Kirche und Sekte
- aus der Konfessionskunde von Konrad Algermissen -
(Kirche zum Mitreden, 28.10.2003)
[PRHL] Die nachfolgenden Passagen entstammen dem Buch von Konrad Algermissen,
Konfessionskunde [vormals: "Christliche Sekten und Kirche Christi], Hannover
(4)1930. Diese Konfessionskunde ist ein absolutes Standardwerk für
die schnelle und zuverlässige Informationssuche über akatholische
Gemeinschaften. Wenngleich Algermissen heutzutage in Vergessenheit gedrängt
wurde (innerhalb unseres gesamten V2-Studiums wurde uns noch nicht einmal
sein Name genannt!), ist er KzM-Lesern ein Begriff, s. z.B. den Holocaust-Mythus-Text.
Der V2-"Bischof von Fulda" heißt Heinz Josef Algermissen, er ist
KzM-Lesern u.a. als "Donum-vitae"-"Akzeptierer" bekannt (s. Nachrichten
v. 26.09.2001), und wie kürzlich berichtet wurde, finanzieren
15 der 26 deutschen "Bischöfe" diesen Verein zur "Schwangerenkonfliktberatung"
(also zur Ausstellung von Mörderscheinen)
über private Fördergelder.
Doch bleiben wir bei Konrad Algermissen. Er vertritt - wie übrigens
auch wir - die katholische Beurteilung der Sekte. Kernaspekte einer Sekte
sind die Loslösung von
- den Dogmen;
- der kirchlichen Hierarchie.
Im allgemeinen Sinne sind Sekten "jene Sondergruppen, die sich durch
falsche Lehren, wie auch jene, die sich durch Ablehnung der kirchlichen
Hierarchie von der Kirche getrennt haben". Die V2-Sekte schwelgt in Häresien
(s. connis Credo) und folgt Scheinpäpsten.
Als tiefsten Grundzug der Sekte nennt Algermissen ihren individualistischen
Charakter, der dem universalen, katholischen Charakter der Kirche widerspricht.
Die wahre Kirche ist nicht eine Kirche unter (gleichwertigen) mehreren,
cf. den Katechismus von Piux X. (s. Der Begriff
"römisch-katholisch"):
Nr. 105: "Die Kirche ist die Gemeinschaft aller Menschen, die getauft
sind, an Jesus Christus glauben, Seine Lehre befolgen, Seine Sakramente
empfangen und mit dem Heiligen Vater geeint sind."
Nr. 113: "Der Papst ist der Nachfolger des hl. Petrus auf dem Bischofsstuhl
von Rom und Primat im universalen Apostolat und Episkopat; also das sichtbare
Oberhaupt, der Stellvertreter Jesu Christi (des sichtbaren Oberhauptes)
der ganzen Kirche, die darum Römisch-Katholisch genannt wird."
Nr. 117: "Keine >Kirche< außerhalb der Römisch-Katholischen
kann die Kirche Jesu Christi sein und auch nicht ein Teil von ihr, weil
sie mit dieser die einzelnen Unterscheidungsmerkmale nicht gemeinsam haben
kann, die Einigkeit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität,
wie sie auch tatsächlich keine der anderen >Kirchen< hat, die sich
christlich nennen."
