Die Lehre der Kirche über Maria

(Kirche zum Mitreden, 04.09.1998)

dogmatische lehre bei G.
In Bezug auf die kirchliche Lehre über Maria besteht leider bei vielen eine katastrophale Unwissenheit; zu was für abstoßenden Beleidigungen der Kirche und damit letztlich Gottes sich Menschen bisweilen hinreißen lassen, kann ein Eintrag im "Forum" von "kirchen.de" dokumentieren; der Autor nennt sich "Johann Buchner" und könnte durchaus einer von den Lümmeln sein, die sich über KzM beschweren (s. den Text "Grobe Klötze" und die aktuellen Leserbriefe):
"Lieber Thomas Floren (aus dem Gästebuch), ich habe mal gehört, daß erst 1950 beschlossen wurde, daß Maria auch körperlich in den Himmel aufgefahren sei. Kann das zeitlich stimmen? Außerdem dürften langsam auch Sie Abschied nehmen vom Himmel als örtliche Vorstellung. Zwischen welchen Galaxien liegt denn bitte der christliche Himmel? Gibt es vielleicht einen für Himmelszwecke reservierten Planeten im Orionnebel? Der Transfer eines Menschen zu einem Ort irgendwo im All (beam me up Scotty) entsprang den naiven Vorstellungen der Christen vor vielen Jahren. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß die übertriebene Marienverehrung im Katholizismus eine Folge des Zölibats ist." Bei "Thomas Floren" handelt es sich offenbar um einen V2-Sektierer, der noch von gewissen nostalgischen Gefühlen angetrieben wird und der den Umbruch von V2 nicht wahrhaben will, doch dessen Auffassungen sind hier nicht unser Thema. Bleiben wir bei "Buchner": Hier schreibt offenkundig jemand, dem das Christentum nicht nur fremd ist, sondern der es, ohne sich überhaupt damit auseinandergesetzt zu haben, in den Schmutz zieht. Statt so dümmliche Einträge in einem "Gästebuch" oder "Forum" zu fabrizieren, ist es natürlich besser, sich Informationen zu beschaffen, um überhaupt mitreden zu können. Glaubt man "Buchner", so haben die Christen also von den ersten Jahrhunderten bis ca. 1960 unter dem Einfluß der esoterischen Science-Fiction-Serie "Star Trek" gestanden und konnten sich erst in den letzten Jahrzehnten von Raumschiff Enterprise lösen; in Buchners Denken muß Pythagoras den Satz des Pythagoras "beschlossen" haben, ähnlich wie Doppler den Doppler-Effekt "beschlossen" hat, wie Ohm den elektrischen Widerstand "beschlossen" hat, wie Theodor Mommsen die Regierungszeit Julius Cäsars "beschlossen" hat etc., denn es geht ja nicht um eine Vereinssatzung, sondern um ein Faktum, und unabhängig davon, ob es sich um ein mathematisches, naturwissenschaftliches oder historisches Faktum handelt: Wahrheit wird nicht "beschlossen", sondern zur Kenntnis genommen. Die letzte Konsequenz bei "Buchner": Es gibt gar keine Auferstehung, weder eine Auferstehung Christi, noch die Auferstehung Mariens oder irgendeines anderen Menschen, denn wenn die Auferstehung Mariens daran scheitern sollte, daß es ja für die Auferstandenen keinen Platz im Universum gibt, dann wäre auch Christi Himmelfahrt nur Volksverdummung. Auch weil "Buchner" sich in völlig irrigen Vorstellungen vom ewigen Leben festgebissen hat, erklärt er faktisch den gesamten christlichen Glauben für sinnlos. Inwieweit psychische Komplexe dazu geführt haben, daß "Buchner" einen - völlig absurden - Zusammenhang zwischen Marienverehrung und Zölibat sehen will, können wir hier nicht beurteilen. Wir kennen eine ganze Reihe von verheirateten Frauen, die regelmäßig den Rosenkranz beten - nach Buchner leiden diese Frauen also nur unter dem Druck des Zölibats!
