Papst Pius IX.

- Aus der Papstgeschichte von P. Marin De Boylesve SJ -
(Kirche zum Mitreden, 08.09.2001)
Es war aus verschiedenen Gründen schon länger geplant, biographische Ausführungen über Papst Pius IX. bei KzM zu zitieren. Das heutige Fest Mariä Geburt ist ein schöner Anlass, dieses Vorhaben nun endlich in die Tat umzusetzen.

Bekanntlich schürte Wojtyla mit der vermeintlichen Seligsprechung von Pius IX. einmal mehr die revolutionären Aktivitäten in der Sekte, dessen sichtbares Oberhaupt er ist: Zunächst protestieren "Experten" und "mündige Laien" gleichermaßen GANZ UNGESTRAFT und sogar mit Unterstützung der V2-Sekte (etwa bei kath.de) gegen diese "Seligsprechung"; damit kämpft Wojtyla ganz gezielt gegen die letzten Gedanken an "päpstliche Autorität", die man vielleicht noch bei einigen "Konservativen" finden mag. Ferner muss man an den diabolischen Coup der V2-Sekte denken, den "Anderl-von-Rinn-Kult" zu verbieten (s. Antichristliche Propaganda (4)), worauf Karl Rahner mit dem Begriff "Ritualmordlüge" in seinem Kommentar zu Nostra Aetate anspielt. Dadurch sind Seligsprechungen von der V2-Sekte hochoffiziell ins Lächerliche gezogen, und man wird sich nicht wundern dürfen, wenn irgendwann die Verehrung des "seligen" Pius IX. wieder verboten würde.
Während die ganzen "Experten" nur von dem "umstrittenen" Pius IX. sprechen, sieht die Wahrheit hingegen völlig anders aus; s. z.B. H. Wedewer, Grundriß der Kirchengeschichte, Freiburg (13)1913, 114: "Unstreitig besaß seit Jahrhunderten kein Papst in gleichem Maße die Liebe und Verehrung der ganzen katholischen Welt wie Pius IX." Wenn jemand - wie z.B. Pius IX. - bei den Feinden Christi "umstritten" ist, darf man ihm das nicht zur Last legen. Wir wissen auch durchaus, dass Pius XII. den Nazis absolut verhasst war, trotzdem halten wir es nicht für zulässig, Pius XII. als "umstrittenen" Papst zu diffamieren (s. Der Papst Hitlers?).
Ein zentrales Ereignis in der Regierung Pius IX. war die Veröffentlichung der Enzyklika "Quanta cura" samt dem Syllabus (08.12.1864); s. dazu F. Seppelt, K. Löffler, Papstgeschichte, München 1933, 439:


Über die dogmatische Tragweite des Syllabus besteht unter den Theologen keine volle Einigkeit. Allgemein zugegeben ist, daß die in der Enzyklika verurteilten 16 Sätze kraft der päpstlichen Unfehlbarkeit verworfen sind. Einige behaupten dies auch vom ganzen Syllabus, indem sie darauf hinweisen, daß er mit der Enzyklika eng verbunden sei, daß ihn alle Bischöfe angenommen und daß sich die Päpste mehrfach auf ihn berufen hätten. Andere entscheiden sich dagegen, wenn sie auch den dogmatischen Charakter einzelner Stellen nicht bestreiten.

Zu der Enzyklika s. M. Buchberger (Hg.), Kirchliches Handlexikon, Bd. 2, München 1912, 1638f, Artikel "Quanta cura":