Außer dem allgemeinen Sektenbegriff ("jene Sondergruppen, die
sich durch falsche Lehren, wie auch jene, die sich durch Ablehnung der
kirchlichen Hierarchie von der Kirche getrennt haben") gibt es auch noch
einen speziellen, der gerade diesen individualistischen, elitären
Charakter hervorhebt. Die eigentlichen Sekten tragen als Wesenszüge
v.a. einen "donatistischen Kirchenbegriff", ferner "ethischen Rigorismus"
und "hochmütigen Fanatismus" (Algermissen 30). Der donatistische Kirchenbegriff
ist in der V2-Sekte enorm stark ausgeprägt und strahlt regelrecht
davon aus (s. auch den FireDancer). "Hochmütiger
Fanatismus" ist ebenfalls ein unüberschaubares Merkmal der V2-Sekte,
das sich in dem zutiefst ehrverletzenden Benehmen gegenüber katholischen
Klerikern widerspiegelt und sich wesentlich aus Lügen legitimiert
(s. konkret kath.de, allgemein die Predigt
vom 19.10.2003). Bei dem "ethischen Rigorismus" der V2-Sekte fällt
aber weniger die Sittenstrenge als vielmehr die Sittenlosigkeit auf, die
sich u.a. in exzessiver Kinderschändung
und sodomitischer Unzucht manifestiert und dementsprechend
zur faktischen Abschaffung etwa des Fastengebotes
geführt hat: Böse ist nun der, der noch an den Geboten Gottes
und der Kirche festhält. Bevor man meint, es wäre ja wohl ein
Widerspruch, nach außen hin hohe ethische Forderungen zu stellen
und sich selbst als ethisches Vorbild zu präsentieren, in Wahrheit
aber moralisch degeneriert zu sein: Wer hat behauptet, im Leben eines Menschen
könne es keine Widersprüche zwischen Worten und Taten, zwischen
Schein und Sein geben? Man lese ferner die Worte Jesu zu den Pharisäern:
"Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gleicht
übertünchten Gräbern. Von außen sehen sie zwar schön
aus, inwendig aber sind sie voll von Totengebein und allem Unrat. So erscheint
auch ihr äußerlich gerecht vor den Menschen, inwendig aber seid
ihr voll Heuchelei und Schlechtigkeit. Weh euch, ihr Schriftgelehrten und
Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr baut den Propheten Grabstätten und
schmückt die Denkmäler der Gerechten und sagt: Hätten wir
in den Tagen unserer Väter gelebt, so hätten wir uns an dem Blute
der Propheten nicht mitschuldig gemacht. Damit bezeugt ihr selbst, daß
ihr die Söhne von Prophetenmördern seid. So macht ihr das
Maß eurer Väter voll. Ihr Schlangen- und Natterngezücht,
wie wollt ihr der Verurteilung zur Hölle entrinnen? Darum seht, ich
sende zu euch Propheten, Weise und Schriftgelehrte. Die einen von ihnen
werdet ihr töten und kreuzigen, die ändern in euren Synagogen
geißeln und von Stadt zu Stadt verfolgen. So soll über euch
kommen alles gerechte Blut, das auf Erden vergossen ward, vom Blute des
gerechten Abel angefangen bis zum Blute des Zacharias, des Sohnes des Barachias,
den ihr ermordet habt zwischen dem Tempel und dem Altare" (Mt 23,27-36).
Übrigens hat die V2-Sekte im Gegensatz zur katholischen Kirche
keinen universalen Anspruch, sondern ist "ökumenisch". Nostra
Aetate und Unitatis Redintegratio sind das
ideologische Fundament etwa für die "gemeinsame
Rechtfertigungslehre" und das Verbot der Judenmission.
Wichtig ist auch Algermissens Hinweis auf die Unzlänglichkeit eines
staatlichen Sektenbegriffs: Heute hört in liest man immer wieder von
"den beiden großen Kirchen" ("evangelische" und "katholische" "Kirche"),
die dann obendrein noch "Sektenbeauftragte" als Kollaborateure beim Staat
herumhocken haben. Fakt ist, dass diese "Sektenbeauftragten" selber Sektierer
sind und der deutsche Staat den Bürgern ein pervertiertes "christliches"
Bekenntnis aufzwingt, etwa, dass connis Credo
das Glaubensbekenntnis der römisch-katholischen Kirche sei. Deutschland
ist also fest in der Hand von Über-Nazis (s. Mein
Kampf). Die beständige Propaganda der V2-Sekte und ihrer Komplizen
bzgl. des Namensrechts ("der Staat entscheidet, wer oder was katholisch
ist") ist häretisch und ein abscheuliches Verbrechen. Um einmal mehr
zu beweisen, dass der deutsche Staat ganz bewusst rigoros verbrecherisch
handelt, wird dieser Text per Fax geschickt an:
- das Völkermordinstitut "Landgericht Bonn", Wilhelmstr. 21-23,
z. H. dilger, 53111 Bonn, Fax: 0228 / 702- 1600;
- Staatskanzlei NRW, Stadttor 1, 40190 Düsseldorf, Fax: 0211 /
837 - 1150;
- Generalstaatsanwaltschaft in Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670
Köln, Fax: 0221 / 7711 - 418.
