ist es kein delictum consummatum. Ein solcher ist von dem Eintritt der Exkommunikation bewahrt geblieben.
Die Strafe tritt nur ein bei einem delictum grave (objektiv und subjektiv), also bei einem schweren Verstoß gegen die kirchliche Rechtsordnung (das ist gewiß der Kirchenaustritt) und bei einer schweren Schuld (vgl. auch c. 2218 § 2). Die katholische Moral rechnet die Apostasie zu den schweren Sünden. Daß es für einen Katholiken keinen objektiv gerechten Grund zum Kirchenaustritt geben kann, ist vom katholischen Standpunkt aus selbstverständlich. Der katholische Glaube ist der einzige wahre Glaube. Ein Abfall wäre der Übergang von der Wahrheit zum Irrtum. Wie steht es aber subjektiv? Das Vaticanum sagt: Illi enim, qui fidem sub Ecciesiae magisterio susceperunt, nullam unquam habere possunt iustam causam mutandi aut in dubium fidem eandem revocandi [Jene nämlich, die den Glauben unter dem Lehramt der Kirche empfangen haben, können niemals einen gerechten Grund haben, diesen selben Glauben zu ändern oder in Zweifel zu ziehen]. Dabei erinnert es an den Grundsatz, daß Gott keinen verläßt, der nicht zuvor ihn verlassen hat, und daß er keinem seine Gnade entzieht, solange er sich dieser nicht unwürdig gemacht hat. Die Schuld kann auch bestehen in der Vernachlässigung der Mittel, um das Glaubensleben zu erhalten (Gebet, Leben nach dem Glauben, Weiterbildung und Vertiefung des Glaubens.
Nun gibt es aber Austritte, welche förmlich erpreßt wurden oder mindestens unter der Anwendung schwerer Furcht zustande gekommen sind. Verhindert dieser Umstand nicht den Eintritt der Exkommunikation? Ist der Kirchenaustritt tatsächlich erpreßt worden (vis physica), so läßt sich weder von einer strafbaren Handlung noch von einer Zensur sprechen. War es nur ein moralischer Druck, dann steht die Sache anders (c. 2229 § 3 n. 3). Schwere Furcht befreit in der Regel von den poenae latae sententiae, weil sie die Zurechenbarkeü vermindert und weil die menschlichen Gesetze für gewöhnlich nicht unter einer schweren Sünde verpflichten. Davon ausgenommen ist aber eine Handlung, welche sich zu einer Verachtung des Glaubens oder der kirchlichen Autorität oder zum öffentlichen Schaden der Seelen auswirkt. Das trifft beim Kirchenaustritt in geradezu typischer Weise zu. Hier handelt es sich eben um Letztes und Höchstes. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Eingeschüchterte subjektiv die Absicht gehabt hat, eine Verachtung des Glaubens an den Tag zu legen. Vielmehr wird die Tat objektiv gewertet, ob nämlich aus ihr eine solche Verachtung oder ein solcher Schaden hervorgeht.
Wie steht es mit Katholiken, welche den Austritt simuliert haben? Der äußeren Tat entspricht die gleiche strafrechtliche Behandlung im äußeren Bereich. Außerdem liegt eine Praesumption für das forum internum vor. Wer äußerlich vom Glauben abfällt, von dem wird präsumiert, daß er auch innerlich mit dem Glauben gebrochen hat. Man nimmt an, daß inneres und äußeres Verhalten miteinander übereinstimmen, was die Regel ist. Man darf bei den Menschen voraussetzen, daß sie in Worten und Werken die Wahrheit bekunden. Diese Präsumption ist freilich der Widerlegung fähig. Gelingt der Beweis nicht (bloße Behauptungen sind unzureichend), so wird ein solcher Katholik auch in foro interno als Apostat behandelt. Gelingt der Beweis, dann eben nur in foro externo. Man könnte nun vielleicht annehmen, bei bewiesener Simulation sei der strafbare Tatbestand überhaupt nicht gegeben, weshalb die Exkommunikation nicht eintrete. Allein davon schweigen die Quellen und Instruktionen. Außerdem wäre damit die schlimme Tat nicht gesühnt.