Rundschreiben Pius´ IX, das am 8. Dezember 1864 zugleich mit dem Syllabus und einem Begleitschreiben des Kardinal Antonelli an alle Bischöfe der Welt versendet wurde. Es verwirft (ohne den Grad der theologischen Zensur zu nennen und ohne Numerierung) 16 Sätze:
(1-3) die beste Ordnung der menschlichen Gesellschaft verlange absolute Religions-, Kultus-, Gewissens-, Rede- und Preßfreiheit; Frevel gegen die katholische Religion seien nie zu ahnden, es wäre denn um der öffentlichen Ruhe willen.
(4-6) Der Staat sei die Quelle alles Rechtes; vollendete Tatsachen als solche seien in der Politik rechtlich gültig, öffentliche Almosen seien zu untersagen, das Verbot knechtlicher Arbeit an gewissen Tagen sei aufzuheben.
(7) Jeder Einfluß auf Erziehung und Unterricht der Jugend sei dem Klerus zu entziehen.
(8) Die Gesetze der Kirche verpflichten im Gewissen erst durch die staatliche Promulgation,
(9) die Erlasse und Dekrete der römischen Päpste in religiösen und kirchlichen Angelegenheiten bedürfen der Bestätigung oder Zustimmung des Staates.
(10) Der Kirchenbann gegen die geheimen Gesellschaften gilt dort nicht, wo sie vom Staate geduldet sind.
(11) Der Kirchenbann gegen Usurpatoren geistlichen Rechtes und Eigentums sei auf Erreichung eines rein weltlichen Gutes gerichtet.
(12) Die Kirche dürfe über den Gebrauch zeitlicher Güter keine Gewissenspflicht auferlegen,
(13) über die Verletzer ihrer Gesetze keine zeitliche Strafe verhängen,
(14) das Eigentumsrecht an den Gütern der Kirche, religiöser Genossenschaften und anderer frommer Stiftungen sei dem Staate zuzusprechen.
(15) Die kirchliche Macht sei nicht nach göttlichem Rechte von der bürgerlichen verschieden und unabhängig.
(16) Nur dogmatische Bestimmungen über Glaube und Sitten, nicht aber andere Bestimmungen des Apostolischen Stuhles verpflichten im Gewissen.
Diese Sätze sind mit Unfehlbarkeit verworfen; denn das Urteil lautet:
"Alle und jede der schlechten Meinungen und Lehren, wie sie in diesem Schreiben erwähnt sind, verwerfen, ächten und verdammen wir einzeln kraft Unserer Apostolischen Autorität, und wollen und befehlen, daß sie von allen Söhnen der katholischen Kirche schlechthin als verworfen, geächtet und verdammt angesehen werden."

In der Enzyklika ermahnt der Papst die Bischöfe:


Unterlasset auch nicht zu lehren, daß die königliche obrigkeitliche Gewalt nicht bloß zur Regierung der Welt, sondern ganz besonders zum Schutze der Kirche verliehen ist, und daß nichts den Oberen der Staaten und den Königen zu größerem Nutzen und Ruhm gereichen könne, als wenn sie, wie Unser höchst weiser und edler Vorgänger, der heilige Felix, an den Kaiser Zeno schrieb, man möge die katholische Kirche ... von ihren Gesetzen Gebrauch machen lassen und es niemandem erlauben, ihrer Freiheit entgegenzutreten. - Fest steht nämlich, daß es für die Herrschaft der Könige zuträglich und heilsam ist, wenn diese, wo es die Sache Gottes betrifft, sich nach Seiner Anordnung bemühen, den königlichen Willen den Priestern Jesu Christi zu unterwerfen, und nicht denselben ihnen vorzuziehen.

Von daher sehen wir keinen Grund, uns der antichristlichen Dikatur zu unterwerfen, sei es, dass sie von so primitivem Ketzergesindel wie der Sozietät Redeker, sei es, dass sie von einer so mächtigen Terrororganisation wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte uns aufgezwungen wird, eben weil die kirchliche Macht nach göttlichem Rechte von der bürgerlichen verschieden und unabhängig ist. Es stimmt zwar, dass der Staat sich permanent als übergöttliche Instanz aufspielt und den Bürgern verbietet, am katholischen Glauben festzuhalten. Dennoch besitzt das göttliche Recht die oberste Verpflichtungskraft, und deshalb bleibt es verboten, sich dieser Diktatur zu unterwerfen. Deswegen wird auch die Staatsanwaltschaft Essen mit ihrem antichristlichem Terror letztlich scheitern.

