Predigt am 22.04.2007

- 2. Sonntag nach Ostern (Sonntag vom guten Hirten); sd -
(Kirche zum Mitreden, 21.04.2007)
2007 sonntag des guten Hirten bei G.
1 Petr 2,21-25; Joh 10,11-16); Wörter: 1111
Der "Ministerpräsident" von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, sagte am 11. April in einer Trauerrede über den Verstorbenen: "Hans Filbinger war kein Nationalsozialist." "Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte." Günther Oettinger sagte am 12. April gegenüber einem Radiosender: "Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint, und die bleibt so stehen." "Ich habe aber jetzt nicht die Absicht, einen Tag nach der Trauerfeier diese Kampagne von Rot und Grün aufzugreifen, sondern die Würde des Toten zu wahren." Günther Oettinger schrieb am 14. April in einem offenen Brief: "Es gehört in unserem Kulturkreis zu den üblichen und angemessenen Gepflogenheiten einer Traueransprache, Verdienste und das Lebenswerk des Verstorbenen positiv zu würdigen und ihm die schwierigen Phasen seines Lebens - ohne sie zu verschweigen - nicht nachzutragen." "Soweit Missverständnisse in dieser Hinsicht entstanden sind, bedauere ich dies ausdrücklich." Günther Oettinger sagte am 15. April gegenüber einem Radiosender: "Ich glaube, dass Hans Filbinger ein Gegner der Diktatur gewesen war." Günther Oettinger sagte am 15. April gegenüber einer Zeitung: "Es war nie meine Absicht, die Verfolgten und die Opfer zu verletzen. Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch." Günther Oettinger sagte am 16. April bei einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin: "Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht. Und ich bin deswegen hier, um mein Bedauern auszudrücken." Günther Oettinger sagte am 19. April nach einem Treffen mit dem "Zentralrat der Juden": "Ich habe noch einmal dargestellt, was an meiner Rede falsch war und mich unverändert davon distanziert." Viel ist in diesen Tagen über diese "Affäre Oettinger" geschrieben und diskutiert worden. Dabei hat sich das allermeiste dieses unüberschaubaren Wortschwalls eigentlich schon ohnehin von vornherein komplett erledigt, nämlich die Frage nach der Todesstrafe: Es ist richtig, dass Filbinger als Marinerichter im Nationalsozialismus mehrere Personen zum Tode verurteilt hat, und die Behauptung ist falsch, dass es kein Urteil von Hans Filbinger gegeben habe, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte. Aber wer die göttlichen Gebote kennt, der weiß auch, dass die Todesstrafe als solche grundsätzlich durchaus erlaubt ist, dass es also Verbrechen gibt, für die die Todesstrafe angemessen und notwendig sein kann. Wer sich also nur über verhängte Todesstrafen als solche beschwert, hat sich damit bereits ins Aus gestellt. Betrachtet man die Vorgänge um Oettingers Rede, seine nachdrückliche Bekräftigung und seinen nachdrücklichen Widerruf seiner Worte einmal sachlich, lässt sich bei den ganzen "Diskussionen" oft nur eklatante Unwissenheit feststellen. Im Grunde ist die Sache recht einfach: Filbinger hat sich 1935 unmissverständlich über den Nationalsozialismus geäußert: Erst der "Nationalsozialismus schuf die geistigen Voraussetzungen für einen wirksamen Neubau des deutschen Rechts". Die Volksgemeinschaft sei Blutsgemeinschaft und müsse "rein erhalten und die rassisch wertvollen Bestandteile des deutschen Volkes planvoll vorwärts entwickelt werden". Filbinger hat sich dann 1949 unmissverständlich über seine Mitgliedschaft in der NSDAP geäußert: "Ich habe nur formell der Partei angehört." Filbinger hat sich bis zu seinem Tod unmissverständlich über sein richterliches Mitwirken an der nationalsozialistischen Herrschaft geäußert: "Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht gewesen sein." Kurz: Filbinger war ein blanker Rechtspositivist. Der Rechtspositivismus leugnet, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Und gerade zum Evangelium des heutigen Sonntags, "Ich bin der gute Hirt", empfiehlt der Römische Katechismus als Predigtthema: "Unter dem Namen Hirten sind nicht nur die Bischöfe begriffen und die Seelenhirten, sondern auch die Könige, Obrigkeiten und Lehrer." Und in genau diesem Zusammenhang verweist der Römische Katechismus dann auf das vierte Gebot, "Ehre deinen Vater und deine Mutter": "Wenn aber bisweilen die Befehle der Eltern den Geboten Gottes widerstreiten: so müssen die Kinder zweifelsohne den Willen Gottes dem Begehren der Eltern vorziehen, eingedenk jenes Wortes (Apg 5,29): »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.