Der Staat wird mit seinem antichristlichen Treiben im Endeffekt restlos
scheitern. Wir empfehlen ihm dringend, zu kapitulieren, bevor es zu spät
ist.
Zum Wesen der Kirche gehört die Kontinuität ihrer Lehre -
letztlich entstammt alles, was sie glaubt und tut, dem apostolischen Zeitalter.
Mit Tradition kann die V2-Sekte allerdings überhaupt nichts anfangen,
ganz im Gegenteil, dort wird Kontinuität zur apostolischen Lehre als
unzulässige Verengung, ja als Irrtum und Verbrechen verurteilt. Die
Apostel werden als die schlimmsten Lügner hingestellt, die aus dem
"historischen Jesus" den "kerygmatischen Christus" gemacht haben (s. den
Apostaten-Katechismus).
Die ärgsten Zerstörer des Traditionsbewusstseins wurden von Wojtyla
dafür ganz besonders belohnt, z.B. Walter Kasper
und Karl Lehmann. Wojtyla selbst ist aber der
allerschlimmste - er ist fürwahr der Diener der
Diener Satans. Bekanntlich schwärmt er unentwegt von einem "neuen
Pfingsten", und in "Ecclesia Dei" sinniert
er: "Die Breite und Tiefe der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils
machen nämlich neue und vertiefte Untersuchungen notwendig, in denen
die Kontinuität des Konzils mit der Tradition klar hervorgehoben wird,
vornehmlich in jenen Bereichen der Lehre, die, weil sie vielleicht neu
sind, von einigen Teilgruppen der Kirche noch nicht recht verstanden wurden."
Weswegen ist es notwendig, die "Kontinuität" zwischen V2-Texten
und kirchlichen Texten extra aufzuzeigen? Weil sie nicht besteht und man
den "Konservativen" diese Kontinuität vorgaukeln muss. Wie kann überhaupt
Kontinuität zwischen traditioneller und "vielleicht neuer" Lehre bestehen?
Gar nicht.
Das nach heutiger Ansicht wichtigste, ja letzlich alles entscheidende
Merkmal der wahren Kirche fehlt allerdings in den kirchlichen Texten und
in den Ausführungen von Algermissen: Die Mehrheit. Was wahr ist, setzt
sich durch (cf. Sven Stemmildt); das ist zwar
das heutige Super-Dogma, findet aber keine Stütze in der kirchlichen
Lehre, ist also - und nicht nur vielleicht - "neu". Die Kirche feiert heute
das Fest der Apostel Simon und Judas Thaddäus, die beide als Märtyrer
starben. Das heutige Evangelium lautet:
In jener Zeit sprach Jesus zu Seinen Jüngern: «Das
ist Mein Gebot, daß ihr einander liebet. Wenn euch die Welt haßt,
so wisset, daß sie Mich vor euch gehaßt hat. Wäret ihr
von der Welt, so würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht
von der Welt seid, sondern Ich euch von der Welt auserwählt habe,
darum haßt euch die Welt. Denket an das Wort, das Ich zu euch gesprochen
habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie Mich
verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen; haben sie Mein Wort gehalten,
so werden sie auch das eurige halten. Aber dies alles werden sie euch antun
um Meines Namens willen; denn sie kennen Den nicht, der Mich gesandt hat.
Wäre Ich nicht gekommen und hätte Ich nicht zu ihnen geredet,
hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keine Entschuldigung
für ihre Sünde. Wer Mich haßt, der haßt auch Meinen
Vater. Hätte Ich nicht die Werke unter ihnen vollbracht, die kein
anderer vollbracht hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben
sie [die Werke] gesehen und hassen dennoch Mich und Meinen Vater. Allein
[so mußte es kommen]: es muß das Wort erfüllt werden,
das in ihrem Gesetze geschrieben steht: Sie hassen Mich ohne Grund.»
