Der Christ und die Volksgemeinschaft

- Ein Artikel aus dem Konvertiten-Katechismus -
(Kirche zum Mitreden, 27.04.1999)
[PRHL] Der folgende Text ist dem Konvertiten-Katechismus (B. van Acken S.J., Paderborn (15(!!))1957, 307-309) entnommen und soll helfen, die verschiedenen neueren Vorgänge im deutschen Staat zu beurteilen, so z.B. das Katholiken-Urteil des Bundesgerichtshofes, das Kruzifix-Urteil des Bundesgerichtshofes, die Arbeit der gegenwärtigen Bundesregierung etc.
Die Kirche hat sich immer gegen Ungerechtigkeit eingesetzt mit dem klaren Bewußtsein, daß jeder Akt gegen die göttliche Ordnung auch einen Akt gegen das Allgemeinwohl bildet, s. z.B. die Enzykliken gegen den Nationalsozialismus und gegen den Kommunismus.
Der deutsche Staat hat sich leider immer wieder massives Fehlverhalten gegenüber der Kirche zu Schulden kommen lassen, wobei der Nazi-Terror nur ein Fall ist; im  vorigen Jahrhundert betätigte sich z.B. Otto von Bismarck (1815-1898; seit 1862 Ministerpräsident) als Unterdrücker der Kirche im Kulturkampf: Kleriker sollen als Beamte dem Staat unterstellt werden (scheitert am Widerstand von Klerus und Laien), die Predigtfreiheit zu politischen Themen wird verboten ("Kanzelparagraphen" von 1871), der Jesuitenorden wird verboten (1872), der Staat reglementiert die Ausbildung von Klerikern (Maigesetze von 1873) etc.
Der Kulturkampf unserer Tage unterscheidet sich in mehreren Hinsichten von den antichristlichen Maßnahmen früherer deutscher Staatsmänner, darunter in der Hinsicht, daß es kaum noch Streiter gibt, die in der Wahrung kirchlicher Rechte und in der Behauptung kirchlicher Rechte gegenüber dem Staat eine verpflichtende Aufgabe sehen. Damit zum Text: Was im Original im Sperrdruck steht, ist hier unterstrichen; Kursivschrift wurde beibehalten. Der Artikel besteht aus drei Unterkapiteln, wovon das dritte (über die Völkergemeinschaft) hier nicht wiedergegeben wurde.

