Predigt am 05.03.2006

- 1. Fastensonntag, sd; 2 Kor 6,1-10; Mt 4,1-11 -
(Kirche zum Mitreden, 04.03.2006)
Wörter: 1520
"Wir erweisen uns vielmehr in allen Stücken als Diener Gottes in großer Geduld, in Trübsal, in Nöten, in Ängsten; bei Mißhandlungen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, in Nachtwachen, in Fasten". Kann das sein, was Paulus da schreibt? Kann das sein, dass man sich als Diener Gottes erweist "in Nöten, in Ängsten; beiMißhandlungen, in Gefängnissen"? Als Diener Gottes muss man sich doch in Wahrheit und Gerechtigkeit bewähren, man muss in jeder Hinsicht rechtschaffen sein. Wie könnte also jemand, der wirklich rechtschaffen ist, Mißhandlungen und Gefängnisse erleiden? Jedenfalls ist Paulus doch selbst schuld: Hätte er nicht seine Stimme erhoben, hätte er statt dessen ein unauffälliges Leben geführt, dann wäre er ganz bestimmt nicht zur ständigen Zielscheibe jüdischer und staatlicher Verfolgung geworden, und erst recht der Märtyrertod wäre ihm erspart geblieben. Nun ist Paulus ja nicht der einzige, der für sein Glaubensbekenntnis irdische Nachteile erfahren hat. In einem Lehrbuch der Kirchengeschichte (Faßbinder 1953) steht: "Eine neue Glaubensprüfung begann aber, als im Jahre 1933 der Nationalsozialismus zur Macht gelangte und seinen Kampf gegen die christliche Religion, vor allem gegen die Katholische Kirche, eröffnete. Wie überall im Reiche, wurde auch im Bistum Trier dieser Kampf immer gehässiger geführt. Die Predigten wurden überwacht. Die Geistlichen durften die Volksschulen nicht mehr betreten, um Unterricht zu erteilen. Die katholischen Vereine wurden aufgelöst. Die Zeitungen durften nicht mehr für die Rechte der Katholiken eintreten. Katholische Zeitschriften wurden verboten, unter ihnen auch das Trierer Bistumsblatt. In öffentlichen Gerichtsverhandlungen suchten die Machthaber die Achtung des Volkes vor dem Priesterstande zu zerstören. Die Jugend wurde in unchristlichem Geiste geschult. Viele aufrechte Katholiken, Priester und Laien, wurden in Konzentrationslager gebracht, wo sie schwere Leiden und Mißhandlungen erdulden mußten. Trotz alledem blieben die meisten Katholiken unseres Bistums ihrem Glauben und der Kirche treu. Die Priester bildeten eine feste Abwehrfront, an ihrer Spitze Bischof Franz Rudolf Bornewasser, der würdige Nachfolger des Bischofs Korum. Furchtlos trat er in seinen Hirtenbriefen, auf der Domkanzel, auf seinen Firmungsreisen, in Gerichtsverhandlungen und bei anderen Gelegenheiten den Machthabern entgegen und verteidigte die Rechte der Kirche." Soweit das Lehrbuch. Hitler verbot u.a. jegliche Verbreitung der Enzyklika von Papst Pius XI., "Mit brennender Sorge", an deren Entstehung insbesondere Kardinalstaatssekretär Pacelli, der frühere Apostolische Nuntius in Deutschland und spätere Papst Pius XII., mitgewirkt hatte. Hinsichtlich der Unterdrückung der Kirche durch den Nationalsozialismus heißt es in der Enzyklika: »Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen, Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches Mitgefühl und tiefstes Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen. Aber – hier ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung oder Untergang geht, und wo infolgedessen dem Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn der Versucher oder Unterdrücker an ihn herantritt mit dem Judasansinnen des Kirchenaustrittes, dann kann er ihm nur – auch um den Preis schwerer irdischer Opfer – das Heilandswort entgegenhalten: "Weiche von mir, Satan, denn es steht geschrieben: den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen!" (Mt. 4, 10; Lc. 4, 8.) [...] Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Priesters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums, gleich in welcher Form, in welcher Verkleidung, in welcher Schminke er einherschreiten mag. Der Verzicht hierauf wäre nicht nur ein Verrat an Gott und Eurem heiligen Beruf, er wäre auch eine Sünde an der wahren Wohlfahrt Eures Volkes und Vaterlandes«. Soweit der Papst. Es war einfach, einen Vorwand für die Verhaftung und Ermordung der Kleriker zu finden: Einfach undefinierte Anklagen wegen "Beleidigung" und "Volksverhetzung" erheben, und schon sitzt der Priester in der Falle, ob nun mit oder ohne Schauprozess. Wird also heute ein Kleriker wegen "Beleidigung" und "Volksverhetzung" "angeklagt" und "verurteilt", muss man wissen, woher der Wind weht. Nach 1945 musste die Kirche auf die Tausende toter Kleriker schauen, die dem nationalsozialistischen Terror wegen ihrer Bekenntnistreue zum Opfer gefallen waren. Hätte da nicht endlich Reue der Kirche wegen ihrer Unbeugsamkeit einsetzen müssen? Hätte die Kirche da nicht endlich erklären müssen, dass es falsch war, die Stimme für die Wahrheit und Gerechtigkeit und gegen die Unwahrheit und Ungerechtigkeit zu erheben? Papst Pius XII. hielt 1946 eine Ansprache: "Man vergesse nicht, daß der Nationalsozialismus, dem es