Die hier vorgestellte Biographie ist zitiert aus P. Marin De Boylesve SJ, Kurze Geschichte der Päpste, Mainz 1886, 268-278. Der Übersetzer schreibt im Vorwort:


Das hier in deutscher Bearbeitung erschienene populäre Werk eines berühmten Gelehrten und Denkers Frankreich stellt in kurzen und scharfen Zügen dar, daß sich seit den Tagen des heiligen Petrus die Päpste als die von Gott berufenen Träger und Vertheidiger der christlichen Weltordnung weltgeschichlich bewährt haben, daß alle Herrscher und Völker, welche sich ihnen in diesem Wirken für die Herrschaft des Christentums anschlossen, Segen empfingen und Segen verbreiteten; daß aber alle, welche gegen das Reich Christi kämpften, der Kirche zwar Leiden bereiten, sie aber nicht auf die Dauer unterdrücken konnten, wohl aber sich selbst Schaden und Untergang bereiteten. Diese großen Thatsachen sind so übersichtlich und klar zur Anschauung gebracht, daß wir uns entschlossen, dasselbe in deutscher Sprache wieder zu geben.

Es mag zunächst etwas seltsam erscheinen, daß der Autor des Vorwortes seinen Namen nicht nennt und von sich im Plural schreibt; eine gewisse Anonymität und die Verwendung des Plurals der Bescheidenheit sind in der katholischen Literatur aber nicht unüblich. Damit zum Text:


Pius IX.

Die ersten Jahre seines Priesterthums verwandte Johannes Maria Mastai im Dienste der Waisen und armen Arbeiter. Später ward er Bischof, dann Cardinal. Als Gregor XVI. im Jahre 1846 gestorben war, begab sich der Cardinal Mastai, der damals Bischof von Imola war, in´s Conclave zur Wahl des Nachfolgers. Als er durch das Städtchen Fossombrone fuhr, setzte sich eine weiße Taube auf seinen Wagen. Weder die Rufe derer, die den Wagen umstanden, noch ein Rohr, mit dem man den Vogel zu verscheuchen suchte, vermochten ihn, davonzufliegen. Verwundert rief die Menge aus: "Seht da den Papst, den Papst der Taube!" In Rom jedoch ahnte selbst im Conclave Niemand in dem jungen jungen Cardinal den zukünftigen Papst. Aber Gott lenkte die Herzen und Stimmen der Cardinäle: am 16. Juli ward Johannes Maria Mastai-Ferretti zum Papste gewählt und nahm den Namen Pius IX. an.

Das Hosannah.
Durch seine ersten Regierungshandlungen setzte Pius IX. die Welt in Erstaunen. Er erließ eine allgemein Amnestie gegen alle politischen Verbrecher, gab der Presse ausgedehnte Freiheiten, und führte in den päpstlichen Staaten die Provinzialvertretung ein. Die Liberalen jauchzten ihm Beifall.
Pius IX. hatte die Amnestie unter der Bedingung gewährt, daß die Schuldigen sich verpflichteten, in Zukunft nicht mehr zu conspirieren. Die Erfahrung zeigte bald, welches Zutrauen das Wort der Revolutionäre verdiente. Die Amnestirten begannen ihre Wühlereien auf´s Neue, um die päpstliche Macht zu stürzen.
Die bewilligte Preßfreiheit betraf nur die Gegenstände der Politik und zwar unter der Aufsicht der Censur. Von dahin ist es noch weit bis zu jener zügellosen Preßfreiheit, wie sie der Liberalismus beansprucht. Doch die Erfahrung lehrte bald, daß Pius dennoch schon zu weit gegangen war.
Die Provinzialvertretung, welche Pius IX. unter dem Namen Consulta einrichtete, hatte Nichts mit jener Regierung durch die Volksvertreter gemein, wie die Revolution sie haben wollte. Nach ihr ist das Volk der einzige Souverain und herrscht durch die Vertreter, die dasselbe angeblich frei gewählt hat. Der neue Papst aber hatte nur eine alte Institution wieder in´s Leben gerufen, welche die vorhergehenden Päpste zu ihren Urhebern gehabt hatte. Einst hatte in der That in Rom, wie in den meisten christlichen Monarchien unter verschiedenen Namen eine wahre ächt nationale Volksvertretung bestanden, die keineswegs die höchste Macht für sich in Anspruch nahm, sondern nur einen Theil ihrer Lasten trug und gewisse Obliegenheiten derselben zu erfüllen hatte.
Alsbald folgte deshalb auch dem Hosannah das Crucifigatur. Doch Pius versah sich dessen; er hatte es selbst vorausgesagt.