K. Algermissen, Konfessionskunde, Hannover (4)1930
(22-25. 28f)
Begriffsbestimmung der Sekte.
Jede religiöse Gemeinschaft, die unter Anerkennung der Bibel als der
von Gott geoffenbarten Wahrheitsquelle und im Glauben an Christus als christlich
angesehen werden kann, aber in ihren Wesenszügen von dem Begriff der
einen wahren Kirche abweicht, ist als christliche Sekte in des Wortes allgemeiner
Bedeutung zu bezeichnen. Das Wort Sekte stammt vom lateinischen secta,
ae f. (von sequor, secutus sum 3. = folgen, Folge leisten, sich an etwas
anschließen, jemandes Partei ergreifen) und bedeutet ursprünglich
soviel wie Weg, Richtung, Denk- und Handlungsweise und weiterhin die politische
Partei oder die philosophische Schule, der man sich anschließt (alicuius
sectam sequi) [FN: Vgl. Menge-Güthling, Lateinisch-deutsches Wörterbuch
(Berlin.Schöneberg, 6. Aufl. o J.)]. In diesem Sinne wird das Wort
schon in der römischen Literatur vor Christus gebraucht. Die Vulgata
wendet es dann auch auf die religiöse Richtung an, die jemand erwählt
hat, ohne damit zunächst etwas Tadelndes zu verbinden [FN: z. B. Apgsch.
26, 5.]. In den Apostelbriefen aber wird das Wort Sekte bereits in dem
tadelnden Sinn der Rottenbildung innerhalb der christlichen Gemeinde gebraucht
[FN: So Gal. 5, 20 u. 2. Petr. 2, 1.]. Diese Wortbedeutung ist dann in
den kirchlichen Gebrauch übergegangen. Sekte bedeutet danach jede
auf religiösem Individualismus beruhende kirchliche Sonderrichtung,
die der Wahrheit und Einheit der einen wahren Kirche widerstreitet und
als Sondergruppe ihr eigenes Dasein und Leben führt.
Eine ganz ähnliche Entwicklung hat das ursprünglich mit dem
Begriff Sekte gleichbedeutende Wort Häresie durchgemacht. Dieses Wort,
das aus dem Griechischen hairesis (von hairoumai) stammt, bedeutet zunächst
das Erwählte, die erwählte Lebensrichtung, die politische, religiöse
Parteirichtung, bekommt aber auch bald im kirchlichen Sprachgebrauch den
tadelnden Beigeschmack der religiösen Sonderrichtung. Später
wurde dann das Wort Häresie ausschließlich für jene religiösen
Sondergruppen gebraucht, die sich durch falsche Lehren von der wahren Kirche
trennten, während man diejenigen Sondergruppen, die sich durch Ablehnung
der kirchlichen Hierarchie von der Einheit der Kirche loslösten, als
Schisma bezeichnete [FN: Inter haeresim et schisma hoc arbitror interesse,
quod haeresis perversum dogma habeat, Schisma autem quod ab Ecclesia separet
[Meines Erachtens besteht zwischen Häresie und Schisma der Unterschied
darin, dass die Häresie eine irrige Lehre enthält, während
durch das Schisma die Trennung von der Kirche vollzogen wird]. (S. Hieran,
Super Epist, ad Tit., cap. XXVI, in illud :Haereticum hominem.). Im Vergleich
zu dieser Bedeutung der Worte Häresie und Schisma stellt das Wort
Sekte den umfassenden Begriff dar und bezeichnet sowohl jene Sondergruppen,
die sich durch falsche Lehren, wie auch jene, die sich durch Ablehnung
der kirchlichen Hierarchie von der Kirche getrennt haben. In diesem Sinn
verwirklichen alle christlichen Gemeinschaften, die außerhalb der
einen wahren Kirche selbständig ihr Sonderdasein führen, den
Begriff der Sekte.
