Predigt am 16.11.2003

- 23. Sonntag nach Pfingsten, sd -
(Kirche zum Mitreden, 16.11.2003)
Phil 3,17-21; 4,1-3; Mt 9,18-26

In einem Forum wurde kürzlich ein Beitrag veröffentlicht: "Gott ist tot. Und wenn Gott nicht tot ist, dann ist er zumindest schuldig wegen unterlassener Hilfeleistung." Der Schreiber bezeichnet sich selbst als "Ex-Christ". Offensichtlich war er mit der göttlichen Vorsehung nicht ganz einverstanden, so dass er meinte, seinen Glauben aufgeben zu dürfen oder zu müssen. Die Denkweise des Ex-Christen baut auf dem Grundsatz auf: "Wenn Gott nicht das tut, was ich will, dann bete ich ihn auch nicht an, denn entweder ist er böse, dann will ich nichts mit ihm zu tun haben, oder es gibt ihn nicht, dann kann ich auch gar nichts mit ihm zu tun haben." Was diesen selbsternannten "Ex-Christen" ganz konkret bewogen hat, seinen Glauben aufzugeben, schreibt er nicht. Es könnten private Erlebnisse sein, es könnte das Leid eines Freundes sein, es könnte das Leiden von persönlich Unbekannten infolge gigantischen Unrechts sein. Besonders die Vorstufe der Bundesrepublik Deutschland, der Nationalsozialismus, wird in diesem Bereich immer wieder gerne genannt. Wie konnte Gott diese Gräuel zulassen, dass z.B. allein im Konzentrationslager Dachau 2600 Geistliche aus 134 Diözesen und 24 Nationen interniert waren, wovon mehr als 1000 getötet wurden? Und warum starben im Konzentrationslager Auschwitz Menschen wie der Franziskanerpater Maximilian Kolbe, obwohl sie nicht nur unschuldig, sondern positiv rechtschaffen waren? Warum hat Gott nicht eingegriffen, warum hat er dieses riesige Leid nicht verhindert oder wenigstens früher beendet? Angesichts des Leids gibt es aber noch andere Reaktionen als eben die, sich zum Ex-Christ zu erklären. Eine besonders teuflische Reaktion besteht darin, den Glauben offiziell zwar nicht aufzugeben, aber ihn zu vergiften, um andere, die sich für den Glauben interessieren, leichter in die Irre führen zu können. Das Leiden anderer wird also als Vehikel missbraucht, um antichristliche Gedanken als christliche Gedanken verkaufen zu können. Ein Beispiel für eine solche Vergiftung des Glaubens ist die Behauptung: "Nach Auschwitz, dem Gulag und zwei Weltkriegen kann man nicht mehr vollmundig von »Gott, dem Allmächtigen« reden. Im Neuen Testament bieten sich andere »christlichere« Attribute an, die dem Prädikat »allmächtig« vorzuziehen sind: »all-gütiger«, »all-erbarmender« oder schlicht »lieber Gott«" (Küng). Man spricht von einem "lieben Gott" und will damit seine Allmacht aus dem Bewusstsein verdrängen, so dass im Grunde nur noch von einem lächerlichen Gott die Rede ist. Zum Wesen Gottes gehört die Allmacht notwendig. Diese angebliche Unmöglichkeit, dieses kategorische Verbot, von der Allmacht Gottes zu reden, ist Zeichen eines durch und durch teuflischen Denkens. Es dient dazu, den Menschen zu vergötzen, da Gott ja als gescheitertes Wesen hingestellt wird. Wie furchtbar wäre es aber erst, wenn solche Glaubensvergifter gem. staatlicher Entscheidung Anspruch auf den Titel katholisch hätten, oder noch schlimmer, wenn die Verteidiger des wahren Glaubens, also diejenigen, die wahre katholische Lehre unverkürzt vertreten, gem. staatlicher Entscheidung nicht nur keinen Anspruch auf den Titel katholisch hätten und sich sogar strafbar machten, wenn sie sich noch katholisch nennen und wenn sie die Nicht-Katholiken als Nicht-Katholiken bezeichnen? Über die Möglichkeit einer solchen Katastrophe wollen viele gar nicht erst nachdenken. Es gibt angesichts des Leidens noch eine weitere Reaktion, u.z. in Verzweiflung und Resignation zu verfallen. Man präsentiert sich nicht selbstherrlich als Ex-Christ, der Gott als böse oder aber nicht vorhanden bezeichnet, man huldigt auch keinen Verdrehungen der Gotteslehre, indem man den eigentlichen Sinn der Dogmen mehr oder weniger raffiniert verfälscht, man hat vielmehr gewissermaßen mit der Welt abgeschlossen, man ist träge, gleichgültig geworden. Man interessiert sich kaum dafür, wie es um Wahrheit und Gerechtigkeit steht, den Triumph der Lüge und des Unrechts nimmt man fast schon achselzuckend, teilnahmslos zur Kenntnis, wenn man ihn denn überhaupt noch zur Kenntnis nimmt.