Das Kreuzige ihn!
Als die Revolution sich in Pius IX. getäuscht sah, entfesselte sich ihre ganze Wuth gegen ihn. Der milde Papst hatte zu seinem ersten Minister einen Mann gewählt, der der liberalen Partei angehörte und ihr Garantien gegeben hat; allein de Rossi, das war der neue Minister, war aufrichtig entschlossen, die weltliche Herrschaft des Papstes aufrecht zu erhalten. Er wurde daher auf Betreiben der geheimen Gesellschaften ermordet.
Von den Gesandten mehrerer katholischen Mächte unterstützt, gelang es Pius, aus Rom zu entkommen. In der Stadt Gaëta fand er Gastfreundschaft, die der Familie des Köngis von Neapel den ganzen Haß der liberalen Partei zuzog.
In der Einsamkeit dieser Verbannung nahm der Papst seine Zuflucht zur Mutter Gottes; dort bereitete er die Verkündigung des Dogma´s von der unbefleckten Empfängniß vor. Der Einmarsch des französischen Generals Oudinot befreite Rom von der revolutionären Regierung, und der Papst kehrte zurück.
Stets unternehmend, wo es sich um das Heil der Seelen handelte, entfaltete Pius eine allseitige kirchliche Thätigkeit. Er schloß mit mehreren Regierungen Conventionen ab, stellte die kirchliche Hierarchie in England und Holland wieder her. Das protestantische Vorurtheil geriet deshalb in große Aufregung. Heute ist dies längst verschwunden, und die katholischen Bischöfe Englands und Hollands sind allgemein geehrt und verwalten ihr Amt in Frieden. In allen Welttheilen errichtete Pius IX., namentlich im Interesse der Heidenmission, Bisthümer und apostolische Vicariate. Die Zahl der von ihm neue errichteten Erzbisthümer und Bisthümer und apostolischen Vicariate übersteigt die Zahl von zweihundert.

Die unbefleckte Empfängniß
Zur großen Freude der ganzen Kirche verkündete Pius am 8. Dezember das Dogma der unbefleckten Empfängniß Mariä. Die höllische Schlage krümmte sich und spie ihr Gift; aber Pius blieb unbewegt. Ein Bildhauer, der die edle reine Stirn Pius´IX. bewunderte, schickte sich an, eine Büste von ihm zu modelliren. Pius ergriff den Meißel des Künstlers und grub in den Thon die Worte des Propheten: "Ecce dedi frontem tuam duriorem frontibus eorum, siehe deine Stirne habe ich härter gemacht, als die ihrigen." Wie fest die Feinde zum Verderben der Kirche entschlossen sind, Christi Stellvertreter ist fester und standhafter, als sie.
Man warnte ihn vor der Politik der Schlange. "Auch ich," erwiederte er, die Augen zum Himmel erhebend, "habe meine Politik; sie ist enthalten in den Worten: "Vater unser, der du bist im Himmel zu uns komme dein Reich, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden!"