Während nun die beiden Worte Häresie und Schisma die oben
gekennzeichnete Bedeutung bis heute beibehalten haben, hat der Begriff
Sekte eine weitere Wandlung durchgemacht. Es ist für das Verständnis
unserer Darlegungen notwendig, den heutigen Begriff der Sekte klar und
deutlich zu fassen.
Abzulehnen ist zunächst der von manchen Schriftstellern gemachte
Versuch, vom formal-juristischen Standpunkt zur Wesensbestimmung der Sekte
zu kommen und als Sekten alle jene christlichen Gemeinschaften zu bezeichnen,
die rechtlich nicht als Staats- oder Landeskirchen gelten. Eine derartige
Begriffsbestimmung bleibt rein äußerlich und dringt zum Wesen
der Sache nicht vor. Eine christliche Gemeinschaft kann heute in einem
Lande als staatskirchlich gelten, die durch veränderte politische
Verhältnisse bereits morgen diesen Charakter verliert. So galten im
Deutschen Reich bis 1919 die im Westfälischen Frieden "anerkannten
Konfessionen" der evangelisch-lutherischen, der reformierten und der römisch-katholischen
Kirche als Landeskirchen, während der heutige deutsche Staat solche
privilegierten Landeskirchen grundsätzlich nicht mehr kennt. Artikel
137 der deutschen Reichsverfassung vom 11. August 1919 bestimmt: "Es besteht
keine Staatskirche. Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre
Angelegenheiten selbständig. Ändern Religionsgesellschaften (als
den bisher "anerkannten Konfessionen") sind auf ihren Antrag gleiche Rechte
zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder
die Gewähr der Dauer bieten." Wenn nun auch trotz dieser grundsätzlichen
Gleichstellung aller lebenskräftigen religiösen Denominationen
in Deutschland tatsächlich noch gewisse Überreste des früheren
Verhältnisses des Staates zu den drei privilegierten Konfessionen
geblieben sind, z. B. hinsichtlich der Finanzverwaltung, des Religionsunterrichtes
in den staatlichen Schulen, der theologischen Fakultäten an den staatlichen
Universitäten, so liegen in Ländern, die eine andere geschichtliche
Entwicklung hinter sich haben, die Verhältnisse wiederum ganz anders.
Die Vereinigten Staaten von Amerika kennen weder grundsätzlich noch
praktisch den Begriff der Staatskirche. Alle religiösen Gemeinschaften
sind dort rechtlich ganz und gar gleichwertig. Ganz andere rechtliche Bestimmungen
bestehen wieder in verschiedenen überwiegend katholischen Ländern,
so daß man tatsächlich vom formal-rechtlichen Standpunkt zu
keiner Begriffsbestimmung der Sekte kommen kann.
Mir scheint, daß man zu einer klaren Bestimmung des heutigen
Begriffs der Sekte nur dann gelangt, wenn man ausgeht von den letzten und
tiefsten Wesenszügen des Sektenbegriffes in jenem allgemeinen Sinne,
den wir vorhin besprochen haben. Dieser tiefste Grundzug der Sekte im allgemeinen
Sinn ist ihr individualistischer Charakter, der letzthin die Ursache bildet,
weshalb die Sekte zu einer selbständigen Sondergruppe außerhalb
der wahren Kirche wurde. In diesem Sinne sind, wie wir oben gesehen haben,
alle christlichen Gemeinschaften, die außerhalb der wahren Kirche
als selbständige Bewegungen existieren, als christliche Sekten zu
bezeichnen. Wenn nun dieses individualistische Sonderstreben nicht nur
zum Ausgang und Ursprung einer neuen religiösen Gemeinschaft wird,
sondern auch zu deren letzter Zielsetzung, d. h. wenn diese neue religiöse
Sondergruppe ihr eigentliches Wesen darin sieht, als Sondergruppe von Freiwilligen,
von "Auserwählten", sich dem Universalismus der Kirche entgegenzustellen,
dann haben wir das eigentliche Wesensgepräge der Sekte im heutigen
Sinn. Alle übrigen charakteristischen Merkmale hängen hiervon
ab.