Blicken wir auf das heutige Evangelium. Darin wird von zwei Wunderheilungen berichtet. Das Leid des Synagogenvorstehers wegen seiner toten Tochter wird gewissermaßen sofort beendet, er kommt ja direkt nach dem Tod seiner Tochter zu Christus. Das Leid der blutflüssigen Frau hingegen hat bereits zwölf Jahre gedauert, allerdings führt die Berührung von Christi Gewand zu ihrer sofortigen Heilung. Zunächst könnte man fragen: Wenn Christus das Leid dieser Menschen mühelos sofort beenden konnte, warum beendet er nicht das Leid jedes Menschen sofort? Warum lässt er das Leiden zu? Warum triumphieren Lüge und Ungerechtigkeit, warum unterliegen Wahrheit und Gerechtigkeit? Wer mit offenen Augen und mit nüchternem Verstand nach der Antwort sucht, der wird sie in der Lehre von der Erbsünde finden, der weiß, dass diese Welt der Ort der Entscheidung ist, entweder für den Himmel oder für die Hölle. In diesem Sinnzusammenhang steht auch das Leid: Wie gehe ich mit dem Leid um? Nutze ich es, um mir und anderen einzureden, dass es keinen Gott gibt, den man anbeten darf, nutze ich es, um andere mit antichristlichen Verdrehungen in die Irre zu führen, oder sehe ich es im Licht der Offenbarung von Erbsünde und Erlösung? Sowohl der Synagogenvorsteher als auch die Frau haben das Leid als Weg zu Christus genutzt. Die Frau hat Christus zwar nicht direkt angesprochen, aber die Bibelkommentare erklären, dass laut den alttestamentlichen Reinheitsvorschriften der Blutfluss unrein machte und die Frau demnach Christus nicht um eine heilbringende Berührung bitten durfte. Das Heil erfahren also beide, weil sie die Initiative ergriffen haben, weil sie zu Christus gekommen sind. Auch unser Leben muss von dem Wunsch geprägt sein, von Christus das Heil zu erlangen. Möglicherweise wird uns körperliches Leiden nicht erspart bleiben. Möglicherweise wird uns Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen nicht erspart bleiben. Doch was auch passiert: Wir müssen immer die Gemeinschaft mit Christus suchen. Und selbst wenn unser Leiden Monate, Jahre und Jahrzehnte dauern sollte, wir müssen uns vor Augen halten, dass Gott sofort Heilung schenken kann, wenn er es für richtig hält. Gott ist der Allmächtige.
Abschließend noch ein Gedanke: Der Priester ist ein zweiter Christus. Der Priester handelt, wenn er die Sakramente spendet, in der Person Christi. Wenn wir die hl. Kommunion empfangen, wenn wir die Absolution in der Beichte empfangen, dann handelt Christus. Wer in der Gemeinschaft mit Christus stehen will, wird sich auch an die kirchlichen Gebote halten, die einmal im Jahr den Empfang des Beichtsakramentes und einmal im Jahr, u.z. in der österlichen Zeit, den Empfang der hl. Kommunion vorschreiben. Hier ist also die Initiative der Gläubigen ganz konkret erforderlich, durch den Dienst des Priesters das Heil zu empfangen, das Christus schenkt. Dabei ist der Priester durch die sehr strenge Vorschrift gebunden, die Sakramente grundsätzlich nur an Katholiken zu spenden. Wer noch einer gottfeindlichen Gruppierung angehört, und sei es auch nur auf dem Papier, muss die Initiative ergreifen, damit ihm der Weg zu Christus offen steht. Und wenngleich jede Initiative je nach Bedeutung gut überlegt sein muss, darf man hier nicht in Gleichgültigkeit verfallen und den Zeitpunkt gedankenlos verstreichen lassen, an dem die Entscheidung hinreichend begründet und damit notwendig geworden ist. Wenn wir nicht zögern, zum richtigen Zeitpunkt das zu tun, was notwendig ist, werden auch wir Christi Stimme hören: "Sei getrost, dein Glaube hat dir geholfen." Amen.

S. auch:
Christus in Dachau
Publik-Forum
Vollstreckungsbeschluss gegen KzM

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