Der Christ und die Volksgemeinschaft

1. Der Staat ist für den Christen eine von Gott gewollte Gemeinschaftsform, die den Zweck hat, die Aufgaben zu lösen, welche die einzelnen, die Familie und kleine Gemeinschaften nicht lösen können. Der eigentliche Zweck des Staates ist, für das allgemeine Wohl zu sorgen. Unter keinen Umständen darf daher die staatliche Obrigkeit nur dem Vorteil eines einzigen, einer Minderheit oder einer Partei dienen.
Ein Gemeinschaftsleben ist nicht denkbar ohneOrdnung, wie auch die Ordnung nicht möglich ist ohne einen Ordner. Das ist im Staat die Obrigkeit, die notwendig ist für unser zeitliches Wohlergehen. Wäre die Obrigkeit nicht da, so wäre unser Leben und Eigentum nicht gesichert, es gäbe keine Gerechtigkeit und keinen Frieden, keine Ruhe und keine Ordnung. Deshalb müssen wir Gott dankbar sein, daß er die staatliche Obrigkeit angeordnet und ihr die entsprechende Gewalt verliehen hat. Der Staat besitzt aber nur soviel Macht, als notwendig und zweckdienlich ist zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die öffentlichen Ämter dürfen nur geeigneten Personen gegeben werden und ungeeignete müssen aus ihnen entfernt werden. Damit ist die staatliche Macht als Stellvertreterschaft Gottes grundsätzlich bewahrt vor Willkür und egoistischem Machtwillen.
Zur Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit und Ordnung darf der Staat alle erforderlichen Gesetze und Maßnahmen geben. Zu diesen zählt der heilige Paulus das Recht der Steuererhebung. "Aus diesem Grund entrichtet ihr auch Steuern, denn Diener Gottes sind jene, die gerade diesem Amt obliegen" (Röm 13,6).
Ebenso hat der Staat das Recht, die Gesetzesbrecher zu strafen: Nicht umsonst trägt die Obrigkeit das Schwert, sie ist ja Gottes Dienerin, Rechtsvollstreckerin zur Bestrafung dessen, der das Böse tut" (Röm 13,4).
2. Die Rechte und Pflichten der Staatsbürger ergeben sich aus dem Wesen und den Rechten der staatlichen Obrigkeit, die ein Abglanz der ewigen Vaterschaft Gottes ist. "Ich beuge meine Knie vor dem Vater (unseres Herrn Jesus Christus), von welchem jede Gemeinschaft, die im Himmel und auf Erden einen Vater hat, ihren Namen empfängt" (Eph 3,14). Die grundsätzliche Einstellung des Christen zum Staat ist ihm gegeben in dem Herrenwort: "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Matth 22,21).
Der Staatsbürger schuldet der rechtmäßigen Obrigkeit Ehrfurcht. Der Christ achtet und ehrt die jeweiligen Staatshäupter nicht nur wegen ihrer persönlichen Würdigkeit, sondern vor allem ihres Amtes wegen, hinter dem die Autorität Gottes steht: Denn es gibt keine Gewalt, außer von Gott" (Röm 13,1). Die Katholiken waren stets die besten Verteidiger der rechtmäßigen Autorität.
Der Staatsbürger schuldet ferner der Obrigkeit Gehorsam. Er betrachtet es als Gewissenspflicht, den gerechten Gesetzen zu gehorchen. "Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes« (Röm 13, 2. 5). Das Christentum war von seinem Bestehen an die größte staatserhaltende Kraft. Gleich in seinem ersten Rundschreiben mahnt der erste Papst die Christen: "Unterwerfet euch um des Herrn willen jeglicher menschlichen Ordnung" (1 Petr 2, 13). Dieses Papstwort wiegt um so schwerer, da die damaligen staatlichen Herrscher dem Christentum feindlich gesinnt waren.
Endlich schuldet der Staatsbürger seiner Volksgemeinschaft Liebe und Treue. Der heilige Thomas überträgt den Begriff der Pietät auf das Vaterland, das auch den Menschen zeugt, erhält und leitet wie die Eltern. "Die übernatürliche Liebe zur Kirche und die natürliche Liebe zum Volk und Vaterland fließen aus der gleichen Quelle. Sie haben beide Gott zum Vater und Urheber" (Leo XIII.). Die Liebe zum Vaterland verpflichtet uns, sein Wohl zu fördern und in Eintracht mit unseren Mitbürgern zu leben.
Die christlichen Staatsbürger sind vor allem dafür mitverantwortlich, daß das Leben in der Gemeinde und im Staat nach den Geboten Gottes ausgerichtet werde, daß die Grundsätze des Naturrechtes, die Menschenrechte und Gewissensfreiheit, kurz, daß in allem die Schöpfungsordnung Gottes gewahrt bleibe. Mit dem Hineingeborenwerden in die Gemeinschaften haben wir diese naturrechtliche Pflicht übernommen. Darüber hinaus verpflichtet uns noch das Gebot der Nächstenliebe, alle Schädigungen von unseren Mitmenschen durch ungerechte Bevorzugung eines Standes oder einer Interessengruppe fernzuhalten und für das allgemeine Wohl einzutreten.
Wahlrecht ist Wahlpflicht. Es wäre eine sträfliche Nachlässigkeit, nicht zur Wahlurne zu gehen; und es wäre eine sündhafte Handlung, einer Partei die Stimme zu geben, die in ihrem Programm den Grundsatz vertritt: "Religion ist Privatsache." Jeder Christ sollte wissen, was dieser Grundsatz praktisch bedeutet. Nach diesem Grundsatz wird Gott und Religion aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Eine Partei, die die heiligsten Rechte Gottes nicht achtet, kümmert sich noch weniger um die Menschenrechte. Das ist eine traurige Erfahrungstatsache. Einer solchen Partei darf daher kein Christ seine Stimme geben.
Die Abgeordneten müssen, ähnlich wie die Obrigkeit, in positiver Weise das allgemeine Wohl fördern, besonders in den Punkten, in denen sie es ihren Wählern ausdrücklich versprochen haben.
Als Volksvertreter dürfen nur solche Männer und Frauen gewählt werden, die sich zu den christlichen Grundsätzen bekennen und die Fähigkeit haben, sie durchzusetzen, die vor allem ernstlich gewillt sind, sich mit allen erlaubten Mitteln gegen die Ansprüche einer staatlichen Allmacht und gegen Gesetze zu wenden, in denen die natürlichen Rechte des einzelnen und der Familie, die Freiheit der Religion und der Kirche geleugnet oder bedroht werden. Hier muß jeder bereit sein, nach seinen Kräften und Verhältnissen mitzuwirken. Und je mehr die Gestaltung des öffentlichen Lebens in die Hand des Volkes gelegt ist, desto schwerer ruht die Verantwortung für sie auf jedem einzelnen. Mitarbeit am öffentlichen und politischen Leben in der Gemeinde, in der Verwaltung, in den verschiedenen Körperschaften, in der Presse, im Rundfunk ist Christenpflicht.
Befehle oder Gesetze, die gegen Gottes Gebot sind, darf man nicht ausführen. Mit dem heiligen Petrus muß man dann mutig bekennen: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29).
Tausende und Tausende von Christen unserer Tage erduldeten lieber die grausamsten Qualen und selbst den Tod, als daß sie ihren christlichen Glauben verleugnet hätten oder von der Kirche abgefallen wären.



[Zurück zur KzM - Startseite]