Die wahre Kirche will Menschheitskirche sein. Wie Christus nicht nur
für einzelne Menschenseelen, sondern für die gesamte Menschheit
am Kreuze gestorben ist und die zur Seligkeit notwendigen Gnaden allen
Menschen ohne Ausnahme verdient hat, so will auch die Kirche als der auf
Erden fortlebende Christus nicht nur einzelne, sondern alle Menschenseelen
retten und zum Himmel führen [Mt. 28, 19; MC. 16, 16.]. Das Streben
der Kirche geht aus ihrem Wesen heraus notwendig auf die ganze Menschheit.
Ihr Grundcharakter ist der religiöse Universalismus, der so weit reicht
wie die Erlösungstat Christi. Die wahre Kirche Christi ist Massenkirche.
Sie ist Volkskirche — nicht im engbegrenzten Sinn der Nationalkirche, sondern
in dem Sinn, daß sie nicht einzelne Menschen, nicht einzelne Gruppen
und Stände eines Volkes, sondern die gesamte Volksmasse aller Nationen
zu erfassen und zu umfassen sucht. Sie ist Volkskirche auch in dem Sinn,
daß sie sich ihrer erzieherischen Aufgabe am Volk und an allen Völkern
bewußt ist. Sie will die große Erzieherin der Völker der
Gesamtmenschheit sein, will das Gemeinschaftsleben der Völker, all
ihr kulturelles Arbeiten mit der Geisteswelt Christi durchdringen. Deshalb
ist die wahre Kirche kulturfreundlich, lebensnahe, kulturfördernd
eingestellt. [...]
Es gibt christliche Gemeinschaften, die als Sondergruppen größeren
oder kleineren Umfangs außerhalb der einen wahren Kirche bestehen,
aber in ihrem gesamten Streben als Massenkirchen eingestellt und sich bewußt
sind, daß sie eine erzieherische Aufgabe an der Menschheit zu erfüllen
haben. Diese christlichen Gemeinschaften haben gegenüber den oben
beschriebenen Sekten den Drang auf die gesamte Volksmasse hin. Sie nehmen
deshalb bereits die kleinen Kinder ihrer Mitglieder durch die Taufe in
ihren Schoß auf. Nicht einzelne Erwachsene treten ihnen als Freiwillige
bei; sondern die Masse des Volkes wird gleichsam in sie hineingeboren.
Diese christlichen Gemeinschaften haben mit der wahren Kirche deren Universalismus
in ihrer Zielsetzung grundsätzlich gemeinsam und unterscheiden sich
dadurch von jenen Gruppen, die wir als Sekten im eigentlichen Sinn bezeichnen.
Man wird die erwähnten Gemeinschaften wegen ihres Strebens zur ganzen
Masse des Volkes hin am besten als Massen- oder Volkskirchen bezeichnen
und denjenigen Gruppen, die sich wiederum aus ihnen als eigene selbständige,
vom Staate unabhängige Sonderkirchen mit eigener Verfassung entwickelt
haben, den Namen "Freikirchen" geben [FN: Das Wort "Freikirche" wird im
Gegensatz zur Staatskirche gebraucht und bezeichnet diejenigen aus den
Volkskirchen entstandenen selbständigen Gruppen, die sich unabhängig
vom Staat ihre eigene Verfassung, Organisation und religiöse Satzung
geben, ihre eigenen, von jeder staatlichen Rücksichtnahme freien Vorschriften
über die Erfordernisse zum geistlichen Amt erlassen und auf jegliche
moralische und finanzielle Beihilfe seitens des Staates verzichten. Soweit
solche Gruppen wesenhaft die Züge der Volkskirche beibehalten, stehen
sie religionswissenschartlich mit ihr auf gleicher Stufe, Sobald sie mit
ihrem freiheitlichen Streben auch das Freiwilligkeitsprinzip verbinden,
nehmen sie ein Wesensmerkmal der Sekte an und verdienen religionswissenschaftlich
nicht mehr die Bezeichnung als Kirche, weil sie deren grundsätzlichen
Universalismus ablehnen. Doch ist der gewöhnliche Sprachgebrauch in
dieser Hinsicht immer unwissenschaftlicher geworden. In Deutschland haben
sich 1926 die Baptisten, Methodisten, Evangelische Gemeinschaft und der
Bund freier evangelischer Gemeinden zu einer "Vereinigung evangelischer
Freikirchen in Deutschland" zusammengeschlossen. In Schneiders "Kirchlichem
Jahrbuch für die evangelischen Landeskirchen Deutschlands" füngieren
unter der Rubrik "Sonstige Freikirchen" auch die Neuapostolische Gemeinde
und die Siebenten-Tags-Adventisten.]