«" Kurz: So ein radikaler Rechtspositivist wie Filbinger taugt allenfalls noch als abschreckendes Beispiel, wie skrupellos auch Mitglieder der so gen. "Obrigkeit" sein können. Aber an und für sich ist Filbinger kaum der Rede wert: Ganz allgemein wird gerne vergessen und vertuscht, dass praktisch alle Nazi-Juristen ihr Amt in der "brd" behalten haben, ja sogar noch befördert worden sind. Ein Beispiel: 1937 hielt Dr. Ernst Großer die Anklagerede gegen Pater Rupert Mayer: "Ich erhebe öffentliche Klage gegen Mayer Rupert, [...] welchen ich beschuldige, fortgesetzt öffentlich hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und deren Anordnungen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben und durch die gleiche Handlung fortgesetzt als Geistlicher in Ausübung seines Berufes in Kirchen vor mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand von Erörterungen gemacht zu haben. Tatbestand: Der Beschuldigte Pater Rupert Mayer wirkt seit Jahren als Seelsorger und Kanzelredner in München und seiner näheren und weiteren Umgebung. Vor der nationalen Erhebung trat er wiederholt in politischen Versammlungen auf und kämpfte herzhaft gegen den Kommunismus; nach der Machtübernahme nahm er eine sich ständig verschärfende ablehnende Stellung gegen den Nationalsozialismus ein, so daß seine Predigten, Reden und Schriften wiederholt polizeilich beanstandet werden mußten." Das ist nur ein Ausschnitt aus Großers Anklagerede, woraufhin Pater Mayer dann auch verurteilt wurde. Großer hingegen wurde 1956 Präsident des Amtsgerichts München, und 1955 wählte der Deutsche Richterbund Großer zu seinem 1. Vorsitzenden. Die Liste solch unfassbarer Justizverbrechen ließe sich beliebig erweitern. Das "Amtsgericht Hannover" triumphiert sogar mit einer "Gedenktafel" im Gebäudeeingang, dass die Nazi-Juristen unter einer bloßen "Fassade des Rechts" unzählige Rechtsbeugungen begangen haben, ohne dass auch nur ein einziger dafür zur Rechenschaft gezogen wurde. Statt also über den allenfalls gewöhnlichen Fall des Verstorbenen Filbinger zu diskutieren, sollte man sich stärker auf den aktuellen "Ministerpräsidenten" Oettinger konzentrieren. Natürlich zeugt Oettingers Auftreten hinsichtlich der Filbinger-Trauerrede nicht gerade von Wahrheitsliebe und Besonnenheit, also von genau den Eigenschaften, die doch gerade so überaus grundlegend und kennzeichnend für Politiker sind (oder wenigstens sein müssen). Doch diese Wankelmütigkeit ist nur symptomatisch: Oettinger ist schließlich selbst ein Rechtspositivist schlimmster Ausprägung. Er ist z.B. der Letztverantwortliche für radikal verbrecherische Urteile gegen Lebensschützer. Mit brutalster Gewalt verteidigt Oettinger als Letztverantwortlicher den Kindermord im Mutterleib, und wer es trotzdem wagt, am Kindermord im Mutterleib Kritik zu äußern, der muss nach dem unerbittlichen Willen Oettingers aufs schwerste bestraft werden. Immerhin kann Oettinger argumentieren, dass er nicht der einzige ist, der die Ermordung von Kindern und die Bestrafung von Lebensschützern mit brutalster Gewalt durchsetzt: CDU und CSU sind generell für Verteidigung Schuldiger und für Bestrafung Unschuldiger bekannt. Lassen wir uns also auch durch noch so ausschweifende und unsinnige öffentliche Diskussionen, durch noch so widersprüchliche und menschenverachtende Politikerreden nicht irritieren. Folgen wir Christus, dem guten Hirten, und folgen wir der menschlichen Obrigkeit nur da, wo sie nicht im Widerspruch zum Gesetz Christi steht. Erweisen wir uns als treue Schafe des guten Hirten, damit wir dereinst teilhaben an der ewigen Freude im Himmel. Amen.

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