Hat man keine Kenntnis von der Kirchenstrafe, so entschuldigt, praktisch gesehen, diese Unkenntnis im allgemeinen von der Zuziehung. Doch muß man noch genauer unterscheiden. Bei der ignorantia invincibilis läßt sich die Unkenntnis und die Quelle dieser Unkenntnis nicht beseitigen, weshalb sie nicht gewollt ist. Deswegen entschuldigt sie von allen Zensuren. Die ignorantia vincibilis ist an sich in ihrer Ursache gewollt; sie ließe sich bei genügender Sorgfalt beseitigen. Sie ist schuldhaft, doch hat die Schuld verschiedene Grade. Wohl entschuldigt die ignorantia gravis, bei welcher die sonst in wichtigen Dingen übliche Sorgfalt unterlassen wurde, von den poenae latae sententiae, nicht aber die ignorantia crassa (supina), bei der man aus Nachlässigkeit nichts oder fast gar nichts tut, um die Unkenntnis zu beheben. Eine Ausnahme bilden die Fälle des c. 2229 § 2, doch fehlen die dort genannten Ausdrücke in c. 2314. Die meisten Katholiken werden wissen, daß auf dem Kirchenaustritt die Exkommunikation oder eine Kirchenstrafe steht. Wer das nicht weiß, bei dem wird nicht ohne Grund ignorantia crassa angenommen werden müssen. Diese schützt nicht vor der Exkommunikation, Freilich ist der Unterschied zwischen ignorantia gravis und l ignorantia crassa recht fein. Rechtlich unerheblich ist es, ob man weiß, daß die Exkommunikation reserviert ist oder nicht.
Kinder unter 14 Jahren, welche aus der Kirche austreten (gemeinsam mit den Eltern oder auf Veranlassung der Eltern oder sonstiger Erziehungsberechtigter), ziehen sich die Exkommunikation nicht zu, weil die Geschlechtsunreifen von den poenae latae sententiae nicht getroffen werden (c. 2230). Des öftern wird die Ansicht vertreten, daß im Strafrecht hinsichtlich des Eintritts der Pubertät zwischen Knaben und Mädchen kein Unterschied gemacht werden müsse und daß für beide das vollendete 14. Lebensjahr gelte.

II. Staatliche Zulassung.

Einen andern Standpunkt als die katholische Kirche nimmt der moderne Staat ein. Er legt dem Kirchenaustritt nichts in den Weg. Freilich ist er erst schrittweise zu dieser Haltung gekommen. Zuerst glaubte er den Übertritt von einem christlichen Bekenntnis zum andern nicht hindern zu sollen. So der einseitig konfessionelle wie der paritätische Staat. Wohl setzt jeder Obertritt theoretisch einen Austritt aus dem bisherigen Bekenntnis voraus, aber der Austritt muß nicht notwendig einen Übertritt im Gefolge haben. Der Ausgetretene will vielleicht religionslos oder gottlos bleiben oder wenigstens keinem christlichen Bekenntnis oder keiner christlichen "Kirche" angehören ("Dissident"). Das war dem Staat früher etwas Unbekanntes. Jeder Staatsbürger sollte Mitglied einer Kirche sein. Der Staat wollte ein christlicher Staat sein, welcher die destruktiven Tendenzen des religiösen Nihilismus fürchtete. Er stützte sich auf die christlichen Kirchen und stattete sie mit mannigfachen Vorrechten aus.
Nun war aber in den meisten Verfassungen den Untertanen "Gewissensfreiheit" oder "Denkfreiheit" oder "ungestörte Gewissensfreiheit" oder "Glaubensfreiheit" zugesichert worden. Damit war ein Grundsatz von großer Tragweite aufgestellt, der je nach den Geistesströmungen der Zeit, den Programmen der politischen Parteien und Weltanschauungsgruppen und dem politischen Kurs des Staates sehr ausdehnungsfähig, aber auch recht einschränkungsfähig war. Denn noch nie hat ein Staat eine schrankenlose Gewissensfreiheit eingeräumt. Tatsächlich war mit der Aufhebung der Pflicht zur Taufe und zur Eheschließung vor der Kirche die Notwendigkeit, einem christlichen Bekenntnis anzugehören, von Staats wegen gefallen. Das war eine der Konsequenzen aus dem Grundsatz der Gewissensfreiheit. Denn Gewissensfreiheit bedeutet die Freiheit von äußerem Zwang in religiösen Dingen, die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, einer staatlich anerkannten Religionsgesellschaft anzugehören oder nicht. Damit ist man aber beim reinen Kirchenaustritt ohne Anschluß an eine andere Religions-gesellschaft angelangt. Diese Folgerung zog man freilich nur langsam und zögernd, meistens als Abschluß kirchenpolitischer Kämpfe (Preußen 1873, Hessen 1878) oder im Zusammenhang mit der Regelung des kirchlichen Abgabewesens (Württemberg 1887, Baden 1888). Jetzt erkannte der Staat es als seine Pflicht an, die Gewissensfreiheit zu schützen und den Bürgern die Möglichkeit zu geben, aus der Kirche auszutreten. So wurden die Kirchenaustrittsgesetze erlassen.