Zwischen den oben charakterisierten eigentlichen Sekten und den als
Volks- und Freikirchen bezeichneten Gemeinschaften gibt es zahlreiche Zwischenglieder
und Spielarten, die gewisse wesentliche Merkmale der Sekte an sich tragen,
in anderen aber wiederum den Volks- oder Freikirchen ähnlich sind.
Es geschieht auch, daß Sondergruppen in der ersten Zeit ihrer Geschichte,
wo sie erst wenige Mitglieder zählen und deshalb gezwungen sind, sich
mit Aufbietung aller Kräfte zu behaupten, den eigentlichen Sektentyp
sehr stark offenbaren, aber bei fortschreitendem Wachstum die Eigenarten
der Sekte mehr und mehr ablegen und den Charakter der Volkskirche annehmen.
(59 - 61)
Das kirchliche Dogma und seine Entwicklung.
Was die unfehlbare Kirche Christi ihren Gläubigen als geistige Mutter,
gestützt auf Schrift und Überlieferung, zu glauben vorlegt, bezeichnen
wir als Dogma. Unter Dogma verstehen wir mithin eine religiöse Wahrheit,
die von Gott geoffenbart ist und von der Kirche als Offenbarungslehre zu
glauben geboten wird. Im Dogma drückt die geistige Mutter eine Wahrheit,
die sie vom himmlischen Vater empfangen hat, ihren Kindern aus in deren
Worten und Sprache. Das Dogma ist, äußerlich betrachtet, die
begriffliche Formulierung einer religiösen Wahrheit. In ihm lebt und
flutet der Geist Gottes.
Die Offenbarung Gottes an die Menschheit, soweit sie allgemeine Heilswahrheiten
betrifft, ist abgeschlossen mit dem Tode des letzten Apostels. In irgendeiner
Weise muß also alles, was die Kirche im Laufe der Jahrhunderte ihren
Gläubigen zu glauben.vorlegt, bereits in der Lehre des apostolischen
Zeitalters enthalten sein. Der Inhalt dessen, was Gott der Menschheit zu
ihrem Heile geoffenbart hat, bleibt seitdem derselbe. Aber durch das Vergleichen
der einzelnen geoffenbarten Wahrheiten miteinander, durch das Erforschen
der inneren Zusammenhänge, die diese Wahrheiten als Ideen desselben
Gottes untereinander haben, durch die spekulative, vernunftgemäße
Durchdringung des Offenbarungsinhalts wird dessen Erkenntnis immer weiter
und tiefer, sodaß die Kirche die Möglichkeit hat, vom Gottesgeist
erleuchtet, eine stets reichere begriffliche Formulierung der geoffenbarten
Wahrheiten in Form dogmatischer Lehrsätze der Menschheit zu verkünden.