Ähnlich töricht wie Buchners Weisheiten ist der Eintrag einer "Elisabeth", die meint:
"Das, was die katholisch-dogmatische Lehre über Maria (nach II.Vatikanum) aussagt, wird - mit einigen Vorbehalten- auch von evangelischen Christen akzeptiert und verstanden werden können. Es gibt sehr schöne und tiefgehende Marienbetrachtungen von z.B.Martin Luther, Dietrich Bonhoeffer oder Hans-Dieter Reimer. Aber: Zwischen katholisch-theologischer Lehre der Gegenwart und der Volksfrömmigkeit sind gravierende Unterschiede. Ich bin eine gläubige (kath.) Christin, aus inniger Liebe zu Jesus Christus absolut ökumenisch eingestellt (Joh. 17,21) - und habe jetzt den Vergleich zwischen Theologie durch Studium und praktizierter Volksfrömmigkeit. Woran sich unsere evangelischen und evangelikalen Geschwister im Glauben stoßen, sind eben diese unbiblischen Ausformungen. ("der kürzeste Weg zu Jesus ist über Maria", "nur Maria kann helfen", Marienweihen, wundertätige Marienmedaillen etc. Diese Marienfrömmigkeit entstand schon ab dem 2. Jhdt, durch das Auftauchen der altkirchlichen Apokryphen. Diese Schriften wurden nie in den Kanon aufgenommen, obwohl sie zur Zeit der Kanonbildung schon längst existierten. Aus Angst vor Häresien war den katholischen Christen das Lesen der Bibel verboten; nicht aber das Lesen dieser legendenhaften SChriften, die zur Erbauung dienten."
Soviel Unfug auf kleinstem Raum unterzubringen, ist schon eine Leistung: Alle Achtung, "Elisabeth"! Einige Anmerkungen dazu:
1) "Elisabeth" unterscheidet zwischen einer DOGMATISCHEN Lehre über Maria vor und nach V2; das ist zwar an sich falsch, weil sich die dogmatische Lehre natürlich nicht ändert, aber insofern richtig, als V2 tatsächlich auch Schritte gegen die katholische Marienlehre eingeleitet hat, v.a. mit dem letzten Teil der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" (Lumen Gentium), deren 8. Kapitel überschrieben ist: "Die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche". Dort kommen ebenso Parolen, Maria sei die "Mutter der Kirche", wie "Ermahnungen", es mit der marianischen Theologie und Spiritualität nicht zu übertreiben (?).
2) Auf die Augenwischerei von Typen wie Luther oder Bonhoeffer kann jeder Christ getrost verzichten.
3) "Aus inniger Liebe zu Jesus Christus absolut ökumenisch eingestellt"? Das würde bedeuten, man müßte Christus hassen, um ihn zu lieben, weil die "Ökumene" sich aus dem Haß gegen den Absolutheitsanspruch Christi begründet.
4) "Theologie durch Studium"? Falls "Elisabeth" damit die V2-"Theologie" meinen sollte, ist hier jeder Kommentar überflüssig.
5) So ganz egal kann es den ntl. Autoren doch nicht gewesen sein, welchen Stellenwert Maria im Heilsplan hat: "Bei dem Kreuze Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas, und Maria Magedalena. Als Jesus nun die Mutter und den Jünger, den er liebte, dabeistehen sah, sagte er zu seiner Mutter: 'Frau, da ist dein Sohn!' Dann sagte er zu dem Jünger: 'Da ist deine Mutter!' Von jener Stunde an nahm der Jünger sie in sein Haus auf" (Joh 19,25-27). Zudem: "Sie alle verharrten einmütig im Gebet zusammen mit den Frauen, zumal mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern" (Apg 1,14).