Doch blieb in manchen Ländern der Austritt zunächst in den Händen der Kirche. Der Staat stellte wohl die gesetzlichen Normen für die bürgerliche Wirksamkeit des Austritts auf, trat aber selbst bei dem Austritt in keiner Weise in Tätigkeit. Die Austrittserklärung wurde gegenüber der Kirche abgegeben, doch sollte sich ihre Wirksamkeit auf den Staat erstrecken (so in Württemberg 1887, bayerisches Religionsedikt 1818 § 10, teilweise auch in Sachsen 1827). Der Beweis für den Austritt wurde durch eine Bescheinigung des Pfarramtes erbracht. Allerdings wurde hier das Pfarramt als ein staatliches Organ angesehen. Solange zwischen Staat und Kirche eine innige Verbindung bestand und der Staat ein einschneidendes Aufsichtsrecht über die Kirchen ausübte, verspürte er kein Bedürfnis nach einer Änderung. Die Austritte hielten sich in sehr engen Grenzen. Die Übertritte waren viel zahlreicher.
Dabei tauchte die Frage auf, ob der betreffenden kirchlichen Stelle ein Nachprüfungsrecht zustand. Das ließ sich nicht bestreiten, ja es gehörte sogar zu ihrer Pflicht, sich über die eigene örtliche Zuständigkeit zu vergewissern (eigentlicher oder uneigentlicher Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der austretenden Person). So bei Fremden und Durchreisenden, aber auch bei Einheimischen in Großstädten wegen der Unkenntnis der Pfarreigrenzen. Die Nachprüfung mußte sich auch auf die Identität der Person erstrecken (Sammelsendung von Austrittserklärungen auf gedruckten Formularen, Echtheit der Unterschrift, Beauftragung des Vorstandes des Freidenkervereins, häufiges Vorkommen der gleichen Namen in gewissen Gegenden und Gemeinden, daher Ergänzung der Personalien durch Angabe von Geburtstag und Geburtsort oder der Namen der Eltern oder des Berufes).
Nicht außer Zweifel stand es, ob der Nachweis der Konfessionszugehörigkeit (durch Beibringung eines Taufscheins) gefordert werden dürfe. Es wird zwar eine große Seltenheit sein, daß sich ein Austretender über sein religiöses Bekenntnis und seine Kirchenmitgliedschaft irrt, doch ist das möglich bei Sektenangehörigen und bei religiös völlig Gleichgültigen, die von Jugend auf im Indifferentismus gelebt haben. Selbst wenn dieses zutreffen sollte, hätte die betreffende Person vielleicht doch ein Interesse an dem negativen Entscheid, daß sie einem speziellen Bekenntnis nicht angehört (Zusendung eines Kirchensteuerzettels von dieser Seite, Hemmung im Beruf oder im wirtschaftlichen Fortkommen, Forderung der Klärung aus Gewissensgründen oder aus reiner Abneigung gegen dieses Bekenntnis. Dagegen hätte der Nachweis der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche verlangt werden können, wenn daraus bestimmte Rechte hätten abgeleitet werden wollen (Sakramentsempfang, kirchliche Trauung, kirchliche Beerdigung, Genuß der Erträgnisse konfessioneller Stiftungen und Aufnahme in konfessionelle Anstalten), nicht dagegen da, wo gewisse Verbindlichkeiten abgeschüttelt werden sollten. So konnten sich für Personen, welche die Absicht hatten, aus der Kirche auszutreten, manche Schwierigkeiten aus der Überlassung der Austrittserklärung an die Kirchen ergeben. Natürlich stand nach staatlicher Auffassung bei Anständen der Beschwerdeweg wegen Verletzung des Staatsgesetzes und der Gewissensfreiheit offen.