Vertheidiger des apostolischen Stuhles.
Pius war der Revolution gegenüber wehrlos. Er erließ einen Aufruf an die Gläubigen. Die Katholiken sandten ihm Gold und ihre Söhne. Es entstand der Peterspfennig und man schaarte sich unter das päpstliche Banner. Die Armee bedurfte eines Führers, der entschlossen war, nicht zu siegen, oder zu sterben, nein, zu unterliegen vor der Uebermacht und dem Verrathe. Lamoriciere, der Held von Constantine, erklärte sich bereit.
Piemont, oder vielmehr die Revolution rüstete sich, in die päpstlichen Staaten einzufallen. Die Anwesenheit der Franzosen in Rom war ein Hinderniß für ihren Plan. Aber Napoleon III. hatte zu Cialdini gesagt: "Handle, aber handle rasch!" Von seinem Herrn getäuscht, erklärte der französische Gesandte, daß Frankreich die Dazwischenkunft der piemontesischen Armee zu Gunsten der revolutionären Banden nicht dulden würde. Der General der Päpstlichen Armee mußte einer so formellen Erklärung Glauben schenken, und er führte seine Truppen gegen die Eindringlinge. Aber die piemontesische Armee rückte herbei, und die Vertheidiger des Papstes wurden bei Castelfidardo mehr durch Verrat als durch die Uebermacht erdrückt.
Ein Sohn Voltaire´s - so hatte er sich selbst genannt - Thiers, hatte in der ihm eigenen Sprache gesagt: "Wer vom Papste ißt, stirbt daran," das ist eine Lehre der Weltgeschichte. Zehn Jahre später bestätigte die Weltgeschichte auf´s neue diese Lehre.
Der Sturm ward heftiger; doch Pius, statt zu laviren, lenkte sein Schiff gegen den Strom.
Im Jahre 1862 lud er die Bischöfe nach Rom zur Canonisation der japanesischen Martyrer. Die aus allen Welttheilen herbeigeeilten Bischöfe sprachen sich feierlich für die oberste unfehlbare Lehrautorität des Papstes und für die Nothwendigkeit seiner weltlichen Herrschaft aus.

Der Syllabus.
Am 8. December 1864 verurtheilte Pius IX. die modernen Irrthümer in achtzig Sätzen, welchen den sogenannten Syllabus ausmachen.
Alle diese Irrthümer lassen sich auf drei Grundirrthümer zurückführen, welche gleichsam die drei Köpfe der liberalen Hydra bilden:
1. Die Unabhängigkeit und Souveränität der Vernunft, oder die Freiheit, selbst in Sachen der Religion, zu glauben, was man will.
2. Die Oberhoheit des Staates über die Kirche, und die Herrschaft der Majorität im Staate und folglich die Souveränität der Menge.
3. Die Freiheit des Irrthums.
Durch die einfache Thatsache der Verwerfung dieser drei Grundlehren des Liberalismus brachte der Papst in Erinnerung:
1. Die Pflicht des Menschen, seine eigene Vernunft der göttlichen Autorität zu unterwerfen und die einzig wahre Religion zu bekennen, deren von Gott gesetzte Trägerin die katholische Kirche ist.
2. Die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate, und den wahren und einzigen Ursprung der Macht, welcher der Wille Gottes und nicht der Wille der Menschen ist.
3. Die Verpflichtung jeder Autorität, zwar nicht die Wahrheit, die sich selbst genügt, aber die Völker zu schützen gegen die Gewaltthaten und Verführungen des Irrthums.
Der Syllabus traf das eigentliche Grundprincip der Revolution, den Liberalismus. Drei Jahre später war das achtzehnte Centenarium des Martyrertodes des Apostelfürsten. In demselben Jahre sollte die Weltausstellung die Aufmerksamkeit aller Völker auf die französische Hauptstadt lenken. Sie vermochte nicht die Blicke der Katholiken vom Grabe des heil. Petrus abzuwenden. Um den Papst in Rom sammelten sich 512 Bischöfe, 20,000 Priester und mehr als 150,000 Gläubige aus allen Ländern. Das war die Erfüllung der Prophezeiung, die nach dem Erscheinen des Syllabus von dem liberalen Lager ausgegangen war: "Der Papst hat durch den Syllabus sich vom eitgeiste losgesagt; er wird künftighin allein stehen!" Die Revolution, gedemüthigt und wüthend über diesen Triumph des Papstes, ergoß ihre Banden über das päpstliche Gebiet. Doch bei Mentana traf sie auf die kleine, treue Heerschaar des Papstes. Garibalde, der berühmte legendenhafte Held der geheimen Gesellschaften, hatte, wie immer, das Glück zu entkommen und verschwand für eine Zeitlang.