6) "Aus Angst vor Häresien [war] den katholischen Christen das Lesen der Bibel verboten"? Da hat "Elisabeth" willig etwas nachgekaut, was ihr einer der V2-Sektierer vorgekaut hat, nämlich die - natürlich verlogene - Behauptung, die Katholiken hätten die Bibel nicht lesen dürfen. Statt die Fieberphantasien der V2-Leute zu "studieren", hätte "Elisabeth" sich besser an die Fakten gehalten: "Aber sprach sich die Kirche nicht gegen das Lesen der Bibel aus? Genau das Gegenteil ist der Fall. Von den ersten Jahrhunderten des christlichen Zeitalters bis zum heutigen Tag hat die Kirche beständig und unermüdlich das Lesen und das Studium der Bibel durch Klerus und Laien gefördert. Man könnte fast endlos Zitate dafür aus den frühen Kirchenvätern anführen. [...] Luthers vielzitiertes Wort, daß vor seiner Zeit die Bibel unter der Bank im Staub vergessen lag, hat dazu beigetragen, daß dieser Eindruck sich vor allem unter Leuten ausbreitete, die ihre Geschichtskenntnisse nur einem einzigen Buch entnehmen, ohne sich die Mühe zu machen, die Ansichten der zeitgenössischen Schriftsteller erkennen zu lernen. Tatsache ist, daß Luthers Behauptung durch die wirklichen Verhältnisse widerlegt wird, wie zahllose nichtkatholische Schriftsteller berichten. [...] Aber war nicht Luther der erste, der die Bibel in die Landessprache übersetzte? Nein, Luthers Übersetzung des Neuen Testaments wurde erst 1522 veröffentlicht, und seine Übertragung des Alten Testaments erschien erst 1534. Von 1466 bis 1522 hatten Katholiken bereits 14 vollständige oberdeutsche Bibelausgaben in Augsburg, Basel, Straßburg und Nürnberg und fünf niederdeutsche in Köln, Delft, Halberstadt und Lübeck veröffentlicht. [...] Es wurden zwar von katholischer Seite Einwendungen gegen Luthers Übersetzung erhoben, doch nur wegen ihrer Fehler und ihrer Unzuverlässigkeit. Emser schrieb damals, daß Luther an vielen Stellen den alten, zuverlässigen Text der Kirche zu seinem großen Nachteil verwirrt, entstellt und verdorben und ihn mit häretischen Bemerkungen und Vorworten vergiftet habe ... 'Fast überall', so fährt er fort, 'vergewaltigt er die Schrift in der Frage von Glauben und Werken, selbst wenn weder an Glauben noch an Werke gedacht ist.' Emser wies 1400 Ungenauigkeiten nach, während Bunsen, ein protestantischer Gelehrter, eine Liste von 3000 aufstellte" (J. O´Brien, Der Glaube der Millionen, Aschaffenburg 1949, 184-187).

Lassen wir also die esoterischen Ergüsse "Buchners" und die Phantasien der "innig liebenden" "Elisabeth" und blicken wir auf die Lehre der Kirche über Maria. Auch wenn die marianischen Dogmen erst recht spät definiert worden sind, wurden sie bereits vorher von vielen Gläubigen zum Depositum Fidei gezählt und spielten in der Frömmigkeit, insbesondere in der Liturgie, eine wesentliche Rolle. Maria besitzt als Gottesmutter eine einzigartige Würde: "Ohne Zweifel überragt die heiligste Mutter durch ihre Würde alle geschaffenen Dinge" (Pius XII., Enz. Ad Caeli Reginam, 1954, DS 3917). Weil Maria von Gott dazu bestimmt war, der Welt den Erlöser zu gebären, wurde sie von Gott auch mit besonderen Gnadengaben ausgestattet.

1) Maria wurde ohne Makel der Erbsünde empfangen (unbefleckte Empfängnis)
Dieses Dogma verkündete Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854, und die Kirche feiert dieses Geheimnis jedes Jahr am 8. Dezember; in der Bulle "Ineffabilis Deus" schreibt der Papst:
"Zur Ehre der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, zur Zierde und Verherrlichung der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zum Wachstum der christliche Religion erklären, verkünden und bestimmen wir in Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und in unserer eigenen:
Die Lehre, daß die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jedem Fehl der Erbsünde rein bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben.