in Wahrheit nur darauf ankam, die Kirche zu vernichten, gerade unter dem Vorwand, den sogenannten 'politischen Katholizismus' zu bekämpfen, das ganze Aufgebot von Verfolgung, Schikanen und Bespitzelung gegen die Kirche in Bewegung setzte, wogegen sich leitende Männer der Kirche, deren Mut heute noch von der ganzen Welt bewundert wird, auch von der Kanzel aus verteidigen und mutig zur Wehr setzen mußten." Also trotz der Berge ermordeter Kleriker hielt die Kirche an dem Grundsatz fest, dass die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Priesters an seine Umwelt der Dienst an der Wahrheit ist und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums. Kann die Kirche nicht endlich Ruhe geben?! Wozu das ständige Verurteilen von Irrtümern, wozu die ständige fundamentale Kritik an verbrecherischen Regierungen? Wo bleibt die Barmherzigkeit? Doch 1958, mit dem Tod von Papst Pius XII., änderte sich die Lage. Ein Mann trat auf, sein Name war Roncalli, doch er nannte sich gerne Johannes. Dieser "Johannes" lud Anfang der 60er Jahre viele Katholiken und Nichtkatholiken zu der gigantischsten Bischofsversammlung, die die Welt je gesehen hat. Johannes eröffnete diese Versammlung mit den Worten: "Die Kirche hat Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie sie auch verurteilt, manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären als zu verurteilen." Endlich, nach 2000 Jahren, verkündet jemand das Ende der Verurteilungen. Und in der Tat: Was in den Texten steht, die von dieser Versammlung veröffentlicht wurden, ist eine restlose Abkehr vom katholischen Glauben. Die unfehlbare Lehre von der Heilsnotwendigkeit der Kirche wird offen geleugnet. Nun heißt es, dass auch nichtkatholische Gemeinschaften "Mittel des Heiles" sind. Im Koran steht: "[9.30] Die Christen sagen, der Messias sei Allahs Sohn. Das ist das Wort ihres Mundes. Sie ahmen die Rede derer nach, die vordem ungläubig waren. Allahs Fluch über sie! Wie sind sie irregeleitet! [76.4] Wahrlich, Wir haben für die Ungläubigen Ketten, eiserne Nackenfesseln und ein flammendes Feuer bereitet." Dementsprechend verkündet die Bischofsversammlung: "Mit Hochachtung betrachtet" unsere Gemeinschaft "auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat." Man hat also einen Schlußstrich gezogen unter das Verurteilen und überhaupt unter den katholischen Glauben. Immerhin: Während die Verkündigung des katholischen Glaubens in Deutschland auch heute noch gewisse irdische Nachteile mit sich bringen kann, bringt das Anhängen an den Unglauben dieses "Johannes" und seiner Nachfolger ganz erhebliche irdische Vorteile. Man geht nicht mehr den Kreuzweg unseres Herrn Jesus Christus, man geht statt dessen den breiten Weg der Bequemlichkeit. Wo, so muss man fragen, sind in all den Jahrzehnten die deutschen katholischen Kleriker geblieben, die noch den "Dienst an der Wahrheit und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums" geleistet haben. Wo sind die, die für das Bekenntnis des Glaubens Mißhandlungen und Gefängnisse auf sich genommen haben? Wo sind die Bischöfe geblieben, die in Hirtenbriefen, auf der Domkanzel, auf Firmungsreisen, in Gerichtsverhandlungen und bei anderen Gelegenheiten den Machthabern entgegengetreten sind und die Rechte der Kirche verteidigt haben? Als versöhnlicher Ausklang soll hier ein katholischer Priester (Wachsmann) zu Wort kommen, der im Februar 1944 aus dem Kerker an seine Schwester schrieb: "Liebe Minka! Ich sterbe um 3 Uhr. Nun ist die Stunde gekommen, die Gott in ewiger Liebe für mich bestimmt hat. Der gute Scholz hat mir meine Beichte gehört und die Wegzehrung gereicht. In einer Stunde gehe ich hinüber in die Herrlichkeit des lebendigen Gottes. Ich habe mich ganz und restlos und ohne jeden Vorbehalt Gott ergeben. In Seiner Hand bin ich geborgen. In Seinem heiligen Herzen wird mich Christus hinüberreißen zum Vater. Maria wird mich beschützen und St. Josef mich begleiten. Nun muß ich noch Abschied nehmen von Dir. Hab herzlichen Dank für alles, alles, was Du im Leben mir Gutes getan hast! Sei gesegnet für die Liebe, die Du mir geschenkt, für die Nachsicht und Geduld, die Du mit mir gehabt. Besonders herzlich bitte ich Dich um Verzeihung, daß ich Dir in den letzten acht Monaten soviel Herzweh verursacht habe. Ich lege Dich hinein in das Herz Christi. Gott wird für Dich sorgen. Sei nicht mutlos! Vertrau auf Gott! Er hat mich nicht verlassen. Die acht Monate meiner Vorbereitung auf die Ewigkeit waren schwer, aber doch sehr schön. Nun muß ich durch die enge Pforte der Guillotine heimgehen. Ich bin überzeugt, daß Vater und Mutter auf mich warten. Grüße ... alle, alle! Ahnungslos, daß ich heute sterben muß, las ich von Reinhold Schneider die drei ersten Erzählungen aus „Dunkle Nacht". Liebe Maria! Es segne Dich der Allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Auf Wiedersehen im Himmel!" Amen.

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