Das Concil.
Voll jenes unerschütterlichen Muthes, der auf Gott allein sich stützt, berief Pius ein allgemeines Concil. Es ward am 8. December 1869 eröffnet und war von 767 Bischöfen besucht. Nachdem das Concil die katholischen Grundsätze über das Verhältniß zwischen Glauben und Vernunft erklärt, sprach es die stets von der Kirche geglaubte und praktisch geübte, in den letzten Jahrhunderten aber durch Gallicaner und Josephiner bestrittene Warheit von dem höchsten unfehlbaren Lehramte des Papsts in Sachen des Glaubens und der Sittenlehre feierlich aus.
Am 18. Juli 1870 bestätigte Pius IX. dieses Decret. Ein schweres Gewitter verdunkelte die Räume der Peterskirche und man glaubte sich auf den Sinai versetzt. Kaum war die Proklamation beendigt, da schwieg der Donner, die Wolken theilten sich, und die Sonne beleuchtete das heitere Antlitz des Papstes, als er das Te Deum intonirte.
Die Erklärung der Unfehlbarkeit des Papstes war die entschiedenste Verurtheilung des modernen Rationalismus und Liberalismus und seiner vom apostolischen Stuhle verworfenen Irrthümer. Man fürchtete deshalb mit Grund ein allgemeines Vorgehen aller Politiker und Legisten der Revolution gegen das Papstthum. Aber Gott spottete der menschlichen Anschläge. An dem Tag, wo die Veröffentlichung der Concilsbeschlüsse hätte vereitelt werden können, brach der verhängnisvolle deutsch-französische Krieg aus.

Die Preisgebung des Papstes.
Napoleon zog die französischen Truppen, die noch zur Vertheidigung des Papstes in Rom standen, zurück. Am 4. und 6. August verließen die französischen Truppen Rom, um nach Frankreich zurückzukehren. Am 4. September ward Napoleon bei Sedan gefangen, gerade zehn Jahre nach dem Tage, an welchem er Cialdini zugerufen hatte: "Eilt euch!" Gott hatte sich diesmal noch mehr beeilt. Wäre Napoleon als Sieger aus dem Kriege hervorgegangen, so wären auch die napoleonischen Ideen verwirklicht worden und wäre vielleicht die Kirche in eine Knechtschaft gerathen, die schlimmer gewesen wäre, als all´ ihre gegenwärtigen Bedrängnisse. An demselben 19. September, an dem die Piemontesen Rom einschlossen, ward Paris von der deutschen Armee eingeschlossen. Merkwürdiges Zusammentreffen!
Am 20. September rückte endlich die Revolutionsarmee in die heilige Stadt ein, und der Papst war genöthigt, sich in den Vatikan zurückzuziehen.
Während Napoleon, der den Papst feige der Revolution überlassen hatte, langsam und ruhmlos dahinsiechte, erreichte Pius IX. die Jahre des heil. Petrus, und am 16. Juni 1871 feierte die Kirche das 25jährige Jubelfest der Wahl ihres geliebten Oberhirten.
Am 8. December desselben Jahres erwählte Pius IX. den heil. Joseph zum Schutzpatron der ganzen Kirche. Dieser himmlische Schutz war nöthiger als je, denn auf der ganzen Erde erhob sich die Verfolgung gegen die katholische Kirche.
Noch stand ein letztes großes Fest für Pius und die Kirche bevor: das 50jährige Bischofsjubiläum des greisen Papstes, das im Jahre 1877 gefeiert wurde.
Am 7. Februar 1878, gegen 6 Uhr Abends, entschlief Pius IX. unter dem Angelusläuten. Er hatte ein Alter von fast 86 Jahren erreicht und die Kirche während ein und dreißig Jahren und sieben Monaten geleitet.