Wenn sich deshalb jemand, was Gott verhüte, anmaßt, anders zu denken, als es von uns bestimmt wurde, so soll er klar wissen, daß er durch eigenen Urteilsspruch verurteilt ist, daß er an seinem Glauben Schiffbruch litt und von der Einheit der Kirche abfiel, ferner, daß er sich ohne weiteres die rechtlich festgesetzten Strafen zuzieht, wenn er in Wort oder Schrift oder sonstwie seine Auffassung äußerlich kundzugeben wagt" (NR 325; D 1641).
Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis wird leider immer wieder mit folgendem Dogma verwechselt:

2) Maria war Jungfrau vor, in und nach der Geburt
Wenngleich wir dieses Dogma schon mehrfach auf unseren Seiten erwähnt haben, nennen wir es der Vollständigkeit halber auch an dieser Stelle.
Bereits auf der Lateransynode 649 unter Papst Martin I. werden diese drei Aspekte der Jungfräulichkeit Mariens ganz selbstverständlich genannt: "Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne die heilige und immer jungfräuliche und unbefleckte Maria als Gottesgebärerin bekennt, da sie eigentlich und wahrhaft das göttliche Wort selbst, das vom Vater vor aller Zeit gezeugte, in den letzten Zeiten, ohne Samen, vom Heiligen Geiste empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihre Jungfrauschaft auch nach der Geburt: der sei verworfen" (NR 269; D 256). Papst Paul IV. verurteilte 1555 in der Konstitution "Cum quorundam" die Auffassung, "daß sie (Maria) nicht immer in unversehrter Jungfrauschaft verblieben sei, nämlich vor der Geburt, in der Geburt und immerdar nach der Geburt" (NR 322; D 993). Während diese Texte - jeweils für sich betrachtet - nicht von allen Theologen als unfehlbar beurteilt werden, kommt ihnen unter diachronischem Aspekt dennoch der Rang der Unfehlbarkeit zu. Außerdem wird Maria auch in eindeutigen Dogmen als "immerwährende Jungfrau" bezeichnet, z.B. auf dem 2. Konzil von Konstantinopel (553): "Wer nicht zwei Geburten des Wortes Gottes bekennt, die eine von Ewigkeit aus dem Vater, zeitlos und körperlos, die andere in den letzten Tagen, da er herabkam aus den Himmeln und Fleisch geworden ist aus der heiligen glorreichen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria und aus ihr geboren wurde, der sei ausgeschlossen" (NR 255; D 214: s. auch D 218 und D 227).

3) Maria wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen
In der apostolischen Konstitution "Munificentissimus Deus" verkündete Papst Pius XII. am 1. November 1950 als von Gott geoffenbartes Dogma:
"Deshalb ... zur Ehre des allmächtigen Gottes, der sein besonderes Wohlwollen der Jungfrau Maria mitgeteilt hat, zur Ehre seines Sohnes, des unsterblichen Königs der Zeiten und des Siegers über Sünde und Tod, zur größeren Ehre seiner erhabenen Mutter  und zur Freude und zum Jubel der ganzen Kirche, mit der Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und Unserer eigenen verkünden wir, erklären und definieren wir, daß es ein von Gott geoffenbartes Dogma ist: Die unbefleckte Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau Maria wurde nach Vollendung ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen. / Deshalb, wenn jemand, was Gott abwende, dies entweder zu leugnen, oder freiwillig in Zweifel zu ziehen wagt, was von Uns definiert wurde, so soll er wissen, daß er vom göttlichen und katholischen Glauben ganz und gar abgefallen ist" (DS 3903 / 3904). Das Fest der "Mariä Himmelfahrt" (15. August) gab es auch schon vor dieser Dogmenverkündung. Dementsprechend steht z.B. im Schott - Meßbuch von 1937, 13 Jahre vor der Dogmenverkündung, als Einführung zu "Mariä Himmelfahrt": Die Kirche feiert heute den kostbaren Tod und die glorreiche Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel. Die Annahme, daß die sundelose Jungfrau-Mutter samt ihrem Leib in den Himmel aufgenommen wurde, ist zwar kein feierlich verkündeter Lehrsatz, aber doch ununterbroche Überlieferung unsrer katholischen Kirche. Die demütigste Jungfrau erhielt die herrlichste Himmelskrone, bestieg den höchsten Ehrentrhorn. Nun ist sie die Königin der Engel, aber auch die mächtige und milde Fürbitterin und Schützerin der Gläubigen auf ihrer gefahrvollen Pilgerreise zum Himmel [...] Der Ursprung es Festes führt in den Orient, wo es wohl schon über das Konzil von Chalcedon (451) hinaufreicht. In der römischen Kirche bestand das Fest des Heimganges Mariä sicher im 7. Jahrhundert."