Es ist gerade für die Behandlung der Sektengeschichte außerordentlich
wichtig, die dargelegte Wahrheit von der Dogmenentwicklung klar vor Augen
zu haben. Immer wieder stehen Sekten auf und gewinnen Anhänger mit
der Behauptung, sie hätten in Glaube, Sitte, Gottesdienst und Verfassung
die reine Form der Urkirche wiederhergestellt. Alle solche Sekten bedenken
nicht, daß sie durch ihre Behauptung Christus der Lüge oder
des Irrtums zeihen, der verkündet hat, daß er alle Tage bei
seiner Kirche sein werde bis ans Ende der Welt, daß der Geist der
Wahrheit von seiner Kirche nie weichen, die Macht der Hölle sie nie
überwältigen werde, daß deshalb auch von einer wesentlichen
Verfälschung und daraus sich ergebenden notwendigen Wiederherstellung
des ursprünglichen reinen Christentums keine Rede sein kann. Alle
diese Sekten beachten nicht, daß Christus in seiner Kirche lebt,
daß die Kirche der lebendige, mystische Leib Jesu Christi ist, daß
von Christus als dem Haupt das Leben ausströmt in seine ganze Kirche
zu allen Zeiten, daß deshalb auch der ganze Organismus der Kirche
ein wahres, wirkliches, lebendiges Wachstum zeigen muß. Weil Christus
weiterlebt in seiner Kirche, wird die Fülle des Glaubensinhaltes sich
immer reicher entfalten, die Durchdringung und praktische Anwendung desselben
stetig zunehmen. Ähnlich geht es im Kultus und im Gebetsleben. Bei
allem Sichgleichbleiben des Wesensgehaltes wird der in der Kirche lebendige
Christus immer neue Knospen und Blüten, immer neue schöne Formen
und Gestalten treiben. Sowie eine vierbändige Dogmatik von Scheeben
umfangreicher ist als das älteste Glaubensbekenntnis der Urgemeinde
und ihm äußerlich nur wenig ähnlich sieht, so ist auch
eine heilige Messe unserer Tage oder gar ein Pontifikalamt formenreicher
als das "Brotbrechen" der Urgemeinde. Und ein Gläubiger der ersten
Gemeinde von Jerusalem würde einen Rosenkranz oder eine Fronleichnamsprozession
wohl zunächst mit verständnislosem Blick betrachten. Doch gar
bald würde er das seinem Glauben Wesensgleiche herausfinden. Er würde
voll Freude erkennen, daß der Rosenkranz eine lebendige Verwirklichung
des Schriftwortes ist: "Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter",
und er würde gar bald niedersinken vor dem in der Monstranz der Fronleichnamsprozession
unter Brotgestalt verborgenen Heiland und ihn anbeten als seinen Gott.
Er würde gar bald erkennen, daß eine katholische Dogmatik unserer
Tage nichts anderes ist als das Glaubensbekenntnis der Urgemeinde. Er würde
im heiligen Meßopfer die Wesenselemente des Letzten Abendmahls und
des "Brotbrechens" der alten Kirche: Opferung, Wandlung und Kommunion,
wiederfinden, umrahmt von einem Blütenkranze herrlicher Gebete und
religiöser Handlungen. Er würde erkennen, daß die Spendung
der sieben Sakramente in der katholischen Kirche heute dieselbe ist wie
zu seiner Zeit, nur glänzender umrahmt, formenreicher, farbenprächtiger.
In alledem würde er das Wirken und Walten Jesu Christi erkennen,
der immerwährend lebendig ist in seiner Kirche. Er bewirkt ihr äußeres
Wachstum, daß sie vom Samenkörnlein zum gewaltigen Baum wird,
der äußerlich dem Samenkörnlein so unähnlich und doch
wirklich nur die lebendige Entfaltung desselben ist. Er bewirkt ihr inneres
Wachstum in Glaubenserkenntnis und Gottesdienst. Weil Christus in seiner
Kirche lebendig ist, treibt der Baum der Kirche immer neue Zweige und Blüten
und Knospen. Ein im chemischen Laboratorium hergestelltes Samenkörnchen
sieht äußerlich einem wirklichen, natürlichen Samenkorn
ähnlicher als der lebendige, blühende, fruchttragende Baum, der
aus diesem Samenkorn erwachsen ist. Und doch ist jenes ihm wesensfremd,
der Baum ihm wesensgleich. So sieht manche Sekte dem ursprünglichen
Christentum äußerlich ähnlicher als die katholische Kirche.
Aber es ist nur Schein, toter, kalter Schatten. In der katholischen Kirche
lebt, webt und wirkt Christus vom Anfang bis zum Ende der Tage. Das Samenkorn
ist zum Baum geworden, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen.
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