Die Thaten, Leiden und die Triumphe Pius IX.
Drei große Thaten kennzeichnen das lange und glorreiche Pontifikat Pius IX.: die Proklamation des Dogma´s von der unbefleckten Empfängniß Mariä, die Verwerfung der Grundirrthümer unserer Zeit durch den Syllabus, das allgemeine vaticanische Concil und das Unfehlbarkeitsdogma.
In vier großen Attentaten gipfelt die Anstrengung der Revolution gegen den Papst, und diese vier Attentate knüpfen sich an die Namen: Gaëta, Castelfidardo, Mentana und Vatican.
Gaëta erinnert an das Exil des Papstes unmittelbar nach der Ermordung seines Minister de Rossi.
Castelfidardo verkündet einerseits die Lüge und den Verrath, anderseits den vergeblichen Kampf der Treue gegen die Uebermacht.
Mentana ruft die zweite Invasion in´s Gedächtniß und die Belohnung der Treue, die diesmal den Kranz des Sieges an sich reißt.
Der Vatican, der zum Gefängniß des Papstes gewordene Palast, ist ein Denkmal der Verirrung Frankreichs und aller katholischen Reiche, die ihren Beruf, die Religion und die Kirche zu schützen, vergessen haben.
Sieben Triumphe erleuchten gleich ebensovielen Gestirnen das wunderbare Pontifikat Pius IX.
1. Die Huldigungen, die dem Papste im ersten Jahre seiner Regierung (1846) dargebracht wurden.
2. Die Verkündigung des Dogma´s der unbefleckten Empfängniß Mariä am 8. December 1854.
3. Das achtzehnte Centenarium des Martyrertodes des heil. Petrus am 29. Juni 1867.
4. Das 50jährige Priesterjubiläum des Papstes am 10. April 1869.
5. Die Proklamation des Dogma´s der päpstlichen Unfehlbarkeit am 16. Juli 1870.
6. Das Jahr, mit welchem Pius IX. die Regierungsjahre des heil. Petrus überschritt, eine glückliche Widerlegung des alten, durch achtzehn Jahrhunderte bewahrheiteten Spruches: "Du wirst die Jahre Petri nicht überschreiten." (29. Juni 1871.)
7. Das 50jährige Bischofsjubiläum des Papstes im Jahre 1877.
Ein jeder dieser Tage ward für die gesammte katholische Christenheit eine feierliche Manifestation ihrer Anhänglichkeit an den Stuhl Petri und eine öffentliche Anerkennung der höchsten Autorität des Stellvertreters Christi.
Durch eine besondere Zulassung der göttlichen Vorsehung hielt der fromme und milde Papst in den ersten Jahren seiner Regierung an der Meinung fest, daß die Feinde der Kirche durch Güte und liebevolle Nachgiebigkeit zu gewinnen seien. Gott wollte ohne Zweifel zeigen, daß die Gegner der socialen und religiösen Ordnung nur vor der unbeugsamen Gerechtigkeit zurückweichen.
Pius IX. machte sich diese Lehre sehr bald zu Nutze. Die unbesiegbare Festigkeit während seiner folgenden Regierungsjahre stellen den von Natur so gütigen und milden Pius IX. in die Reihe der stärksten Päpste, eines Leo des Großen, Gregor des Großen, Gregor VII., Innocenz III. und Pius V.


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