Was nun die Begründung der Dogmen betrifft, so ist zunächst auf die Angemessenheit der Privilegien Mariens angesichts ihrer einzigartigen Würde hinzuweisen, insbesondere mit Blick auf das Protoevangelium (das "erste" Evangelium, insofern zum erstenmal die Erlösung angekündigt wird), Genesis 3,15, das im Urtext lautet: [Gott spricht zu der Schlange nach dem Sündenfall] "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er [der Same der Frau] wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen." Schon in der frühchristlichen Auslegung wurde der Ausdruck "Same der Frau" auf Christus bezogen und dementsprechend Maria als die "Frau" betrachtet. "Nach der fast einstimmigen Exegese der Väter von Justinus Martyr und Irenäus angefangen ist der 'Schlangentreter' eine bestimmte Person, und zwar der Erlöser selbst, Jesus Christus, wie auch das der Schlange so gefährliche 'Weib' nicht mit Eva, sondern direkt mit Maria zu identifizieren ist. Diesem ersten Binar tritt aber ein zweites feindselig gegenüber: die 'Schlange', d.i. der Teufel, und sein 'Samen', d.i. die aus Sündern bestehende Anhängerschaft (vgl. Mt 3,7; Joh 8,44; Apg 13,10; 1 Joh 3,8). Nun hat aber Gott selbst zwischen beiden Binaren, nämlich Christus und Maria auf der einen, sowie Satan und Sündern auf der anderen Seite, eine unversöhnliche Feindschaft gesetzt, deren Wirkung in dem vollständigen Siege des ersten über das zweite Binar, nämlich in der 'Zertretung des Kopfes der Schlange', bestehen wird. wenn also der Schlangentreter über Teufel und Sünde triumphiert, so muß auch sein Mutter Maria am Triumphe ihres Abstammes, d.i. Christi, teilnehmen, weil sie ja in der gleichen Feindschaft mit dem Teufel und dessen Anhang lebt wie Christus. Gesetzt aber den Fall, Maria wäre auch nur einen kurzen Moment mit der Erbsünde befleckt gewesen, dann hätte der Teufel über sie gesiegt, statt umgekehrt sie über ihn, dann wäre sie folglich für einen Augenblick die Freundin und Anhängerin statt Feindin des Teufels gewesen, d.h. das Protoevangelium wäre unwahr. Folglich hat das Protoevangelium, im Lichte der ständigen christlichen Tradition betrachtet, nicht nur den Erlösungssieg Christi, sondern implicite auch die unbefleckte Empfängnis seiner Mutter geweissagt" (Pohle-Gierens, 269f).
Über die Jungfräulichkeit Mariens s. auch unsere Bemerkungen zum Protestantismus und zu Hansjürgen Verweyen. Die Jungfräulichkeit Mariens während der Geburt ist klar bei Isaias 7,14 ("Die Jungfrau wird empfangen und gebären") angekündigt und wurde bereits von den Kirchenvätern nie in Zweifel gezogen.