Nach der Revolution vom Jahre 1918 und in Auswirkung der Weimarer Reichsverfassung und der kirchenpolitischen Forderungen mancher Parteien fand so gut wie überall eine vollständige Verstaatlichung des Kirchenaustritts statt. Diese war freilich schon vorher teilweise angebahnt oder sogar durchgeführt worden. Nach der Weimarer Reichsverfassung (Art. 135) sollten alle Bewohner des Reiches volle Glaubens- und Gewissensfreiheit genießen - gewiß gegenüber der bisherigen Rechtslage nichts Neues, aber nun wurde in Verbindung mit dem Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat damit ernst gemacht. Außerdem wurde der Austritt jetzt nicht mehr religiös, sondern rein bürgerlich bewertet und als Verlassen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (nicht einer dogmatisch-religiösen Einheit) angesehen. Der Nachdruck wurde auf die bürgerliche Seite gelegt (aus der Kirche mit "bürgerlicher" Wirkung austreten). So wurde der Austritt verbürgerlicht. Deshalb ist die Austrittserklärung vor einer staatlichen Stelle (Amtsgericht, Standesamt, Bezirksverwaltungsbehörde) abzugeben. Das Amtsgericht bot den Vorteil einer besonderen rechtlichen Sachkunde, dagegen war das Standesamt viel leichter, nämlich in jedem Ort zu erreichen. Das Bezirksamt ist eine reine Verwaltungsbehörde. Die Austrittserklärung vor der staatlichen Stelle ist der eigentliche konstitutive Akt, welcher das Wesen des Austritts ausmacht und von dessen richtigem Vollzug allein die Gültigkeit des Austritts abhängt.
Darin zeigt sich einmal die Säkularisierung des Zeitgeistes und die vom gleichen Geist getragene Einschätzung der Kirche, welche von ihrer religiösen Stellung und Sendung abstrahiert. Sodann eine stärkere Betonung der Gewissensfreiheit gegenüber etwaigen Beeinträchtigungen durch die Kirchen und deren Organe, da man von den Staatsbeamten erwartet, daß sie über den Interessen der einzelnen Bekenntnisse stehen. Weiterhin eine schärfere Abgrenzung der Zuständigkeit von Kirche und Staat und eine striktere Rücksichtnahme des Staates auf die Kirche, da immer nur von den bürgerlichen Wirkungen des Austritts die Rede ist; nur darüber wollte der Staat Vorschriften erlassen, weshalb er sich dafür allein als zuständig ansah. Alles andere überließ er den Kirchen. Ob innerkirchliche Wirkungen eintreten und welches diese sind - darüber sprach er sich kein Urteil zu. Den Geistlichen wurde nicht mehr zugemutet, bei einer kirchlich strafbaren Handlung an erster Stelle mitzuwirken. Viertens wurde durch die Übergabe an geschulte Staatsbeamte wohl auch eine größere Rechtssicherheit erreicht, welche bei der Ausdehnung des Kirchensteuerwesens und der Erhöhung der Steuersätze (Einschränkung der staatlichen Leistungen an die Kirchen) und wegen der staatlichen Mithilfe bei Veranlagung und Einzug sehr erwünscht war.
Nun ist es aber ein Austritt aus der Kirche und diese ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes eigener Art, deren Selbständigkeit vom Staat anerkannt ist. Daher darf die Kirche nicht ignoriert werden, da die Willenserklärung in erster und letzter Linie an ihre Adresse gerichtet ist und da sie allein dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Sie muß zum mindesten vom Austritt benachrichtigt werden. Teils hat das die staatliche Stelle zu besorgen (so in Preußen, und zwar unverzüglich), teils obliegt diese Pflicht dem Austretenden bzw. Ausgetretenen selbst (so das württembergische Recht). Das letztere ist der Sachlage besser angemessen, weil jede Gemeinschaft von einem ausscheidenden Mitglied eine unmittelbare Verständigung erwarten kann. Hier erscheint der Austritt mehr als Kirchenaustritt und das kommt dem Austretenden durch seine mündliche oder schriftliche Abmeldung eher zum Bewußtsein. Doch ist beides, die Benachrichtigung durch den Staat wie die persönliche Benachrichtigung, für die Gültigkeit des Austritts unerheblich. Der Austritt ist eben eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit der Abgabe oder mit dem Eintreffen bei der staatlichen Stelle abgeschlossen ist. Alle Bedingungen für die Rechtsgültigkeit sind damit erfüllt.