Die Aufnahme Mariens in den Himmel ist ebenfalls der Würde der Gottesmutter angemessen. "Im Protoevangelium, namentlich in Verbindung mit ntl Texten (bes. Röm 5,12ff), die Sünde und Tod als die, in sich zusammengehörige, dem Erlöser feindliche, von ihm aber überwundene Macht hinstellen, ist wohl - als Teil im Ganzen - die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel mitenthalten: denn Maria ist nach der traditionellen Erklärung des Protoevangeliums ein Teil des siegenden Prinzips; die Verwesung nach dem Tode, wenn auch aus besonderen Gründen nicht der Tod selbst, ist aber, wie das Beispiel Christi zeigt, ein Teil des überwundenen Feindes. Nur wenn, trotz der feindlichen Nachstellung, schließlich und dauernd das ganze siegende Prinzip den ganzen Feind überwindet, ist diesem der Kopf zertreten. ... es ist nicht gut möglich, daß der jungfräuliche Leib, der den Gottmenschen selber empfing, gebar und säugte, dem Greuel der Verwesung dem Fraße der Würmer anheimfallen sollte. [...] Nicht unpassend bezieht man daher den Psalmvers (Ps 15,10): 'Du wirst deinen Heiligen die Verwesung (corruptionem) nicht schauen lassen', auch auf die Mutter Gottes, welche als solche eines Fleisches war mit dem Gottmenschen, nach dem alten Satze: Caro Iesu, caro Mariae [Das Fleisch Jesu ist das Fleisch Mariens]" (Pohle-Gierens, 304f).

Es gibt auch eine wichtige, allerdings noch nicht als unfehlbar definierte Lehre, daß Maria eine gewisse Mittlerfunktion in der Heilsgeschichte übernommen hat. Dies steht aber in keinem Widerspruch und erst recht nicht in Konkurrenz zur Mittlerschaft Christi: "Es gibt ja nur Einen Gott und nur Einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, der sich zum Lösegeld für alle dahingegeben hat" (1 Tim 2,5). Dazu Neuner - Roos: "Die Lehre von der Gnadenmittlerschaft Mariens ist kirchliches Erbgut seit den ersten christlichen Jahrhunderten. Sie ist nichts anderes als das Bewußtsein der Kirche von der überragenden Stellung Mariens im göttlichen Heilsplan. - Trotzdem war es erst den letzten Jahrzehnten vorbehalten, diese Lehre auch in amtlichen Dokumenten zu verkünden" ((1)1938; 188). Papst Leo XIII. schreibt in der Enzyklika "Octobri Mense" vom 22. September 1891 zu dieser Lehre:
"Der ewige Gottessohn wollte zur Erlösung und verherrlichung des Menschengeschlechtes die Menschennatur annehmen und deshalb in einem gewissen Sinn eine mystische Ehe mit dem gesamten Menschengeschlecht eingehen. Er tat das aber nicht ohne das vorhergehende ganz frei Ja der erwählten Mutter, die gewissermaßen Wortführerin des Menschengeschlechtes selber war. Thomas von Aquin hat das so wahr und treffend gesagt: In der Verkündigung wurde die Zustimmung der Jungfrau an Stelle der gesamten menschlichen Natur erwartet. So darf man in vollem Sinn als wahr behaupten: Von jenem großen Gnadenschatz, den der Herr gebracht hat - durch christus sind uns ja Wahrheit und Gnade geworden (Joh 1,17) - fließt uns nach göttlichem Willen nichts zu außer durch Maria. Wie deshalb zum höchsten Vater niemand hintreten kann außer durch den Sohn, so kann gewissermaßen niemand zu Christus hintreten außer durch die Mutter" (NR 327; DS 3274).

Der enge Zusammenhang zwischen Christus und seiner Mutter bringt es mit sich, daß sich Liebe zu Christus auch in Marienverehrung äußert. Wer Mutter und Sohn hier künstlich trennen will, der setzt sich leicht der Gefahr aus, den gesamten Glauben zu verlieren, s. das Beispiel des Protestantismus oder der V2-Sekte. Wer die Privilegien Mariens leugnet, der hat auch mit Christus gebrochen. Man hat die Wahl, wem man sich anschließen will: Entweder Christus und seiner Mutter, oder dem Teufel und der sündigen Welt; s. auch unsere Empfehlung des Rosenkranzgebetes.

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