Die Austrittserklärung muß in der Regel mündlich und persönlich vor dem staatlichen Beamten abgegeben werden. Dieser hat darüber ein Protokoll aufzunehmen, das von dem Austretenden eigenhändig zu unterschreiben ist. Die Erklärung kann immer (so in Preußen und Bayern) oder in gewissen Fällen (in Württemberg bei körperlichen Gebrechen) auch in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden. Zu beglaubigen ist die Echtheit der Unterschrift. Damit ist der Austritt gegenüber früher in manchen Ländern erschwert worden. Die Unterschrift unter ein gedrucktes Formular und die massenhafte Zusendung an die kirchliche oder staatliche Stelle ist für den Austritt wirkungslos. In ändern Ländern dagegen wurde der Austritt erleichtert, weil das persönliche Erscheinen nicht mehr absolut notwendig ist. Durch die neue Regelung erübrigen sich Nachforschungen über die Echtheit der Unterschrift. Sodann ist der Austritt aus der Kirche nicht der Austritt aus einem Verein, sondern aus einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes mit hoheitlicher Gewalt. Er hat öffentlich-rechtlichen Charakter und löst öffentlich-rechtliche Wirkungen aus. Da er eine höchst persönliche Angelegenheit ist, gibt es keine Vertretung für diese Erklärung des Willens, auch nicht kraft Vollmacht. Der Mann kann nicht für die Frau und nicht für die bekenntnismündigen Kinder (vollendetes 14. Lebensjahr) handeln (so ausdrücklich in Preußen, Anhalt, Württemberg). Etwas anderes ist die Erklärung des Austritts von Ehegatten, Eltern und Kindern in derselben Urkunde. Das ist zulässig. Der Austritt der Eltern zieht nicht ohne weiteres den Austritt der Kinder nach sich. Dazu ist die Abgabe einer besonderen Erklärung erforderlich.
Es fragt sich nun: Wann tritt des Austritt in Kraft? Da kann man drei Formen unterscheiden. Entweder erhält er sofort mit der Abgabe der Austrittserklärung Rechtskraft (so in Bayern, Sachsen, Baden, Braunschweig). Oder es muß eine bestimmte Frist verstreichen bis zum Eintritt der Wirksamkeit. Oder die Absicht des Austritts muß vor der eigentlichen Abgabe der Erklärung der staatlichen oder kirchlichen Stelle gemeldet werden. Nach preußischem, oldenburgischem und thüringischem Recht treten die rechtlichen Wirkungen des Austritts einen Monat nach der Abgabe oder dem Eingang der Erklärung bei dem Amtsgericht bzw. Standesamt ein. Bis dahin kann die Austrittserklärung in der für den Austritt vorgeschriebenen Form (Preußen) bzw. durch einfache schriftliche Erklärung (Thüringen) widerrufen werden. Nach dem Recht anderer Länder (Württemberg, Hessen, Anhalt) ist die Absicht des Austritts mindestens ein Monat vor der Erklärung der Kirchengemeinde mitzuteilen bzw. ist der Antrag oder die Anmeldung des Austritts vorher beim Amtsgericht einzubringen, welches sofort die zuständige kirchliche Stelle davon zu benachrichtigen hat. Der Vertreter der Kirchengemeinde ist verpflichtet, dem Austretenden binnen drei Wochen eine Bescheinigung über den Empfang der Mitteilung zugehen zu lassen.
Hier wird zwischen den Austrittsantrag und die Austrittserklärung, welche sofort Rechtskraft erlangt, ein Zeitraum von 4 Wochen eingeschoben. Damit soll dem Austretenden eine Bedenkzeit gegeben werden, ob er den entscheidenden Schritt tun will. Während in Preußen und in Thüringen eine Frist zur Rückgängigmachung gewährt wird (Reuefrist), ist es in Württemberg, Hessen, Lippe und Anhalt eine Überlegungsfrist. Das ist rechtlich eine Verbesserung, weil es keine Rückgängigmachung mehr braucht und diese immer etwas Nichtseinsollendes ist, ethisch ein Fortschritt (erst wäg's, dann wag's) und kirchlich eine Begünstigung. So erfährt die Kirche schon von solchen Absichten und hat Gelegenheit, rechtzeitig je nach der Lage des Falls aufklärend und mahnend einzugreifen oder solche Schritte als von vornherein aussichtslos zu unterlassen. Die Gründe des Austritts gehen den staatlichen Beamten nichts an. Er darf sich nicht darnach erkundigen. Diese Regelung entspricht dem Zweck des Gesetzes besser, ein Schutz gegen Gewissensnot und Leichtsinn zu sein. Denn der Austritt erfolgt durchaus nicht immer nach reiflicher Selbstprüfung und als Abschluß einer inneren Kampfzeit, sondern auch unter äußerer Einwirkung, unter dem Druck der Verhetzung, aus persönlicher Verärgerung, in augenblicklicher Erregung und aus reinem Materialismus (Geldrücksichten). Folgt der Mitteilung der Austrittsabsicht nicht die tatsächliche Austrittserklärung, so verliert dieser Akt seinen rechtlichen Wert. Man kann dem Staat nicht zumuten, daß er endlos warten soll. Deshalb hat er eine kürzere Zeit zur Ausführung der Absicht festgesetzt (Hessen und Anhalt 6 Wochen, Württemberg 3 Monate nach der Antragsstellung). Nach Verfluß dieser Zeit spricht alles dafür, daß der Austrittswille nicht mehr vorhanden ist und daß die Absicht nicht mehr verwirklicht werden will.
Mit dem Inkrafttreten des Austritts erlöschen sofort dauernd alle mit der persönlichen Kirchenmitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten (aktives und passives Wahlrecht, Recht auf ein Grab auf einem konfessionellen Friedhof und auf das Grabgeläute, auf den Besuch der Schulen der verlassenen Konfession, auf die Ausübung des Patronatsrechts und auf die Führung der Vormundschaft für ein Mündel des früheren Bekenntnisses, die Ansprüche an konfessionelle Stiftungen. Eine Ausnahme ist meistens gemacht hinsichtlich der finanziellen Verpflichtungen, die erst mit dem Beginn des folgenden Steuerjahres erlöschen (Preußen, Bayern, Württemberg, Oldenburg, Lippe, Bremen), in manchen Fällen auch noch später (Preußen, Hessen, Oldenburg, Bremen), nämlich nicht vor 3 Monaten, gerechnet vom Tag der Austrittserklärung ab. Eine sofortige allseitige Lösung des Verhältnisses wäre gewiß recht weitherzig, aber nicht selten sehr unbillig und unpraktisch. Der Anreiz zum Austritt wäre bedeutend gesteigert (Verärgerung über den eben empfangenen Steuerzettel) und die Kirchen könnten durch Massenaustritte besonders kapitalkräftiger Mitglieder in die größte Verlegenheit kommen. Eine geordnete kirchliche Verwaltung liegt im öffentlichen Interesse. Nicht einmal Austritte aus Vereinen und Genossenschaften befreien sofort von allen Verpflichtungen.
Dieser Überblick zeigt klar den starken Gegensatz zwischen staatlicher und katholisch kirchlicher Betrachtungsweise. Darüber dürfen Wendungen wie "austreten mit bürgerlicher Wirkung" nicht hinwegtäuschen, so wenig als § 1588 des BGB über den Gegensatz zwischen bürgerlicher und kirchlicher Eheauffassung. Der Staat will sich nicht äußern über die religiösen oder kirchlichen Wirkungen, allein damit sind sie nicht aus der Welt geschafft. Der Ausgetretene ist für den Staat nicht mehr Mitglied der betreffenden Religionsgesellschaft, und zwar in jeder Hinsicht, vor jeder staatlichen Stelle (Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtssprechung). Sodann duldet der Staat zum mindesten einen kirchenlosen Zustand. Den meisten Kirchenaustrittsgesetzen läßt sich keine kirchenfeindliche Tendenz nachsagen. Manche sind sogar von einer gewissen Achtung vor der in den Kirchen verkörperten sittlichen und religiösen Macht getragen. Trotzdem gehen die Wege ausein-ander. Die Rückwirkung auf die Kirchen, speziell auf die katholische Kirche, ist nicht ausgeblieben. Die staatlichen Austrittsgesetze haben die Kirchen zu "Freiheitskirchen" gemacht, wenigstens in dem Sinne, als das Verbleiben in der Kirche für den Staat rechtlich ein Akt der reinen Freiwilligkeit geworden ist.
Manche wollen die Haltung der katholischen Kirche zum Kirchenaustritt nicht begreifen und meinen, der Kirche könne doch nicht an Mitgliedern etwas liegen, welche mit ihr innerlich gebrochen hätten oder sich gar in ihrem Schoß feindlich gegen sie wenden. Allein einmal treten nicht bloß solche Leute aus der Kirche aus, abgesehen davon, daß die Kirche noch auf Umkehr hofft; diese ist leichter möglich, solange nicht die letzten Brücken abgebrochen sind. Sodann steht der Kirche als Waffe die Verhängung der Exkommunikation zur Verfügung, falls diese Art von Christen nicht schon ipso facto exkommuniziert ist. Drittens handelt es sich um ein dogmatisches Prinzip. Wohl nimmt die Kirche die staatlichen Austrittsgesetze notgedrungen hin und trägt damit der heutigen Zeit Rechnung. Sie verleugnet aber nie ein Dogma. Der Staat läßt der Kirche ihren Standpunkt und untersagt nicht das kirchliche Verbot des Austritts oder die Verhängung von Kirchenstrafen über diese Apostaten. Nach der fast allgemeinen protestantischen Auffassung verleiht die Taufe keinen Charakter indelebilis und deshalb ist die Kirchenmitgliedschaft nicht unverlierbar. Daher ist der Austritt aus der Kirche nach der Lehre der evangelischen Kirche möglich. Natürlich mißbilligt sie ebenfalls einen solchen Schritt, doch steht für sie kein dogmatisches oder rechtliches Hindernis im Weg, daß sie selbst den Austritt gestattet und eigene Austrittsformen für den innerkirchlichen Bereich ausbildet. So würde es einen Austritt geben, welcher vom Staat geordnet ist mit bürgerlichen Wirkungen, und einen zweiten Austritt, welcher von der evangelischen Kirche mit innerkirchlichen Wirkungen bestimmt wird. Dabei könnte die evangelische Kirche den Austritt vor ihrem Forum erleichtern oder erschweren. Bisher hat aber die evangelische Kirche in den meisten Fällen die in der staatlichen Form abgegebene Austrittserklärung für sich gelten lassen und hat auf eigenes Vorgehen verzichtet.

Drittes Kapitel

Der Ausschluß aus der Kirche

III. Ausschluß aus der kirchlichen Gemeinschaft

3. Die Stellung des Staates.

In den Ausschluß aus der Kirche mischt sich im allgemeinen der Staat nicht mehr ein. Denn davon hängen keine Leistungen und keine Änderungen in diesen Leistungen ab. Die Pflichten bleiben ja bestehen. Die Exkommunikation dient ausschließlich den Interessen der Kirche und ist mit ihrer dogmatischen und sittlichen Auffassung aufs innigste verknüpft. Die Exkommunikation ist für den Staat kein Ausscheiden aus dem Verband der Kirche wie ein formgerecht vollzogener Kirchenaustritt; deshalb ignoriert er sie völlig. Nur wer freiwillig in der vom Staat geregelten Weise der Kirche den Rücken kehrt, steht für diesen hinsichtlich der bürgerlichen Wirkungen außerhalb der Kirche. Fühlt sich jemand durch den Kirchenausschluß beschwert, so ist ihm eine zweifache Möglichkeit eröffnet. Entweder kann er Beschwerde bei den kirchlichen Vorgesetzten einlegen bzw. die Ursache der Strafe entfernen, worauf die Exkommunikation aufgehoben werden muß. Erfolgte aber der Ausschluß durch ein gerichtliches Urteil, so steht ihm die Appellation beim höheren kirchlichen Gericht frei. Dagegen kennt die Kirche keinen Rekurs und keine Appellation an den Staat. Sie hat vielmehr darauf die excommunicatio latae sententiae speciali modo Apostolicae Sedi reservata gesetzt (c. 2334 n. 2). Die Annahme einer solchen Beschwerde oder einer Berufung durch den Staat wäre ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Kirche.

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